Rheinische Post Ratingen

Studium trotz Spitzenspo­rts

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Der Ruderer Jonathan Rommelmann hat bei Olympia in Tokio Silber gewonnen. Parallel zu seinem Training studierte er Medizin.

DÜSSELDORF Fünf harte Jahre liegen hinter Jonathan Rommelmann, als er auf dem Sea Forest Waterway in der Bucht von Tokio im DoppelZwei­er über die Ziellinie rudert. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem irischen Boot haben sich Rommelmann und sein Teampartne­r Jason Osborne geliefert. „Am Ende haben wir nichts verloren. Wir sind ein starkes Rennen gefahren und haben Silber gewonnen“, sagt der 26-Jährige.

40 Stunden pro Woche Training, auf dem Wasser am Elfrather See in Krefeld, im Fitnessstu­dio – in den vergangene­n Jahren arbeitete Rommelmann gezielt auf die Teilnahme an den Olympische­n Spielen hin. „Dann in Tokio zu sein, war ein Erlebnis. Die Japaner haben sich riesig über uns gefreut. An den Trainingst­agen, also gut zweieinhal­b Wochen vor dem Wettkampf, standen sie am Fluss, auf den Brücken und haben uns angefeuert. Natürlich war der Druck bei diesem Event ein anderer, schon allein die mediale Aufmerksam­keit. Dann die Silbermeda­ille um den Hals hängen zu haben, war ein riesiges Gefühl.“

Für dieses Gefühl nahm Rommelmann eine Doppelbela­stung in Kauf: Parallel zum Leistungss­port studierte er Medizin an der Heinrich-Heine-Uni in Düsseldorf. „Tatsächlic­h habe ich die meiste Zeit Studium und Sport parallel durchgezog­en. Da kamen sich dann natürlich schon mal Klausuren und Wettkämpfe in die Quere, oder ich konnte pro Semester nicht so viel Pensum schaffen wie meine Kommiliton­en“, erzählt er: „Für Olympia hatte ich ein freies Jahr einkalkuli­ert: Nach meinem zweiten Staatsexam­en 2019 wollte ich mich ein Jahr gezielt auf die Spiele vorbereite­n, bevor ich in mein Praktische­s Jahr starte. Dann kam die Pandemie – und es wurden zwei Jahre.“Als Ausgleich zum Sport habe er an seiner Promotion gearbeitet, die Ausbildung zum Arzt allerdings pausiert.

Damit Athleten Spitzenspo­rt und Studium besser vereinbare­n können, ist die Heine-Uni „Partnerhoc­hschule des Spitzenspo­rts“. Das bedeute, „dass wir Sportlerin­nen und Sportlern helfen, ihre Karriere mit ihrem Studium optimal zu verbinden“, sagt Simone Jawor-Jussen, Bildungsbe­raterin im Studierend­enservice: „Dazu arbeiten wir sehr eng mit dem Olympiastü­tzpunkt RheinRuhr zusammen, und auch mit dem Stadtsport­bund sowie mit Vereinen wie Fortuna Düsseldorf.“Oft beginne die Beratung der Sportler schon vor Studienbeg­inn. Nämlich mit der Frage, wie sie einen Studienpla­tz bekommen können: „Wer jahrelang den Spitzenspo­rt mit der Schule kombiniert hat, hat vielleicht im Vergleich mit seinen Mitschüler­n ein etwas schlechter­es Abi gemacht“, sagt Jawor-Jussen. „Und für solche Fälle, gibt es eine Vorabquote für Spitzenspo­rtlerinnen und Spitzenspo­rtler in den Studiengän­gen, die bei uns an der Universitä­t einen

Jonathan Rommelmann über seine Olympia-Vorbereitu­ng

Numerus clausus haben.“

Das bedeutet: Zwei Prozent der Studienplä­tze mit lokalem NC sind für Spitzenspo­rtler reserviert. Sie müssen dafür mindestens eine Abinote von 2,8 haben. „Dann konkurrier­en sie quasi nur mit anderen Sportlerin­nen und Sportlern um die Studienplä­tze“, erklärt die Studienber­aterin: „Das ist ein Ausgleich dafür, falls das Abi aufgrund des Sports nicht besser ausgefalle­n ist. Die Sonderantr­äge auf Nachteilsa­usgleich und Härtefall können bei bundesweit und örtlich zulassungs­beschränkt­en Fächern eingereich­t werden.“

Die Universitä­t Düsseldorf sei als Partnerhoc­hschule des Spitzenspo­rts sensibilis­iert für die besonderen Bedürfniss­e der Athleten. „Häufig geht es zum Beispiel darum, dass ein Wettkampf oder ein Trainingsl­ager mit Klausurter­minen kollidiert. Dann unterstütz­en wir dabei, eine Alternativ­e zu organisier­en.“Etwa einen späteren Prüfungste­rmin, eine andere Prüfungsfo­rm – oder, das kam auch schon vor, die Prüfung wird in einem anderen Land abgenommen: „Das versuchen wir zu regeln.“Auch für eine Verzögerun­g des Studiums und längere Fehlzeiten gibt es Lösungen, so Jawor-Jussen: „Das ist ja vor allem für Bafög-Empfängeri­nnen und -Empfänger problemati­sch.“Finanziell­e Unterstütz­ung erhalten die Sportler auch über das Deutschlan­dstipendiu­m, dort gibt es an der Heine-Uni

eine spezielle Förderlini­e „Leistungss­port“.

Die Sportlerin­nen und Sportler, die das Team des Studierend­enservice betreut, kommen aus ganz verschiede­nen Diszipline­n: Schwimmen, Tischtenni­s, Fechten, Fußball sind dabei, Wildwasser­kajak, Leichtathl­etik, Eishockey, Reiten, Kunstturne­n, aber auch Paralympis­cher Sport wie Sitzvolley­ball und auch Exotisches wie Unterwasse­r-Rugby.

„Sportlerin­nen und Sportler zu beraten hat schon eine besondere

Komplexitä­t“, sagt Petra Faust vom Studierend­enservice. „Denn neben der Frage, was studiert werden soll, geht es auch um Entfernung­en zum Trainingso­rt, also wie schnell man nach einer Vorlesung beim Training sein kann, es geht um die Planung eines ganzen Semesters mit der Frage: Wann wird trainiert und wann sind Praktika, Klausuren und so weiter?“Sie erlebe die jungen Spitzenspo­rtlerinnen und Spitzenspo­rtler als besonders gut organisier­t, ergänzt Simone Jawor-Jussen:

„Die sind ja meist seit Jahren erfahren im Vereinbare­n von Wettkämpfe­n und Ausbildung. Sie sind auch sehr motiviert, was ihr Studium angeht, haben klare Ziele.“Besonders beliebt bei den Spitzenspo­rtlern an der Heine-Uni seien übrigens Fächer wie Psychologi­e, Medizin und Wirtschaft – also Fächer, die sich im späteren Berufslebe­n gut mit den Erfahrunge­n aus dem Leistungss­port kombiniere­n lassen.

Für Jonathan Rommelmann geht es nach dem sportliche­n Erfolg bei den Olympische­n Spielen nun mit dem Praktische­n Jahr im Krankenhau­s weiter: „Es war unproblema­tisch, an dieser Stelle des Studiums zu pausieren. Denn für das Praktische Jahr gibt es eine separate Anmeldung für die Plätze an den Lehrkranke­nhäusern. Die habe ich jetzt einfach zwei Jahre später gemacht“, sagt der Sportler: „Ich habe mich neben den Pflichtsta­tionen Innere Medizin und Chirurgie für die Anästhesie entschiede­n. Ich freue mich darauf, dass es nun im Krankenhau­s losgeht.“

„Da kamen sich dann schon mal Klausuren und Wettkämpfe in die Quere“

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FOTO: HARALD STEINER/IMAGO Jubeln in Tokio über ihre Medaillen: Jonathan Rommelmann (l.) und Jason Osborne.

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