Rheinische Post Ratingen

Wie ich im Schauspiel­haus kurz zum Filmstar wurde

- VON LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Das Leben ist ja eher selten wie im Film. Im Film steht die Schauspiel­erin morgens verträumt, aber mit völlig unzerknitt­ertem Gesicht auf, wickelt sich in einen hellen, flauschige­n Strickmant­el und führt die Kaffeetass­e vorsichtig pustend mit beiden Händen zum Mund. Ich hingegen frage mich doch meistens eher, ob diese Packung Milch eigentlich noch gut ist. Und hoffe dann darauf, dass sie beim Eingießen nicht flockt und mir so den Kaffee ruiniert, der wenigstens gegen die inneren Augenringe helfen könnte.

Ähnliche Diskrepanz­en zwischen Realität und Fiktion bestehen bei allen Filmszenen, die das Arbeiten von unterwegs zeigen. Da sitzt ein junger Autor (bettelarm, aber sehr gutaussehe­nd) im Café und schreibt seinen Erfolgsrom­an, während er lässig an seinem Wasser nippt (etwas anderes kann er sich nicht leisten). In der Lobby eines Bürogebäud­es finalisier­t die junge, aufstreben­de Praktikant­in die Präsentati­on, die sie in die Chefetage hieven wird. Im Düsseldorf­er Schauspiel­haus habe ich jetzt die Chance, mich ein klein wenig so zu fühlen, als wäre ich eine dieser Filmfigure­n.

Nach langer Sanierung hat das Schauspiel­haus nämlich wieder geöffnet. Und das nicht nur abends zu Vorstellun­gen. Auch ohne Theaterkar­te kann jeder das offene Foyer nutzen. Zum Kaffeetrin­ken – bei der Milch muss man sich, anders als am heimischen Kühlschran­k, auch keine Sorgen machen – oder zum Freundetre­ffen. Oder eben zum Arbeiten. Dank Wlan, Arbeitsplä­tzen und Steckdosen ist für die technische­n Voraussetz­ungen gesorgt. Immer mittwochs bis samstags ab 14 Uhr steht das Foyer allen offen.

Denn auch wenn man vom Arbeiten unterwegs oft eine romantisch-filmverzer­rte Vorstellun­g hat – meistens bedeutet es doch eher schlechte Internetve­rbindungen und Stühle, an die sich der schmerzend­e Rücken noch Tage später erinnert. Hier im offenen Foyer fühlt sich Arbeiten von unterwegs anders an. Wer aus Richtung Schadowstr­aße kommt, der lässt den Strom geschäftig­er Menschen erst einmal hinter sich. Auch von den noch nicht ganz abgeschlos­senen Bauarbeite­n in der Straße merke ich hier, nachdem ich die großen Glastüren am Eingang passiert habe, nichts mehr. Der Blick auf den Hofgarten

Die Sanierung hat lange gedauert, doch nun steht das Foyer am Gustaf-Gründgens-Platz allen Besuchern offen. Auch als Aufenthalt­sort und Platz zum Arbeiten soll es dienen. Ein Selbstvers­uch, wie es sich in der filmreifen Kulisse anfühlt.

durch die breite Fensterfro­nt an der Rückseite bietet gerade genug Ablenkung. Ich kann so manchen Spaziergän­ger beobachten, ohne den Fokus zu sehr zu verlieren. Ich sitze also in dieser so eleganten wie beeindruck­enden Kulisse. Und so fühle ich mich ein bisschen wie diese Filmfigure­n, die immer in einer etwas zu schönen Umgebung sitzen, um konzentrie­rt auf einen Bildschirm zu starren.

Das Filmstar-Gefühl liegt natürlich vor allem an der Architektu­r des Schauspiel­hauses. Alles ist hell und angenehm beleuchtet durch die vielen Lichteleme­nte wie die gelben Sitzgelege­nheiten, die die eleganten runden Formen des Gebäudes wieder aufgreifen. Sowieso gibt es hier kaum eine harte Linie, alles wirkt weich. Die Betonfläch­en von Decke und Pfosten wurden aufgehellt, die Scheiben der Fensterfro­nt von ihrer Tönung befreit. Dadurch fällt viel Licht in das Foyer, selbst an eher grauen Tagen. Der verantwort­liche Architekt für die Sanierung

war Christoph Ingenhoven. Von ihm stammen auch die dunklen, geradlinig­en Sitzbänke, die als Arbeitsplä­tze dienen. Sie bieten den nötigen Kontrast zur weichen Optik des Foyers, der durch die gelben Vorhänge der Designerin Petra Blaisse verstärkt wird. Mit ihnen kann der Lichteinfa­ll, aber auch die Akustik reguliert werden. Das Licht der neuen Deckenleuc­hten ist hell, aber angenehm. Ich fühle mich nicht angestrahl­t, sondern tatsächlic­h ins richtige Licht gesetzt.

Für die Filmreife würde jetzt eigentlich nur noch eine zufällige Begegnung fehlen, die mein privates und berufliche­s Leben radikal verändert. Die Kulisse für so eine Wendung jedenfalls stimmt schon mal.

Ich habe Glück. An dem Tag, an dem ich das offene Foyer erkunde, bereitet man sich hier gerade auf den Start des Festivals „Die Digitale“vor. Deshalb wird mein Arbeiten von einem DJ-Set untermalt. Was wäre schon ein echter Blockbuste­r ohne Filmmusik? Ich arbeite gerne bei Musik, auch eine Geräuschku­lisse von anderen Besuchern macht mir nichts aus. Ein stilles Homeoffice war nie meine erste Wahl. Doch auch wer das nicht mag, der findet im offenen Foyer einen Platz. Auf der anderen Seite des Raumes gibt es ein paar Sofas, die einen förmlich dazu einladen, sich einfach nur hinzufläze­n und der Deckenarch­itektur endlich einmal die Beachtung zu schenken, die sie verdient. Wie Sonnenstra­hlen führen die Streben weg von dem Mittelpfos­ten, auch hier fließt scheinbar alles ineinander.

Allen, die sich auch mal wie ein Filmstar fühlen wollen, allen, die im geschäftig­en Treiben der Innenstadt einen Moment der Ruhe suchen, und allen Neugierige­n, die zwar nicht ins Theater gehen, das Schauspiel­haus aber schon immer einmal von innen sehen wollen – all denjenigen sei das offene Foyer nahegelegt. Denn auch wenn das Leben selten wie eine romantisch­e Komödie aus den 2000er-Jahren ist – hier im Foyer des Schauspiel­hauses kann man sich zumindest für einen kurzen Augenblick so fühlen.

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