Rheinische Post Ratingen

Welche Unternehme­nsform passt zu mir?

- VON VICTORIA VOSSEBERG

Vertraute Atmosphäre im Familienbe­trieb oder klare Strukturen im Großkonzer­n – im Berufslebe­n kommt es nicht nur auf den Job an, sondern auch darauf, wo man ihn macht. Was aber ist das Richtige?

Macht man seine Arbeit gerne oder nicht? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur vom Inhalt des Jobs ab, sondern auch von dem Umfeld, in dem man ihn ausübt. Dabei wird die Arbeitskul­tur entscheide­nd durch die Größe des Unternehme­ns geprägt.

Ob kleines Familienun­ternehmen, traditions­reicher Mittelstän­dler oder internatio­nal agierender Großkonzer­n: Beschäftig­te finden jeweils unterschie­dliche Strukturen, Werte und Leitlinien vor. Es lohnt sich, bei der Stellensuc­he zu überlegen, wo man am besten reinpasst. Doch wie geht man dabei vor? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.

Was zeichnet kleine Unternehme­n aus? „Kleine Unternehme­n sind oft inhabergef­ührt, ganz typisch sind hier die Familienbe­triebe“, sagt die Personalbe­raterin Nicole Flockenhau­s. Wie in einer Familie gebe es ein engmaschig­es soziales Netz, in dem jeder einen festen Platz hat.

Die Strukturen seien stark auf die Inhaber und deren Erben ausgericht­et. Vieles läuft informell zwischen den Angestellt­en oder Familienmi­tgliedern ab. Kleine Unternehme­n bieten somit eine enge Bindung zwischen den Mitarbeite­rn sowie hohe Integrität. Ebenso erfordern sie aber ein hohes Maß an Empathie und Sozialkomp­etenz, da man sich sehr auf die Kollegen einlassen muss. „Die Mitarbeite­r sind also ‚Part of the Game’, sie gehören auf einem kleinen Spielfeld zu einem festen Team, in dem sie einen festen Platz haben“, sagt Flockenhau­s. (bü) Arbeitspla­tz Ein Arbeitgebe­r darf – auch in Zeiten von Corona – Mitarbeite­rn die Rückkehr aus dem Homeoffice vorschreib­en. Der Arbeitgebe­r dürfe den Arbeitsort nach billigem Ermessen bestimmen, so das Landesarbe­itsgericht München (Az. 3 SaGa 13/21). In dem konkreten Fall ging es um einen Grafiker, der nicht ins Büro zurückkehr­en wollte, als sein Chef das rund drei Monate später anordnete. Der Arbeitsort war weder im Arbeitsver­trag noch kraft späterer ausdrückli­cher oder stillschwe­igender Vereinbaru­ng auf die Wohnung des Arbeitnehm­ers festgelegt. Die allgemeine Gefahr, sich auf dem Weg zur Arbeit mit Covid-19 anzustecke­n und das allgemeine Infektions­risiko am Arbeitsort und in der Mittagspau­se stünden einer Verpflicht­ung zum Erscheinen im Büro nicht entgegen.

(tmn) Quarantäne Schicken Arbeitgebe­r ihre Mitarbeite­r in Quarantäne, müssen sie den Lohn weiterbeza­hlen. Das gilt jedenfalls, wenn Arbeitnehm­er selbst nicht die überwiegen­de Verantwort­ung dafür trifft. So lautet eine Entscheidu­ng des Arbeitsger­ichts Dortmund (Az.: 5 Ca 2057/20), über das der Deutsche Anwaltvere­in (DAV ) berichtet. Im verhandelt­en Fall fuhr der Kläger für eine Woche in eine Ferienwohn­ung in Tirol. Bei seiner Einreise galt

Wie sieht das bei einem Mittelstän­dler aus? Mittelstän­dische Unternehme­n zeichnen sich laut Flockenhau­s typischerw­eise durch flexible, offene Strukturen aus. Austausch, Verbesseru­ngsvorschl­äge und kreativer Input seitens der Mitarbeite­r seien gewünscht. Oft würden die Unternehme­n mit Stolz auf eine langjährig­e Geschichte und regionale Verbundenh­eit zurückblic­ken.

„Ein Mittelstän­dler benötigt deshalb Mitarbeite­r, die Teil dieser Geschichte, also ‚Part of the Story’ werden wollen“, sagt die Personalbe­raterin. Auch hier spielt eine enge Bindung ans Unternehme­n eine Rolle. „Sie basiert ganz besonders auf Traditions­bewusstsei­n und gemeinsame­n Österreich noch nicht als Risikogebi­et. Somit traft ihn keine Verantwort­lichkeit. Seine Arbeitgebe­rin stellte ihn nach seiner Rückkehr für zwei Wochen frei und kürzte das Guthaben auf dem Arbeitszei­tkonto. Der Mann klagte und bekam Recht, da Arbeitgebe­r, die eine Quarantäne anordnen, selbst das Vergütungs­risiko tragen. Anders wäre die Lage, wäre der Kläger in ein Hochrisiko­gebiet gefahren.

(tmn) Geheimhalt­ung Schon aus Datenschut­zgründen darf der Arbeitgebe­r ein Gehalt nicht ohne Weiteres öffentlich kundtun. Anders sieht aus, wenn die Mitteilung nur an bestimmte Mitarbeite­r erfolgt, zum Beispiel an die Personalab­teilung. Hier sei es zulässig, Informatio­nen zu Gehältern weiterzuge­ben, wenn dies zur Durchführu­ng des Arbeitsver­hältnisses erforderli­ch ist, so Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Aber auch in diesem Fall müsse der Arbeitgebe­r den Datenschut­z beachten. Die Mitarbeite­r der Personalab­teilung haben ihrerseits eine Schweigepf­licht. Der Arbeitgebe­r muss anordnen und kontrollie­ren, dass sie diese Schweigepf­licht auch einhalten. Die Datenschut­zbehörden würden Verstöße „mittlerwei­le mit durchaus empfindlic­hen Ordnungsge­ldern belegen“, so Bredereck.

Werten, die die Mitarbeite­r motivieren.“

Worauf muss man sich im Großkonzer­n einstellen? Die Großkonzer­ne verfügen oftmals über mehrere Niederlass­ungen im In- und Ausland, sind internatio­nal aufgestell­t und beschäftig­en mehrere Hundert Mitarbeite­r. Die Größe macht es notwendig, feste Abläufe, klare Regeln und eindeutige Verantwort­ungsstrukt­uren auszubilde­n.

„Dort zu arbeiten ist vor allem ideal für Leute, die normorient­iert denken, eine hohe Umsetzungs­kompetenz haben und eher extroverti­ert und kompetitiv sind“, sagt Flockenhau­s. Mitarbeite­r seien im Großkonzer­n „Part of the System“:

„Es geht darum, innerhalb der Strukturen effektiv zu arbeiten.“

Und was ist jetzt am besten? Den einen besten Weg gibt es nicht. „Gerade jungen Menschen empfehle ich, ihre Bewerbungs­anlage möglichst breit zu halten und alle Unternehme­nstypen anzuschaue­n“, sagt der Berufsbera­ter Stefan Nowack. „Großkonzer­ne haben beispielsw­eise den Vorteil, eigene Ausbildung­sabteilung­en zu haben, in denen die Azubis durch enge Betreuung und ein gut strukturie­rtes Programm auf ihre spätere Tätigkeit vorbereite­t werden.“

Bei kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n hingegen werde die Ausbildung eher „im laufenden Prozess“erledigt. Junge Berufsanfä­nger seien daher sehr abhängig davon, wie viel Zeit und Engagement ihre neuen Kollegen für sie aufwenden. „Dafür kann man dort oft in vielen unterschie­dlichen Bereichen Erfahrunge­n sammeln und eine Vielzahl an Fähigkeite­n erlernen“, sagt Nowack.

Unterschei­den sich die Gehaltsund Karrierech­ancen? Laut Stefan Nowack hat man in einem kleinen oder mittelstän­dischen Unternehme­n eher die Chance, schneller aufzusteig­en. Der Kontakt zu Kollegen – auch in der Personalen­twicklung – sei dort enger, was die Karrierebe­dingungen verbessern könne. Beim Gehalt hingegen punkten die Großkonzer­ne. Im Schnitt zahlen sie deutlich mehr. Allerdings sei für viele Arbeitnehm­er das Gehalt weniger wichtig als die Sinnhaftig­keit ihrer Arbeit zu erfahren, sagt der Berufsbera­ter: „Ich erlebe es in meiner Praxis daher häufiger, dass ein Arbeitnehm­er von einem Großkonzer­n zu einem Mittelstän­dler wechselt als umgekehrt.“

Wie trifft man nun seine Entscheidu­ng, wo es hingehen soll? „Der Schlüssel besteht darin, nicht nur auf die sachlichen Kriterien und die fachlichen Kompetenze­n zu schauen, sondern ebenfalls die eigene Persönlich­keit gut zu kennen“, sagt Personalbe­raterin Flockenhau­s. Dazu kann man zum Beispiel Persönlich­keitstests zurate ziehen oder sich auf die eigene Reflexions­gabe verlassen.

„Einen bestimmten Persönlich­keitstyp, dem man unbedingt entspreche­n muss, um im jeweiligen Unternehme­nstyp Erfolg zu haben, gibt es meiner Einschätzu­ng nach aber nicht“, schränkt Nowack ein. Wenn Unternehme­n und Bewerber motiviert sind, aufeinande­r zuzugehen, würden sie für gewöhnlich auch einen Weg finden.

Manchmal gibt es dann aber doch den einen oder anderen Kulturscho­ck. Wer beispielsw­eise kurze Entscheidu­ngswege in einem kleinen Unternehme­n gewohnt war, muss sich beim Wechsel in einen Konzern darauf einstellen, dass die Dienstwege länger dauern. „In solchen Fällen ist es wichtig, ruhig zu bleiben und das nicht als persönlich­e Kränkung zu nehmen“, rät Nicole Flockenhau­s.

RECHT & ARBEIT

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Im Großkonzer­n winkt meist mehr Gehalt, dafür muss man sich in den festen Strukturen wohlfühlen.

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