Rheinische Post Ratingen

Spannender Zweikampf am Bosporus

- VON MARTIN MORAVEC

In Istanbul feierte Lewis Hamilton 2020 den WMTitel. Ein Jahr später ist der Kampf um die Krone der Formel 1 zu einem engen Wettstreit mit Max Verstappen geworden.

ISTANBUL (dpa) Vor Selbstzwei­feln werden Lewis Hamilton und Mercedes auch in Istanbul nicht entkommen. Ein Jahr nach dem vorzeitige­n siebten WM-Gewinn darf sich der Engländer am Bosporus im Formel-1-Millimeter­kampf gegen Max Verstappen und Red Bull keinen Ausrutsche­r erlauben. Der Antrieb beim einst schier erdrückend dominanten Branchenpr­imus läuft auch nach dem Gewinn aller sieben Fahrerund Konstrukte­urstitel seit 2014 auf vollen Touren.

„Wir leiden in gewisser Weise immer unter dem Hochstaple­rsyndrom“, räumte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei einer Veranstalt­ung mit Anteilseig­ner Ineos vor dem 16. Saisonrenn­en am Sonntag (14.00 Uhr/Sky) in der Türkei ein. „Wir denken, dass die anderen im Team wirklich gut in ihrem Job sein müssen, weil wir gewonnen haben, und ich selber weiß nicht, was mein Beitrag war.“

Jeder im Rennstall habe dieses Denken. „Wenn man sich am Montagmorg­en nach einem Rennen, das wir mit Glück gewonnen haben, eine unserer Nachbespre­chungen anhört, klingt das nicht nach einem Team, das gewonnen hat“, meinte Wolff weiter. „Wir sind immer skeptisch gegenüber unserer eigenen Leistung.“

In einer Saison, in der der Mercedes-Vorsprung vor der Regelnovel­le 2022 geschmolze­n und der WMKampf

so eng wie seit Hamilton vs. Rosberg 2016 nicht mehr ist, haben Wolffs Worte vielleicht noch mehr Gehalt. Natürlich sind sie auch Koketterie und cleveres Storytelli­ng aus dem Mercedes-Maschinenr­aum. Sie zeigen aber auch, wie brüchig ein Selbstkonz­ept sein kann. Kann jemand die Mercedes-Triumphe als Blendwerk enttarnen? Waren all die Siege nur glückliche­r Zufall?

Nein, das waren sie nicht. Hamiltons Sieg 2020 im viertletzt­en Rennen in Istanbul zum Beispiel, als er mit seinem siebten WM-Titel mit Michael Schumacher gleichzog, war es nicht. Und auch sein 100. GrandPrix-Erfolg vor zwei Wochen in Sotschi war es nicht, als Herausford­erer

Verstappen wegen eines Motorenwec­hsels von ganz hinten starten musste, aber doch noch auf Rang zwei raste.

Die Frage nach einem neuen Aggregat für Hamilton reist beim so knappen WM-Vorsprung von nur zwei Zählern auch in die Türkei mit. Es gebe Fragezeich­en, was die Zuverlässi­gkeit des Motors betreffe, räumte Wolff ein. „Im Moment gehen wir ein Rennwochen­ende nach dem anderen an. Hamilton hat regelkonfo­rm seinen dritten neuen Motor Ende August in Belgien bekommen. Dass dieser bis zum Saisonende durchhält, ist unwahrsche­inlich. „Ich versuche meine Motoren mit großer Sorgfalt zu behandeln, wenn ich fahre“, sagte Hamilton. „Ich kann die Zukunft aber nicht bestimmen.“

Im Thriller um die WM-Krone können bei noch sieben ausstehend­en Grand Prix Ausrutsche­r folgenschw­er sein. „Weder Fahrer noch Team können sich in der aktuellen Situation zurücklehn­en, denn es gibt einfach keinen Punkteabst­and“, mahnte Wolff mit Blick auf den WM-Stand. „Ich glaube, dass das noch sehr lange dauern wird.“

Ein Ausfall in den kommenden Wochen sei ein „No-Go für die Meistersch­aft“, betonte Wolff. Weder Mercedes noch einer der Konkurrent­en könne sich ein „Null-Punkte-Rennwochen­ende“leisten.

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FOTO: DARKO BANDIC/DPA Lewis Hamilton (l.) aus Großbritan­nien vom Team Mercedes in Aktion vor Max Verstappen aus den Niederland­en vom Team Red Bull Racing.

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