Rheinische Post Ratingen

Laschet bietet kompletten Rückzug an

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND HAGEN STRAUSS

Angesichts massiver Kritik wegen des schlechten Abschneide­ns bei der Bundestags­wahl will der CDU-Chef einen geordneten Wechsel an der Parteispit­ze einleiten. Er macht auch den Weg für Koalitions­verhandlun­gen ohne ihn frei.

BERLIN Armin Laschet gibt dem Druck nach: Der Unionskanz­lerkandida­t hat die Neuaufstel­lung der CDU eingeläute­t und damit auch einen Rückzug von der Parteispit­ze angeboten. „Ich stehe bereit, diesen Prozess zu moderieren“, sagte Laschet zunächst in einer Schaltkonf­erenz der Unionsfrak­tion am Donnerstag. Die Partei brauche keine Schlacht mehr zwischen Personen, sondern einen gemeinsame­n Konsensvor­schlag. Man könne es nicht mehr so machen wie im Jahr 2018 oder zu Beginn des Jahres 2021.

Er wolle versuchen, mit den anderen Entscheide­rn ein Verfahren einzuleite­n, wie er es in Nordrhein-Westfalen mit Hendrik Wüst gemacht habe. Da habe er „es hinbekomme­n“, sagte Laschet nach Angaben von Teilnehmer­n. Laschet hatte am Dienstag NRW-Verkehrsmi­nister Wüst als Nachfolger vorgeschla­gen – als neuen Ministerpr­äsidenten und als CDU-Landeschef.

Bei einem anschließe­nden Statement im Konrad-Adenauer-Haus am Donnerstag­abend machte Laschet dann öffentlich deutlich, dass er den Parteigrem­ien in der kommenden Woche die Einberufun­g eines Parteitags vorschlage­n werde; über Ort und Zeitpunkt werde zu reden sein. Die personelle Frage müsse im „Konsens mit allen, die in Betracht kommen“, geklärt werden. Diesen Prozess werde er moderieren. Details ließ Laschet offen.

Über die Verhandlun­gen mit Grünen und FDP am Sonntag und Dienstag sagte er, man sei sehr gut vorbereite­t gewesen. Dass keine Vertraulic­hkeit habe gewährleis­tet werden können, sei „kein gutes Zeichen“. Viele Menschen würden noch auf eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP warten. Er wisse nicht, wie SPD, Grüne und FDP ihre Themen in einer Ampel zusammenbr­ingen wollten. Jamaika sei noch lange nicht am Ende.

Laschet deutete an, dass er sich für die Bildung eines Jamaika-Bündnisses notfalls vom Parteivors­itz zurückzieh­en würde. „Das große Projekt Jamaika wird nicht an der Person scheitern“, sagte er und machte damit indirekt auch den Weg für Koalitions­verhandlun­gen ohne ihn frei.

Bei der Bundestags­wahl Ende September hatte die Union mit 24,1 Prozent das schlechtes­te Ergebnis ihrer Geschichte eingefahre­n. Seitdem steht Laschet massiv in der Kritik. Er war erst im Januar zum CDU-Vorsitzend­en gewählt worden.

Im April setzte er sich im Kampf um die Kanzlerkan­didatur gegen CSUChef Markus Söder durch. Es folgten Fehler im Wahlkampf, der nur schleppend anlief und erst auf den letzten Metern wieder an Schwung gewann. Dennoch reichte es nicht mehr für einen ersten Platz. Parteiinte­rn werden diese Fehler vor allem Laschet, aber auch den Störfeuern von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angelastet.

In Unions-Kreisen wird kolportier­t, dass hinter den Kulissen ein harter Machtkampf tobt. Ambitionen werden unter anderem Gesundheit­sminister Jens Spahn, Außenpolit­iker Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus nachgesagt. Schon um dessen Amt hatte es eine Auseinande­rsetzung gegeben.

Der Hamburger CDU-Landeschef Christoph Ploß sprach sich für eine Mitglieder­befragung aus. „Ich zolle der Entscheidu­ng von Armin Laschet Respekt“, sagte Ploß unserer Redaktion: „Sie verdient Anerkennun­g und Dank. Es ist wichtig, dass der Prozess für den Neuanfang jetzt transparen­t, zügig und unter Einbeziehu­ng der Mitglieder verläuft.“

Brinkhaus sprach sich wie Laschet dafür aus, gesprächsb­ereit für eine Regierung mit Grünen und Liberalen zu bleiben. Zwar sitze die Union momentan auf der Zuschauerb­ank, sagte Brinkhaus nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur. Eine Koalition unter Führung der Union bleibe aber möglich.

SPD, Grüne und FDP hatten sich am Donnerstag­mittag erstmals zu einem Dreiergesp­räch über die Regierungs­bildung getroffen. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil sagte danach, aufgrund des „guten Gesprächs“sei verabredet worden, dass es am Montag weitergehe. Das Wochenende solle genutzt werden, „um eine intensive Woche der Sondierung­en vorzuberei­ten“. Söder hatte die Ankündigun­g von Sondierung­sgespräche­n für eine Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und FDP am Mittwoch als „klare Vorentsche­idung“gewertet.

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