Priestermangel bedroht Messen
In der katholischen Kirche NRWs sind im vergangenen Jahr nur 13 Männer zu Priestern geweiht worden.
DÜSSELDORF Eines der großen Probleme der katholischen Kirche wird in den Gemeinden immer dann schmerzlich deutlich, wenn wieder ein Pfarrer in den Ruhestand geht. So wie kürzlich im Duisburger Süden, wo gleich zwei Pastoren aufhören. „Die Luft wird immer dünner“, sagte Stadtdechant Roland Winkelmann. „Es ist nicht leicht, neue Pfarrer zu finden.“Immer mehr Gemeinden werden zusammengelegt; in ganz Deutschland wurden im vergangenen Jahr nur 57 Männer zu Priestern geweiht. In den fünf nordrhein-westfälischen Bistümern empfingen 13 Männer das Sakrament der Priesterweihe.
Die Anzahl der Priester geht in der Erzdiözese Köln sowie den Diözesen Münster, Aachen und Essen immer weiter – teils sogar dramatisch – zurück, wie eine Umfrage unserer Redaktion deutlich macht. In Aachen etwa gab es im Jahr 2000 noch 489 Priester, heute sind es 216. In Münster ist die Zahl der Diözesanpriester von 800 auf 380 zurückgegangen. „Der Rückgang wird auch in den kommenden Jahren massiv sein“, sagt Sprecher Stephan Kronenberg. „Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2030 noch etwa 200 Diözesanpriester im aktiven Dienst tätig sein werden, im Jahr 2040 noch 100.“Zwar müssten im Bistum Münster noch keine Messen abgesagt werden, das hängt nach Angaben Kronenbergs aber auch damit zusammen, dass die Zahl der Menschen, die Gottesdienste besuchen wollen, ebenfalls zurückgegangen ist. Die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher lag in Münster im Jahr 2000 noch bei 344.000 und im Jahr 2019 nur noch bei 147.000. „Corona hat diesen Rückgang weiter beschleunigt“, sagt Kronenberg.
Immer mehr Pfarreien wurden zusammengelegt. Gab es vor 20 Jahren im Bistum Münster noch fast 700 Pfarreien, sind es heute nur noch gut 200. Auch im Erzbistum Köln ist es „zunehmend erforderlich, dass unter der Leitung eines Pfarrers Gemeinden zu größeren Seelsorgebereichen zusammengeführt werden“, wie Bistumssprecher
Thomas Klimmek sagt. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Kirchenaustritte in NRW stetig angestiegen, vor allem in Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki durch seinen Umgang mit dem Missbrauchsskandal eine große Vertrauenskrise ausgelöst. Im Frühjahr musste das Amtsgericht die Termine für Kirchenaustritte von 600 auf 1000 im Monat aufstocken, die Wartelisten waren trotzdem lang.
Die Zahl der Priester hat sich auch in Köln verändert, allerdings nicht so dramatisch wie in anderen Bistümern. In den vergangenen vier Jahren ist sie von 405 auf 382 gesunken. Zu den Gründen für den fehlenden Nachwuchs sagt Pfarrer Regamy Thillainathan, Direktor und Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars
Köln: „Es war sicher schon immer eine Herausforderung, Menschen zu finden, die sich auf diesen Weg machen, denn hier geht es ja nicht nur um einen Beruf, sondern auch um eine Lebensform.“In Gesprächen mit jungen Menschen erlebe er aber, dass der Glaube in deren Leben nach wie vor eine wichtige Rolle spiele.
Aus dem bischöflichen Generalvikariat Essen heißt es zum schwindenden Interesse am Beruf des Priesters: „Einen einzelnen Grund hierfür zu nennen, ist kaum möglich, wenngleich die zölibatäre Lebensform natürlich ein nicht unerhebliches Ausschlusskriterium darstellt.“Der Priesterberuf sei heute zudem sozial in vielerlei Hinsicht starken Anfragen ausgesetzt. „Die
Zugangsvoraussetzungen zum Weiheamt des Priesters zu ändern, kann nur auf weltkirchlicher Ebene geschehen“, sagt Sprecher Jens Albers. „Da von grundlegenden Änderungen derzeit nicht ausgegangen werden kann, ist zu erwarten, dass Pastoralteams künftig noch pluraler zusammengesetzt sein werden und dass der Anteil der Priester dabei weiter rückläufig sein wird.“
Im Bistum Aachen ist zwar noch jeder zweite Bewohner Katholik, die Zahl ist trotzdem rückläufig, wie Margherita Onorato-Simonis, Leiterin der Hauptabteilung Personal beim Bistum Aachen, sagt. „Volkskirchliche Strukturen, wie es sie früher gab, sind verschwunden. Auch in vielen Familien ist das religiöse Leben nicht mehr so ausgeprägt“, sagt sie. „Insofern fehlen oftmals auch die Vorbilder, die junge Menschen den Entschluss fassen lassen: Ich will Priester werden.“Dass sich das kirchliche Leben verändert, spürt man vor allem bei den Gottesdiensten, zu deren Gelingen auch viele Ehrenamtler beitragen. Im Bistum Münster wird nun eine Bestimmung des Kirchenrechts genutzt, wonach der Bischof bei Priestermangel die Pfarreileitung einer Einzelperson oder mehreren Personen übertragen kann, die nicht Priester sind. Sie dürfen auch weiblich sein. Mit der Pastoralreferentin Christel Winkels wird im November eine Frau dem Seelsorgeteam der Pfarrei Sankt Willibrord in Kleve vorstehen.