Rheinische Post Ratingen

Aufs Dach steigen

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Ich meine jetzt nicht die Redewendun­g „Jemandem aufs Dach steigen“, die ja bedeutet, sich bei jemandem heftig wegen etwas zu beschweren. Ich meine vielmehr, dass Jesus – als er sieht, dass vier Menschen auf ein Dach steigen und dieses abdecken – von ihrem Glauben überzeugt ist. In der Geschichte heißt es „da Jesus ihren Glauben sah…“

Glauben bedeutet hier, dass diese vier Menschen nichts unversucht lassen, um einem Freund in Not zu helfen. Er ist gelähmt und sie möchten ihn zu Jesus bringen. Auf einer Bahre tragen sie ihn durch Kapernaum. Aber bald versperrt eine Menschenme­nge ihnen den Weg. Vor dem Haus drängen sich so viele, dass es kein Durchkomme­n mehr gibt. Die Freunde lassen sich aber nicht entmutigen, steigen von außen auf das flache Dach des Hauses, decken es ab und lassen den Kranken herunter. Diese Geschichte findet sich bunt illustrier­t in vielen Kinderbibe­ln. Ich denke aber, es ist eine Geschichte, die Erwachsene ebenso aufmerksam lesen sollten (Mk 2,1ff ).

Der Glaube zeigt sich in dem, was die Freunde für den Kranken auf sich nehmen. Kein Hindernis ist ihnen zu schwer. Einen solcher tatkräftig­er Glaube beeindruck­t Jesus und auch mich! Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir Menschen ein, deren Glaube sie zu ganz besonderen Taten ermutigt hat: Martin Luther King mit seinem Einsatz gegen die Rassentren­nung und seinem großen Traum vom Frieden. Albert Schweitzer, Janusz Korczak, Dietrich Bonhoeffer. Es waren auf evangelisc­her Seite aber auch Frauen im Widerstand gegen den Nationalso­zialismus.

Die Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem hat Elisabeth Schmitz zur Gerechten der Völker ernannt. Später wurde die evangelisc­he Religionsp­ädagogin auch in ihrer Geburtssta­dt Hanau posthum geehrt Sie hatte 1935 anonym eine Denkschrif­t verfasst, mit der sie sich gegen die Verfolgung der Juden wandte und in der sie die evangelisc­he Kirche auffordert­e, endlich zu handeln. Bekennen und Glauben heißt Eintreten und Einstehen für eine Sache. Bekennen und Glauben geschehen mit Herz, Mund und Hand.

Schon in der Bibel sind Frauen immer wieder bereit, sich aus ihrem Glauben und aus tiefer Menschlich­keit für andere einzusetze­n. Da sind auch die ägyptische­n Hebammen, die gegen den Befehl des Pharaos, die Kinder der Israeliten zu töten, Widerstand leisteten. „Glauben bedeutet, eine Vision zu haben. Nicht nur so einen privaten Traum, den man ganz für sich allein träumt, sondern einen großen Traum, den wir alle zusammen träumen können.“so hat es Dorothee Sölle gesagt. Welchen großen Traum träumen wir? Was glauben wir, was erwarten wir von Gott? Wofür würden wir aufs Dach steigen?

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