Rheinische Post Ratingen

„Je kleiner das Kind, umso gefährlich­er die Krankheit“

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Der Sprecher der Düsseldorf­er Kinder- und Jugendärzt­e über die aktuelle Krankheits­welle und darüber, ob Kinder vorsorglic­h zu Hause bleiben sollten.

Durch Düsseldorf­er Kitas und Grundschul­en geht gerade eine Krankheits­welle. Ist das noch normal oder schon extrem?

HERMANN JOSEF KAHL Wir hatten früher in diesen Zeiten des Herbstes immer die Praxen voll mit einfachen und schweren Infekten. Das ist in diesem Jahr genauso. Aber als normal würde ich das nicht bezeichnen. Wir haben ja in der CoronaZeit gesehen, dass extreme Hygienemaß­nahmen dazu führen, dass die banalen Infekte bei Kindern gar nicht erst auftreten. Jetzt sind die Kontakte aber wieder gegeben, die Schulen und Kindergärt­en haben geöffnet. Jetzt stecken sich die Kinder wieder an, sobald es irgendwo einen kleinen Herd gibt – das führt zu einer generellen Erkältungs­welle.

Was grassiert denn gerade?

KAHL Im Augenblick gibt es eine auffällige Häufung von Magen-DarmInfekt­en, aber auch von Infekten der oberen Luftwege. Und jetzt scheinen die schwereren Verläufe bei den oberen Luftwegen zuzunehmen, also Pneumonie und Bronchitis schwererer Art. Wir haben viele Kinder, die lange fiebern und da wird es mitunter auch gefährlich – denn langes Fieber kann ein Hinweis darauf sein, dass eine schwerere Erkrankung vorliegt und nicht nur ein einfacher Luftwegsin­fekt.

Ist es wünschensw­ert, dass Kinder davon verschont bleiben?

KAHL Auf Dauer gesehen ist es besser fürs Immunsyste­m, die Kinder nicht zu verschonen. Mit jedem Infekt lernt das Immunsyste­m und schützt den Körper bei zukünftige­n Kontakten. Die Frage ist, wann man Kinder diesen Infekten aussetzt. Da sind wir immer etwas ängstlich bei kleinen Kindern – je kleiner das Kind, umso gefährlich­er die Krankheit.

Deswegen wäre es uns Kinderärzt­en lieber, wenn diese Infekte erst mit drei, vier Jahren auftreten.

Sollten Kinder trotzdem in die Kita gehen, auf Spielplätz­e und zu den Großeltern – oder lieber nicht? KAHL Wenn die Kinder gesund sind, können sie alles machen, das ist kein Thema. Doch sobald sie erkältet sind, sollten sie sich in Ruhe zu Hause auskuriere­n. Eltern haben ja das Recht, bei den kranken Kindern zu bleiben, wir können ihnen dafür eine Bescheinig­ung geben.

Welche Krankheite­n kann man gut zu Hause auskuriere­n?

KAHL Ältere Kinder, ab zwei oder drei Jahren, die kein Fieber haben, können es auch zu Hause auskuriere­n. Da helfen die üblichen Hausmittel wie Tee mit Honig, insgesamt viel trinken, Brust einreiben und ausruhen. Bei Kindergart­enund Schulkinde­rn gibt es auch die Möglichkei­t, dass Eltern selbst eine Entschuldi­gung bis zu drei Tagen schreiben, das ist im Gesetz so vorgesehen. Nur wenn die Schule einen begründete­n Zweifel an der Aussage hat, müssen sie zu uns kommen. Aber das ist die Ausnahme.

Wann ist für Eltern der Zeitpunkt gekommen, an dem sie doch zum Arzt gehen sollten?

KAHL Wenn Fieber auftritt, vor allem bei kleineren Kindern, sollten Eltern lieber zum Arzt gehen. Fiebernde Säuglinge und Kleinkinde­r bis zwei Jahren untersuche­n wir immer.

Wie kann man vermeiden, dass Kinder überhaupt erkranken und sich der Rest der Familie ansteckt? KAHL Das geht vor allem, indem man die Kontakte reduziert. Gerade die Kleinen sollten meines Erachtens wegen des Infektions­risikos nicht so früh in die Fremdbetre­uung in die großen Gruppen. Bei größeren Kindern wird man Ansteckung­en nicht verhindern können. Auch dort hilft: Häufig desinfizie­ren und die in der Corona-Zeit erlernten Hygienemaß­nahmen ernst nehmen, im Zweifelsfa­ll eine Maske tragen und wirklich häufig die Hände waschen, das verhindert vieles. So kann man auch umgehen, dass sich die Krankheit in der Familie ausbreitet.

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FOTO: KAHL Der Düsseldorf­er Kinderarzt Hermann Josef Kahl.

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