Studium trotz Spitzensports
Der Ruderer Jonathan Rommelmann hat bei Olympia in Tokio Silber gewonnen. Parallel zu seinem Training studierte er Medizin.
DÜSSELDORF Fünf harte Jahre liegen hinter Jonathan Rommelmann, als er auf dem Sea Forest Waterway in der Bucht von Tokio im DoppelZweier über die Ziellinie rudert. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem irischen Boot haben sich Rommelmann und sein Teampartner Jason Osborne geliefert. „Am Ende haben wir nichts verloren. Wir sind ein starkes Rennen gefahren und haben Silber gewonnen“, sagt der 26-Jährige.
40 Stunden pro Woche Training, auf dem Wasser am Elfrather See in Krefeld, im Fitnessstudio – in den vergangenen Jahren arbeitete Rommelmann gezielt auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen hin. „Dann in Tokio zu sein, war ein Erlebnis. Die Japaner haben sich riesig über uns gefreut. An den Trainingstagen, also gut zweieinhalb Wochen vor dem Wettkampf, standen sie am Fluss, auf den Brücken und haben uns angefeuert. Natürlich war der Druck bei diesem Event ein anderer, schon allein die mediale Aufmerksamkeit. Dann die Silbermedaille um den Hals hängen zu haben, war ein riesiges Gefühl.“
Für dieses Gefühl nahm Rommelmann eine Doppelbelastung in Kauf: Parallel zum Leistungssport studierte er Medizin an der Heinrich-Heine-Uni in Düsseldorf. „Tatsächlich habe ich die meiste Zeit Studium und Sport parallel durchgezogen. Da kamen sich dann natürlich schon mal Klausuren und Wettkämpfe in die Quere, oder ich konnte pro Semester nicht so viel Pensum schaffen wie meine Kommilitonen“, erzählt er: „Für Olympia hatte ich ein freies Jahr einkalkuliert: Nach meinem zweiten Staatsexamen 2019 wollte ich mich ein Jahr gezielt auf die Spiele vorbereiten, bevor ich in mein Praktisches Jahr starte. Dann kam die Pandemie – und es wurden zwei Jahre.“Als Ausgleich zum Sport habe er an seiner Promotion gearbeitet, die Ausbildung zum Arzt allerdings pausiert.
Damit Athleten Spitzensport und Studium besser vereinbaren können, ist die Heine-Uni „Partnerhochschule des Spitzensports“. Das bedeute, „dass wir Sportlerinnen und Sportlern helfen, ihre Karriere mit ihrem Studium optimal zu verbinden“, sagt Simone Jawor-Jussen, Bildungsberaterin im Studierendenservice: „Dazu arbeiten wir sehr eng mit dem Olympiastützpunkt RheinRuhr zusammen, und auch mit dem Stadtsportbund sowie mit Vereinen wie Fortuna Düsseldorf.“Oft beginne die Beratung der Sportler schon vor Studienbeginn. Nämlich mit der Frage, wie sie einen Studienplatz bekommen können: „Wer jahrelang den Spitzensport mit der Schule kombiniert hat, hat vielleicht im Vergleich mit seinen Mitschülern ein etwas schlechteres Abi gemacht“, sagt Jawor-Jussen. „Und für solche Fälle, gibt es eine Vorabquote für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler in den Studiengängen, die bei uns an der Universität einen
Jonathan Rommelmann über seine Olympia-Vorbereitung
Numerus clausus haben.“
Das bedeutet: Zwei Prozent der Studienplätze mit lokalem NC sind für Spitzensportler reserviert. Sie müssen dafür mindestens eine Abinote von 2,8 haben. „Dann konkurrieren sie quasi nur mit anderen Sportlerinnen und Sportlern um die Studienplätze“, erklärt die Studienberaterin: „Das ist ein Ausgleich dafür, falls das Abi aufgrund des Sports nicht besser ausgefallen ist. Die Sonderanträge auf Nachteilsausgleich und Härtefall können bei bundesweit und örtlich zulassungsbeschränkten Fächern eingereicht werden.“
Die Universität Düsseldorf sei als Partnerhochschule des Spitzensports sensibilisiert für die besonderen Bedürfnisse der Athleten. „Häufig geht es zum Beispiel darum, dass ein Wettkampf oder ein Trainingslager mit Klausurterminen kollidiert. Dann unterstützen wir dabei, eine Alternative zu organisieren.“Etwa einen späteren Prüfungstermin, eine andere Prüfungsform – oder, das kam auch schon vor, die Prüfung wird in einem anderen Land abgenommen: „Das versuchen wir zu regeln.“Auch für eine Verzögerung des Studiums und längere Fehlzeiten gibt es Lösungen, so Jawor-Jussen: „Das ist ja vor allem für Bafög-Empfängerinnen und -Empfänger problematisch.“Finanzielle Unterstützung erhalten die Sportler auch über das Deutschlandstipendium, dort gibt es an der Heine-Uni
eine spezielle Förderlinie „Leistungssport“.
Die Sportlerinnen und Sportler, die das Team des Studierendenservice betreut, kommen aus ganz verschiedenen Disziplinen: Schwimmen, Tischtennis, Fechten, Fußball sind dabei, Wildwasserkajak, Leichtathletik, Eishockey, Reiten, Kunstturnen, aber auch Paralympischer Sport wie Sitzvolleyball und auch Exotisches wie Unterwasser-Rugby.
„Sportlerinnen und Sportler zu beraten hat schon eine besondere
Komplexität“, sagt Petra Faust vom Studierendenservice. „Denn neben der Frage, was studiert werden soll, geht es auch um Entfernungen zum Trainingsort, also wie schnell man nach einer Vorlesung beim Training sein kann, es geht um die Planung eines ganzen Semesters mit der Frage: Wann wird trainiert und wann sind Praktika, Klausuren und so weiter?“Sie erlebe die jungen Spitzensportlerinnen und Spitzensportler als besonders gut organisiert, ergänzt Simone Jawor-Jussen:
„Die sind ja meist seit Jahren erfahren im Vereinbaren von Wettkämpfen und Ausbildung. Sie sind auch sehr motiviert, was ihr Studium angeht, haben klare Ziele.“Besonders beliebt bei den Spitzensportlern an der Heine-Uni seien übrigens Fächer wie Psychologie, Medizin und Wirtschaft – also Fächer, die sich im späteren Berufsleben gut mit den Erfahrungen aus dem Leistungssport kombinieren lassen.
Für Jonathan Rommelmann geht es nach dem sportlichen Erfolg bei den Olympischen Spielen nun mit dem Praktischen Jahr im Krankenhaus weiter: „Es war unproblematisch, an dieser Stelle des Studiums zu pausieren. Denn für das Praktische Jahr gibt es eine separate Anmeldung für die Plätze an den Lehrkrankenhäusern. Die habe ich jetzt einfach zwei Jahre später gemacht“, sagt der Sportler: „Ich habe mich neben den Pflichtstationen Innere Medizin und Chirurgie für die Anästhesie entschieden. Ich freue mich darauf, dass es nun im Krankenhaus losgeht.“
„Da kamen sich dann schon mal Klausuren und Wettkämpfe in die Quere“