Nowitzki und die sieben Zwerge
Alle Deutschen in der besten Basketball-Liga der Welt stehen vor entscheidenden Herausforderungen. Doch für die größten Schlagzeilen dürfte einmal mehr ein ehemaliger Superstar sorgen – Frührente hin oder her.
Die wichtigste Nachricht vorneweg: Dirk Nowitzki ist zurück! Zwar hat der Würzburger seine aktive Karriere vor zweieinhalb Jahren beendet. Doch seit Sommer mischt der mittlerweile 43-Jährige wieder mit im Basketball-Geschäft: Als Berater fungierte er bei der Suche nach einem neuen Trainer für „seine“Dallas Mavericks. Das Team, dem Nowitzki während seiner kompletten, 21 Jahre dauernden NBA-Karriere treu blieb - vermutlich ewiger Rekord -, trennte sich im Sommer von Rick Carlisle. Der Meistertrainer ging – vermutlich, bevor er gefeuert worden wäre. Auch auf Nowitzkis Fürsprache hin lenkt nun Jason Kidd die Mannschaft – der Spielmacher an Nowitzkis Seite auf dem Weg zur Meisterschaft 2011.
Wenn nun aber am 19. Oktober die NBA in ihre neue Saison startet, verfestigt sich die Einsicht: Es gibt ein Leben nach Dirk Nowitzki. Die Saison 2021/2022 wird bereits die dritte Spielzeit ohne den „langen Blonden“sein. Und so langsam gewöhnt sich auch BasketballDeutschland daran, dass Nowitzki eher im Anzug zu sehen ist statt in Trikot und Turnschuhen.
Mehr als nur ein Trostpreis: Deutschland hat sich als BasketballNation etabliert. Gleich sieben Nationalspieler werden in der besten Basketball-Liga der Welt auflaufen: Dennis Schröder (Boston), Daniel Theis (Houston), Maximilian Kleber (Dallas), Isaac Bonga (Toronto) und Isaiah Hartenstein (Los Angeles Clippers) kennen sich längst aus; neu hinzu kommt Franz Wagner (20) aus Berlin, der in Orlando an der Seite seines Bruders Moritz spielen wird.
Franz und Moritz Wagner: Ein Brüder-Paar im selben Team
Aller Anfang ist schwer? Für Franz Wagner muss das nicht zwangsläufig gelten. Dass ihn die Orlando Magic aus Florida als achtbesten Nachwuchsspieler unter Vertrag nahmen (selbst Nowitzki wurde 1998 nur an neunter Stelle gewählt), beflügelt den 20-jährigen Berliner gleich doppelt. Zum einen will er seinem Ruf als Ausnahmetalent mit besonders reifem, auf die NBA zugeschnittenem Spielstil gerecht werden. Zum anderen will es der Zufall, dass zu den Mitspielern sein Bruder Moritz zählt. Der 24-Jährige spielt in seiner vierten NBA-Saison bereits beim vierten
Team.
Dirk Nowitzki: Einer der besten 75 aller Zeiten – bald auch ganz offiziell
Die NBA feiert Geburtstag: seit mittlerweile 75 Jahren organisiert die Liga in den Vereinigten Staaten professionellen
Basketball. Aus diesem Anlass wird kommende Woche eine offizielle Liste der 75 besten NBA-Spieler aller Zeiten erscheinen. Und Nowitzki wird als einer der wenigen NichtAmerikaner überhaupt auf dieser Liste auftauchen, weil er als erster wirklich großer Spieler auf seinen Distanzwurf gesetzt hat, anstatt nur direkt am Korb zu agieren
Auf Rang eins ist der legendäre Michael Jordan gesetzt, die Plätze dahinter werden wohl Kobe Bryant und LeBron James unter sich ausmachen. Und obwohl auch die Ikonen vergangenen Jahrzehnte gewürdigt sein wollen, darf Nowitzki womöglich auf einen Platz in den Top 20 hoffen. Denn in seiner 21-jährigen Karriere hat sich der Würzburger stets in den Dienst seiner Mannschaft gestellt, ist aber dennoch in diversen statistischen Kategorien in die „Ewigen“Top Ten vorgestoßen. Die Erfolge mit der deutschen Nationalmannschaft wie WM-Bronze 2002 und EM-Silber 2005 werden bei der Nominierung keine Rolle spielen. Doch die umso wichtigere Meisterschaft in der Liga steht ja ebenfalls in Nowitzkis Vita: Als unumstrittener Anführer hatte er den Außenseiter Dallas 2011 zum ersten und bislang einzigen NBA-Titel geführt.
Das zählt für die Experten - zu Recht mehr als mehrere
Titel, die mancher Bankdrücker ohne viel eigenes Zutun sammelte.
Dennis Schröder:
Der Mann, der sich um 78 Millionen Dollar verzockte
Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsvertrag läuft aus und Ihr Arbeitgeber bietet Ihnen
einen neuen an. Laufzeit: vier Jahre, Vergütung: 84 Millionen Dollar. Weil Sie aber so sehr von sich überzeugt sind, lehnen Sie ab – im Vertrauen darauf, zu einem späteren Zeitpunkt einen noch besser dotierten Vertrag angeboten zu bekommen. Stellen Sie sich nun vor, im Anschluss daran geht alles schief, was schief gehen kann und sie sind am Ende fast arbeitslos. Willkommen im Leben von Dennis Schröder. Im Frühjahr wollten die Los Angeles Lakers den Braunschweiger langfristig binden, doch der 28-Jährige spekulierte auf mehr. Dann brachen seine Leistungen ein, und im Sommer gab es plötzlich keinen Markt für Spielmacher mehr. In der Not unterschrieb er am Ende für ein Jahr bei den Boston Celtics, für schmale 5,7 Millionen Dollar.
Daniel Theis: Neustart beim Kellerkind in Houston
Vier Jahre lang lebte Daniel Theis ein vergleichsweise ruhiges Leben als NBA-Spieler. In Boston hatte es sich der Center bequem gemacht: Bei einem der traditionsreichsten Teams überhaupt erarbeitete er sich einen Ruf als verlässlicher Leistungsträger. Hätte er dort bleiben können, wäre er nun mit seinem guten Freund Dennis Schröder wiedervereint. Die beiden hatten von 2009 an gemeinsam in Braunschweig gespielt, zunächst in den Jugendmannschaften, später auch in der Bundesliga. Seit 2014 stieg das Duo parallel zu Leistungsträgern im Nationalteam auf.
Doch in der NBA waren sie noch nie Mitspieler, und das bleibt fürs Erste auch so. Im März hatte das Management der Celtics beschlossen, Theis nach Chicago zu verschiffen, um Geld zu sparen. Dieses Kapitel beendete der 29-Jährige nach nur zwei Monaten wieder - um sich für vier Jahre den Houston Rockets anzuschließen. 36 Millionen Dollar lassen sich die Texaner den Vertrag für Theis kosten. Der muss sich auf viele Niederlagen einstellen. Die Rockets werden in der neuen Saison zu den absoluten Kellerkindern der Liga gehören – und Theis zu den erfahrensten Profis in einem blutjungen Kader.
Maxi Kleber: Der „neue Würzburger“bei den Dallas Mavericks
Würzburg jubelte: Während Dirk Nowitzki längst in Dallas spielte, warf in den Jahren ab 2009 ein weiterer Lokalmatador den örtlichen Verein aus der Regional- zurück in die Basketball-Bundesliga: Maximilian Kleber, den alle nur Maxi nennen. Nach Stationen in der spanischen Liga sowie bei Bayern München machte er es schließlich 2017 seinem Vorbild nach – und wechselte zu den Dallas Mavericks in die NBA. Zwei Jahre lernte er dort von Dirk Nowitzki, dann ging der in Rente – und dieser besonders als Verteidiger geschätzte Kleber unterschrieb einen neuen Vertrag. Doch diese Saison wird herausfordernd; der von Nowitzki mit ausgesuchte neue Coach Jason Kidd sieht ihn nicht in der Startaufstellung.
Isaac Bonga: Diamant sucht Schliff
Deutsche Sport-Fans denken beim Nachnamen Bonga womöglich zuerst an Tarsis Bonga, der bei Fortuna Düsseldorf II spielte und inzwischen für den Bundesligisten VfL Bochum stürmt. Doch sein jüngerer Bruder Isaac erreichte im Basketball noch früher noch größere Meilensteine: Mit 16 spielte er in der Bundesliga, mit 18 für die Nationalmannschaft, mit 19 gab er sein Debüt in der NBA. Rund läuft es dort allerdings nicht: in der vergangenen Saison, seiner dritten, durfte er nur elf Minuten pro Spiel ran und sammelte dabei nur knapp zwei Punkte im Schnitt. Vielleicht läuft es im hohen Norden besser: Im Sommer unterschrieb er beim einzigen kanadischen NBA-Team Toronto.
Isaiah Hartenstein: Für immer Nebendarsteller? Als Jugendlicher war der im US-Bundesstaat Oregon geborene Deutsch-Amerikaner Isaiah Hartenstein in der Stadt mit dem klangvollen Namen Quakenbrück jahrelang Leistungsträger, 2017 wurde er Meister und Pokalsieger in Litauen. Doch in der besten Liga der Welt sucht er noch seine Rolle. Mehr noch: In diesen Tagen kämpft der 23-Jährige um einen Last-Minute-Vertrag bei den L.A. Clippers. Ausgang derzeit noch ungewiss.