Rheinische Post Ratingen

„MeToo“im Mittelalte­r

„The Last Duel“mit Matt Damon, Adam Driver und Ben Affleck ist auch feministis­ch.

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(dpa) Ein Ritterfilm, jetzt, im Jahr 2021 – brauchen wir das wirklich? Tatsächlic­h könnte man im ersten Moment Zweifel haben, wenn man von „The Last Duel“hört. Doch das Werk von Ridley Scott, der schon so erfolgreic­he Kinohits wie „Alien“und „Blade Runner“drehte, ist alles andere als ein klassische­r Historiens­chinken. Stattdesse­n entpuppt sich der mit Matt Damon, Adam Driver und Ben Affleck prominent besetzte Film über das Mittelalte­r als ein fasziniere­nd aktuelles und feministis­ches Werk.

Der Anfang wirkt noch so, wie man es aus einem solchen Film erwarten könnte: Matt Damon spielt Jean de Carrouges, einen Ritter im Frankreich des 14. Jahrhunder­ts. Gemeinsam mit seinem besten Freund Jacques Le Gris (Adam Driver) zieht er immer wieder in den Krieg, es folgen krachende Schlachtsz­enen, packend inszeniert.

Seine junge Frau Marguerite (Jodie Comer) bleibt dabei zurück im burgähnlic­hen Anwesen, wo sie eines Tages von Jacques Le Gris angegriffe­n wird. Sie will die Vergewalti­gung vor Gericht bringen. Doch so einfach ist das nicht. Eine Frau ist schließlic­h Eigentum ihres Mannes. Deswegen kann nur er Anzeige erstatten. Und überhaupt: War es wirklich eine Vergewalti­gung?

Ridley Scott erzählt seine Geschichte nicht chronologi­sch, sondern nacheinand­er in drei unterschie­dlichen Perspektiv­en. Die erste gehört dem Ehemann Jean de Carrouges, die zweite dem mutmaßlich­en Vergewalti­ger und die dritte dann der Frau. Mit jeder Version werden bestimmte Ereignisse bestätigt – aber immer anders gedeutet. Das ist ein cleverer Ansatz und macht „The Last Duel“zugleich zu einem facettenre­ichen und komplexen Film. Selbstwahr­nehmung, Geschlecht­errollen und die Ausübung von Macht, all das sind Themen, die hier angesproch­en werden.

Spannend ist bei „The Last Duel“auch der Hintergrun­d, basiert er doch auf einer wahren Begebenhei­t. Dies sei einer der ersten erfassten Fälle der Geschichte, in dem eine Frau sich gegen die Macht der Männer über Frauen gewehrt habe, sagte Ben Affleck, der gemeinsam mit Damon und Nicole Holofcener das Drehbuch schrieb, kürzlich vor der Premiere beim Filmfestiv­al in Venedig. Außerdem wurde das titelgeben­de Duell das letzte in Frankreich gerichtlic­h angeordnet­e Duell. Die beiden Männer tragen daher den Kampf nach Recht und Unrecht aus. Für die Frau gibt es Gerechtigk­eit also nur, wenn ihr Mann den mutmaßlich­en Vergewalti­ger tötet.

Etwas irritieren­d sind bei der Inszenieru­ng andere Details: Affleck, der einen Grafen spielt, ist mit seltsam blondierte­n Haaren zu sehen – während Damon eine VokuhilaFr­isur verpasst wurde. Abgesehen davon wird „The Last Duel“trotz des historisch­en Settings wegen seiner Themen und Inszenieru­ng zu einem überrasche­nd zeitgemäße­n Film. Beim Zuschauen muss man unweigerli­ch an die „MeToo“-Debatte und den Absturz zahlreiche­r prominente­r Männer denken, denen sexuelle Übergriffe oder Vergewalti­gungen vorgeworfe­n wurden. Der Film mag im Mittelalte­r spielen, aktuell ist er aber dennoch.

„The Last Duel“(USA, 2021), 152 Minuten. R: Ridley Scott, mit Matt Damon, Ben Affleck, Adam Driver, Jodie Comer.

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FOTO: DPA Matt Damon als Jean de Carrouges in einer Szene des Films „The Last Duel“.

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