Wie ich im Schauspielhaus kurz zum Filmstar wurde
DÜSSELDORF Das Leben ist ja eher selten wie im Film. Im Film steht die Schauspielerin morgens verträumt, aber mit völlig unzerknittertem Gesicht auf, wickelt sich in einen hellen, flauschigen Strickmantel und führt die Kaffeetasse vorsichtig pustend mit beiden Händen zum Mund. Ich hingegen frage mich doch meistens eher, ob diese Packung Milch eigentlich noch gut ist. Und hoffe dann darauf, dass sie beim Eingießen nicht flockt und mir so den Kaffee ruiniert, der wenigstens gegen die inneren Augenringe helfen könnte.
Ähnliche Diskrepanzen zwischen Realität und Fiktion bestehen bei allen Filmszenen, die das Arbeiten von unterwegs zeigen. Da sitzt ein junger Autor (bettelarm, aber sehr gutaussehend) im Café und schreibt seinen Erfolgsroman, während er lässig an seinem Wasser nippt (etwas anderes kann er sich nicht leisten). In der Lobby eines Bürogebäudes finalisiert die junge, aufstrebende Praktikantin die Präsentation, die sie in die Chefetage hieven wird. Im Düsseldorfer Schauspielhaus habe ich jetzt die Chance, mich ein klein wenig so zu fühlen, als wäre ich eine dieser Filmfiguren.
Nach langer Sanierung hat das Schauspielhaus nämlich wieder geöffnet. Und das nicht nur abends zu Vorstellungen. Auch ohne Theaterkarte kann jeder das offene Foyer nutzen. Zum Kaffeetrinken – bei der Milch muss man sich, anders als am heimischen Kühlschrank, auch keine Sorgen machen – oder zum Freundetreffen. Oder eben zum Arbeiten. Dank Wlan, Arbeitsplätzen und Steckdosen ist für die technischen Voraussetzungen gesorgt. Immer mittwochs bis samstags ab 14 Uhr steht das Foyer allen offen.
Denn auch wenn man vom Arbeiten unterwegs oft eine romantisch-filmverzerrte Vorstellung hat – meistens bedeutet es doch eher schlechte Internetverbindungen und Stühle, an die sich der schmerzende Rücken noch Tage später erinnert. Hier im offenen Foyer fühlt sich Arbeiten von unterwegs anders an. Wer aus Richtung Schadowstraße kommt, der lässt den Strom geschäftiger Menschen erst einmal hinter sich. Auch von den noch nicht ganz abgeschlossenen Bauarbeiten in der Straße merke ich hier, nachdem ich die großen Glastüren am Eingang passiert habe, nichts mehr. Der Blick auf den Hofgarten
Die Sanierung hat lange gedauert, doch nun steht das Foyer am Gustaf-Gründgens-Platz allen Besuchern offen. Auch als Aufenthaltsort und Platz zum Arbeiten soll es dienen. Ein Selbstversuch, wie es sich in der filmreifen Kulisse anfühlt.
durch die breite Fensterfront an der Rückseite bietet gerade genug Ablenkung. Ich kann so manchen Spaziergänger beobachten, ohne den Fokus zu sehr zu verlieren. Ich sitze also in dieser so eleganten wie beeindruckenden Kulisse. Und so fühle ich mich ein bisschen wie diese Filmfiguren, die immer in einer etwas zu schönen Umgebung sitzen, um konzentriert auf einen Bildschirm zu starren.
Das Filmstar-Gefühl liegt natürlich vor allem an der Architektur des Schauspielhauses. Alles ist hell und angenehm beleuchtet durch die vielen Lichtelemente wie die gelben Sitzgelegenheiten, die die eleganten runden Formen des Gebäudes wieder aufgreifen. Sowieso gibt es hier kaum eine harte Linie, alles wirkt weich. Die Betonflächen von Decke und Pfosten wurden aufgehellt, die Scheiben der Fensterfront von ihrer Tönung befreit. Dadurch fällt viel Licht in das Foyer, selbst an eher grauen Tagen. Der verantwortliche Architekt für die Sanierung
war Christoph Ingenhoven. Von ihm stammen auch die dunklen, geradlinigen Sitzbänke, die als Arbeitsplätze dienen. Sie bieten den nötigen Kontrast zur weichen Optik des Foyers, der durch die gelben Vorhänge der Designerin Petra Blaisse verstärkt wird. Mit ihnen kann der Lichteinfall, aber auch die Akustik reguliert werden. Das Licht der neuen Deckenleuchten ist hell, aber angenehm. Ich fühle mich nicht angestrahlt, sondern tatsächlich ins richtige Licht gesetzt.
Für die Filmreife würde jetzt eigentlich nur noch eine zufällige Begegnung fehlen, die mein privates und berufliches Leben radikal verändert. Die Kulisse für so eine Wendung jedenfalls stimmt schon mal.
Ich habe Glück. An dem Tag, an dem ich das offene Foyer erkunde, bereitet man sich hier gerade auf den Start des Festivals „Die Digitale“vor. Deshalb wird mein Arbeiten von einem DJ-Set untermalt. Was wäre schon ein echter Blockbuster ohne Filmmusik? Ich arbeite gerne bei Musik, auch eine Geräuschkulisse von anderen Besuchern macht mir nichts aus. Ein stilles Homeoffice war nie meine erste Wahl. Doch auch wer das nicht mag, der findet im offenen Foyer einen Platz. Auf der anderen Seite des Raumes gibt es ein paar Sofas, die einen förmlich dazu einladen, sich einfach nur hinzufläzen und der Deckenarchitektur endlich einmal die Beachtung zu schenken, die sie verdient. Wie Sonnenstrahlen führen die Streben weg von dem Mittelpfosten, auch hier fließt scheinbar alles ineinander.
Allen, die sich auch mal wie ein Filmstar fühlen wollen, allen, die im geschäftigen Treiben der Innenstadt einen Moment der Ruhe suchen, und allen Neugierigen, die zwar nicht ins Theater gehen, das Schauspielhaus aber schon immer einmal von innen sehen wollen – all denjenigen sei das offene Foyer nahegelegt. Denn auch wenn das Leben selten wie eine romantische Komödie aus den 2000er-Jahren ist – hier im Foyer des Schauspielhauses kann man sich zumindest für einen kurzen Augenblick so fühlen.