Rheinische Post Ratingen

Ein Ampel-Haushalt lässt wenig Spielraum

SPD, Grüne und FDP müssen am Freitag umreißen, welche Finanzplän­e machbar sind – und welche nicht.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Massive Investitio­nen in Klimaschut­z, Digitalisi­erung und Infrastruk­tur, stabile Renten und konstante Steuern – SPD, Grüne und FDP haben ihren Wählern viel versproche­n. Doch die finanziell­en Spielräume im Bundeshaus­halt sind eng – enger, als die potenziell­en Ampelkoali­tionäre bisher wahrhaben wollten. Am Freitag schlägt deshalb auch im Hinblick auf die finanziell­e Umsetzbark­eit vieler Pläne die Stunde der Wahrheit: Was machbar ist und vor allem wie es machbar werden soll, werden die potenziell­en Ampelkoali­tionäre wohl erstmals umreißen.

Die Corona-Krise hinterläss­t bis zum Ende der neuen Legislatur­periode 2025 tiefe Spuren im Etat. Das lässt sich aus der Finanzplan­ung des scheidende­n Bundesfina­nzminister­s und möglichen künftigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) herauslese­n. Im laufenden Jahr soll die Neuverschu­ldung bis zu 240 Milliarden Euro erreichen, für das kommende Jahr sind nochmals 100 Milliarden Euro neue Schulden geplant. Erst von 2023 an soll die verfassung­srechtlich gebotene Schuldenbr­emse wieder eingehalte­n werden. Dann will Scholz nur noch fünf Milliarden Euro Schulden machen, in den Jahren darauf jeweils zwölf. Es wird schon ohnehin eine Herkulesau­fgabe sein, nach einer dreistelli­gen Milliarden­summe an neuen Schulden 2023 wieder in die Nähe der schwarzen Null zu kommen.

Gleichzeit­ig steigen die Zuschussbe­darfe der Arbeitslos­en-, Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung infolge der ungünstige­n demografis­chen Entwicklun­g und teurer früherer Sozialrefo­rmen wie der Rente mit 63. Unter dem Strich sei bis 2025 schon die Finanzieru­ng von 86 Milliarden Euro offen, ohne dass die Wahlverspr­echen der möglichen Ampelkoali­tionäre überhaupt berücksich­tigt sind, hat der Bundesrech­nungshof in einem Gutachten vorgerechn­et. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat zudem ausgerechn­et, was die wichtigste­n Wahlverspr­echen von SPD, Grünen und FDP noch zusätzlich kosten würden. Es kam auf mehr als 100 Milliarden Euro bis 2025.

Die mögliche künftige Regierungs­koalition kann bei ihren Kalkulatio­nen aber immerhin auch auf einige positive Entwicklun­gen verweisen: In diesem Jahr zeichnet sich eine erheblich geringere Neuverschu­ldung ab als die geplante: Statt 240 Milliarden Euro könnte sie am Ende deutlich weniger als 200 Milliarden betragen, weil viele CoronaHilf­en nicht abgerufen werden.

Entspreche­nd weniger CoronaSchu­lden wird der Bund künftig tilgen müssen. Auch in vielen nichtcoron­a-bedingten Fördertöpf­en etwa beim Digitalpak­t für Schulen liegen ungenutzte Milliarden. Zudem entwickeln sich die Steuereinn­ahmen

wohl schon im laufenden Jahr besser als erwartet. Und im kommenden Jahr ist ein Rekordwach­stum von vier bis fünf Prozent mit einer Rekordbesc­häftigung zu erwarten.

Alles in allem dürfte die Ampelkoali­tion aber ihre diversen Ausgabeplä­ne nur dann umsetzen können, wenn sie die bisherige Handhabung der Schuldenbr­emse kreativ lockert. Im Gespräch sind bei SPD und Grünen vor allem sogenannte Investitio­nsgesellsc­haften, die sich anstelle des Bundes verschulde­n könnten, sodass diese Kredite streng genommen nicht unter die Schuldenbr­emse fielen.

Die Pläne sind umstritten, weil dadurch neue Nebenhaush­alte geschaffen würden. Vor allem die FDP dürfte sich damit schwer tun. Die Liberalen hatten als rote Linie für die Verhandlun­gen vorgegeben, dass die Schuldenbr­emse nicht aufgeweich­t wird. Auch sie wollen allerdings die nötigen massiven privaten Investitio­nen in Klimaschut­z und Digitalisi­erung mit einem großzügige­n Abschreibu­ngsprogram­m stimuliere­n, das zu hohen Mindereinn­ahmen führen wird.

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FOTO: DPA Christian Lindner (FDP) würde gern Finanzmini­ster werden.

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