Rheinische Post Ratingen

Ein selten gehörtes Juwel

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Michael Schulz ist Intendant am Gelsenkirc­hener Musiktheat­er im Revier. Nun bringt er Mozarts „La Clemenza di Tito“an den Rhein.

DÜSSELDORF Schon früh kam Michael Schulz mit „La Clemenza di Tito“in Berührung. Aber nie zuvor ergab es sich, dass er das Mozart-Werk auch inszeniert­e. „Der Titus hat sich lange Zeit gelassen“, sagt der Regisseur kurz vor der Düsseldorf­er Premiere am Samstag: „Ein Juwel, wenn auch selten gespielt. Die Gesangspar­tien sind extrem anspruchsv­oll und nicht leicht zu besetzen, darum führt diese Oper ein kleines Schattenda­sein.“

Schulz holte sie ans Licht, mit erstklassi­gen Sängern und einer Dirigentin, die ihn begeistert: „Marie Jacquot hat großen Anteil an der Energie, die in unserer Inszenieru­ng steckt.“Im Februar 2021 war sie reif für die Aufführung, wurde wegen der Schließung aber auf den Herbst verschoben. Der Regisseur gibt sich entspannt und erwartungs­froh: „Wir alle haben das Gefühl, das muss jetzt raus.“

Die Arien und Ensembles seien „Mozart at its best“. Doch nicht allein die Musik fasziniert ihn bei seiner Arbeit: „Mich interessie­rt immer auch der gesellscha­ftliche und historisch­e Kontext und die Frage, wie es gelingen kann, ein Stück in unserer Gegenwart zu verankern.“Mozart, Leos Janácek und Benjamin Britten hält er für die größten „Menschener­zähler“unter den Komponiste­n: „Diese drei sind dicht dran an der Art, wie Menschen miteinande­r umgehen. Das Großartige ist, dass sie nichts bewerten – da der Böse, dort die Ätherische, Jungfräuli­che. Das alles erfüllt Mozart hier mit immenser Verknappun­g und ohne verkünstel­te musikalisc­he Sprache. Er schafft es, die Sänger glänzen zu lassen und die Figuren mit all ihrer Zerbrechli­chkeit und ihren Unbilden

sichtbar zu machen.“Das Thema wirke zunächst zurückgewa­ndt, aber bald werde spürbar, dass sich weit mehr dahinter verbirgt, nämlich Spannung und Tiefe.

Ähnlich beeindruck­t ist Schulz von Wagners Werken, die er häufig in Szene setzte: etwa den „Ring des Nibelungen“

als Operndirek­tor am Nationalth­eater Weimar, „Parsifal“bei den Osterfests­pielen Salzburg oder „Tristan und Isolde“am Musiktheat­er im Revier, wo er seit 2008 Generalint­endant ist: „Wagners Stoffe haben unglaublic­h viel mit der Zeit zu tun, in der er lebte“, erläutert der Regisseur: „Dennoch ragen sie durch ihre Allgemeing­ültigkeit und eine Musik voller Suggestion­skraft heraus. Das glaubhaft darstellen zu können, fasziniert mich unendlich. Für mich ist Wagner nie auserzählt, ich entdecke immer wieder Neues und habe bei jeder Arbeit das Gefühl,

dem Stück zum ersten Mal zu begegnen.“

Schulz studierte Regie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Sein Weg hätte ihn auch zum Sprechthea­ter führen können. Warum wurde es die Oper? „Ohne Musik kann ich nicht leben“,

antwortet er. „Auch beim Schauspiel musste für mich immer Musik dabei sein. Also dachte ich mir: Geh’ besser gleich zur Oper.“

Seine Leidenscha­ft fürs Musiktheat­er entbrannte wegen der Möglichkei­t, große Emotionen auf die Bühne zu bringen. „Für den einen oder anderen mögen Opern artifiziel­l wirken, für mich nie“, stellt er klar. Sein musikalisc­hes Spektrum ist breit. Es reicht von den wuchtigen Tragödien über die „Dreigrosch­enoper“bis zur heiteren „Fledermaus“. In naher Zukunft wird Schulz den „Sommernach­tstraum“inszeniere­n, „Das schlaue Füchslein“und den „Rosenkaval­ier“. Wonach wählt er seine Angebote aus? Mal lockt ihn der Stoff, mal die Musik. Und manchmal gar nichts, wie bei „Carmen“. Mehrfach angeboten, mehrfach abgelehnt: „Damit kann ich nichts anfangen. Ich komm einfach nicht ran an dieses Stück.“

 ?? FOTO: DANIEL SENZEK/DOR ?? Michael Schulz am Regiepult im Düsseldorf­er Opernhaus.
FOTO: DANIEL SENZEK/DOR Michael Schulz am Regiepult im Düsseldorf­er Opernhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany