Die Angst im Gepäck
Hunde aus dem Ausland stellen ihre Halter oft vor besondere Herausforderungen. Hilfreiches Utensil: das Sicherheitsgeschirr.
Ein Moment der Unaufmerksamkeit, ein lautes Geräusch, ein bislang unentdecktes Schlupfloch im Zaun, ein unverhoffter Ruck an der Leine – und schon ist es passiert: Der Hund ist weg und lässt seine Besitzer voller Sorge zurück.
So war es auch bei Madita, erinnert sich die Bad Honnefer Tierschützerin Elke Trapp. Die noch vom Transport verunsicherte Angsthündin aus Rumänien nutzte einen Holzstapel als Sprungschanze und überwand so den zwei Meter hohen Zaun, als sie auf ihrer deutschen Pflegestelle direkt nach ihrer Ankunft aus der Transportbox gelassen wurde.
Um es vorweg zu nehmen: Maditas Geschichte hat ein gutes Ende genommen. Zehn Tage lang war die Hündin unterwegs, wurde gesichtet und konnte schließlich mithilfe einer Falle gesichert werden. Madita wurde von ihrer Pflegefamilie behutsam an ihr neues Leben in Deutschland herangeführt, konnte vermittelt werden und ist heute glücklicher Familienhund.
Doch es geht nicht immer gut aus, wenn Hunde davonlaufen. Manche werden überfahren oder gar vom Zug überrollt. Andere werden nie mehr gefunden. Und besonders in letzter Zeit häufen sich die Suchmeldungen, denn immer mehr Hunde aus dem meist osteuropäischen Ausland werden an immer mehr Hundeanfänger vermittelt, die sich oft gar nicht im Klaren darüber sind, welche Problematik das neue Familienmitglied mit sich bringen kann. Um nicht missverstanden zu werden: Ja, es gibt sie, die Hunde aus dem Ausland, die ihre Besitzer glücklich machen und sich komplikationslos hier einleben. Und ja: Es gibt auch Hunde aus Deutschland, die besonders ängstlich sind.
Der Verhaltensbiologe Dr. Udo Gansloßer hat in der Reihe „Expertenwissen für Hundeprofis“zum Thema „Hunde aus dem Ausland“ein ganzes Büchlein herausgegeben (Verlag Filander). Darin weisen er und seine Co-Autoren sowohl auf die gesundheitliche Problematik durch zum Beispiel Mittelmeerkrankheiten hin wie auch auf die Prägung des Hundes in frühen Lebensphasen auf Nahrung und Lebensraum, die ein Einleben hier erschweren kann. Besonders wichtig, unter anderem damit der Hund eine enge Bindung zu seinen Menschen eingehen kann, sei die frühe Artgenossenprägung und die Sozialisationsphase. „Hunde lernen während der Jungtierentwicklung in sensiblen Phasen, mit welchen Lebewesen sie sich später bevorzugt gruppieren möchten“, so Gansloßer. Hundeexperte Gerd Leder, der früher Mitarbeiter von Verhaltensforscher Dr. Erik Zimen war, schreibt: „Die Hunde, die als osteuropäische Straßenhunde zu uns kommen, stammen größtenteils von (solchen) Bauern- und Hirtenhunden ab, die ... zu Streunern wurden. ... Die Haltung solcher Hunde kann wegen der ausgeprägten Bellfreude Schwierigkeiten machen. Viele sind als Nachkommen von Bauernhunden misstrauisch und unduldsam zu Fremden. Bei fehlender Frühprägung auf den Menschen kommt bei herrenlos geborenen Hunden oft noch Scheu mit Abwehrbeißen dazu.“Bei anderen, die sich ihren neuen Besitzern schnell anschließen und „überraschend leicht erziehbar“seien, nimmt Leder an,
„dass es sich hier nicht um einen echten Straßenhund handelt, sondern um einen Hund, der in irgendeiner Weise auf den Menschen geprägt ist und entweder von seinen Besitzern ausgesetzt oder im Tierheim abgegeben wurde.“Oder es hätten ihn „übereifrige Tierschützer beim Freigang im Dorf eingefangen, so Leder.
Für die Hunde aus dem Ausland sei die Ausreise nach Deutschland oft jedoch die einzige Überlebenschance, erklärt Elke Trapp, die sich nach jahrelangem Engagement für den Tierschutz Siebengebirge mittlerweile auf den Auslandstierschutz konzentriert und sich für den Verein „Hilfe mit Herz für Pfoten in Not“, Ibbenbüren, für Hunde in Rumänien einsetzt. Erste Priorität sei es, vor Ort zu helfen: „Kastration, Kastration, Kastration!“Schnelles Handeln sei jedoch gefragt, um die Hunde aus den Tötungsstationen zu retten. „Ich bin ein absoluter Gegner von Direktvermittlungen“, betont die Bad Honneferin. Die Hunde aus Rumänien seien „Überraschungseier“und gehören laut Trapp zunächst in die Hände von erfahrenen Pflegestellen. Ihr Verein arbeite zusätzlich noch mit Tiertrainern zusammen, bei denen sich die Pflegefamilien Rat holen können. Auch würden nur Hunde nach Deutschland transportiert, die auf Expertise der rumänischen Tierschützer vor Ort gute Aussichten haben, sich hier einzuleben.
Die beiden Tierärzte Danile Benjinariu und Danut Bratu sind die Ansprechpartner in Rumänien. Sie unterhalten im Norden Rumäniens ein kleines privates Tierheim und retten auch Hunde aus dem öffentlichen Tierheim in Dorohoi.
An ihre endgültigen Besitzer vermittelt würden die Vierbeiner aus Rumänien durch ihren Verein erst, wenn der Hund nach der Eingewöhnung auf der Pflegestelle dafür bereit sei, erläutert Trapp. Allerdings gebe es leider auch „schwarze Schafe“unter den Tierschutzvereinen, die die Hunde aus dem Ausland direkt aus dem Transporter an den neuen Halter übergeben – und oft, ohne auf die Gefahr hinzuweisen, dass der Hund, statt seinem Retter dankbar ergeben zu sein, das Weite suchen könnte.
Ein wichtiges Utensil, um ängstliche Hunde vor dem Weglaufen zu schützen, sei ein Sicherheitsgeschirr, das über einen Taillengurt verfügt und über eine zweite Leine, die am Körper des Menschen befestigt werden kann. So kann der Hund sich nicht aus dem Geschirr winden und auch nicht entwischen, wenn der Halter die Leine loslassen sollte.
Und wenn es doch passiert, dass der Hund panisch davonläuft? „Ein Panikhund lässt sich nicht einfangen“, sagt Trapp. Der Versuch sei meist sogar kontraproduktiv, weil der Hund noch mehr verunsichert werde. Wichtig sei es, Ruhe zu bewahren. Informiert werden müssten Polizei, Ordnungsamt, Tierärzte, Tierheime, Förster, Jäger und Tierregister. Zudem sollten großflächig Flyer verteilt werden. Am Entlaufort sollte man Futterstellen einrichten und nach Möglichkeit eine Wildkamera aufhängen, um das Tier schließlich mit einer Falle sichern zu können, wenn es diese akzeptiert hat.