Wie eine Kriegserklärung
Chinas jüngster Blockbuster ist zwar gespickt mit verstörenden Szenen, doch eine davon lässt den Zuschauern besonders das Blut in den Adern gefrieren. Während sich die Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee – größtenteils freiwillig eingezogene Bauern – auf den bevorstehenden Kampf gegen die technisch überlegenen US-Truppen vorbereiten, fragt einer der Protagonisten: „Wie viele Amerikaner muss ich töten, um ein Held zu sein? Zwei?“Die stoische Antwort seines Vorgesetzten lautet: „Häng noch eine Null dran.“
Man mag dies als reine PopcornWare abtun, doch damit würde man dem historischen Kriegsfilm „Die Schlacht am Changjin-Stausee“nicht gerecht. Schließlich ist er nicht nur mit geschätzt rund 200 Millionen Dollar Kosten die bisher teuerste Produktion in der Kinogeschichte des Landes. Der Film ist auch größtenteils vom Staat und dem Militär finanziert – und wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem ein tatsächlicher Krieg zwischen den zwei Großmächten der Welt erstmals wieder denkbar scheint.
Die Handlung ist schnell erzählt: „Die Schlacht am Changjin-Stausee“ist während des Koreakriegs (1950–1953) angesiedelt, doch das reale Setting dient lediglich als Propaganda-Kulisse. Erstaunlicherweise wird in den knapp drei Stunden kein einziger Koreaner gezeigt, weder aus dem Norden noch aus dem Süden. Stattdessen wird die historische Schlacht vor allem als Vorwand dafür genutzt, um auf knapp drei Stunden antiamerikanische Emotionen hochkochen zu lassen.
Dabei eignet sich das Gefecht kaum zur Heldengeschichte: Zwar hat die 9. Armeegruppe der Volksbefreiungsarmee die technisch haushoch überlegenen US-Streitkräfte tatsächlich zum Rückzug gezwungen. Doch schlussendlich starben bei dem Konflikt weit über 50.000 Chinesen, darunter knapp 30.000 einen bitteren Kältetod, weil in der Region zweistellige Minusgrade gemessen wurden. Genau das inszenieren die Regisseure allerdings wenig subtil zum heroischen Akt: Die recht simple Grundbotschaft des Films lautet, dass es gut ist, sein Leben fürs Vaterland zu opfern.
In Chinas sozialen Medien kommt dies offensichtlich gut an: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie die freiwilligen Truppen am Changjin-See erfroren sind, während sie weiterhin in Angriffshaltung verharrten“, schreibt ein Nutzer. „Ich konnte nicht anders, als die ganze Zeit zu weinen, aber an diesem Punkt brach ich regelrecht in Tränen aus“, meint ein anderer.
Auch die Ticketverkäufe legen nahe, dass der Blockbuster den Zeitgeist der Chinesen trifft: Nach fünf Tagen hat der Film bereits mehr als 310 Millionen Dollar eingespielt. Insgesamt hat das Werk laut Parteizeitung „Global Times“gleich am ersten Tag zehn Kassenrekorde gebrochen, darunter die höchsten Einspielergebnisse am Premierentag.
Natürlich kann man einwenden, dass auch Hollywood in seiner Historie
immer wieder kriegsverherrlichende Blockbuster abgedreht hat, in denen die historischen Gegner auf üble Weise entmenschlicht wurden: Die Fortsetzungen der „Rambo“-Serie dienen als gutes Beispiel, oder auch das katastrophale „Pearl Harbor“(2001) von Michael Bay. Doch in einem Land wie China, in dem selbst Straßenmusiker jedes Lied im Vorhinein vom Kulturbüro genehmigen lassen müssen, sollte man beim teuersten Film in der Geschichte wohl jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Wie die Zensur unter Staatschef Xi Jinping funktioniert, erklärt eine junge Filmproduzentin aus Peking: „Wenn wir uns Inhalte überlegen, gibt es immer ein Büro, das Überarbeitungen des Skripts und Nachdrehs anordnet oder das ganze Projekt streichen kann.“Es gebe extrem viele Regeln, „was wir in unseren Geschichten nicht zeigen dürfen“.
Und trotz der selbstkritischen Innensicht hält sie, die wohlgemerkt in den USA studiert hat, „Die Schlacht am Changjin-Stausee“für gelungen: „Ein historischer Film muss immer den aktuellen internationalen Gegebenheiten angepasst werden, auch der Stimme der Regierung entsprechen, und vor allem sollte er das nationale Selbstbewusstsein stärken“, sagt sie.
Das ist auch in der Tat gelungen, und zwar auf handwerklich höchstem Niveau. Mit Chen Kaige („Lebewohl, meine Konkubine“), Tsui Hark und Dante Lam saßen die renommiertesten chinesischen Filmemacher auf den Regie-Stühlen, die allesamt noch in den Nullerjahren bei
Festivals in Cannes und am Lido hofiert wurden.
Nicht zuletzt ist „Die Schlacht am Changjin-Stausee“eine wirtschaftliche Machtdemonstration der Chinesen. Seit Jahren bereits ändert schließlich Hollywood seine Drehbücher, um die chinesischen Zensoren nicht zu verprellen. In „Skyfall“wurden etwa die Kampfszenen James Bonds gegen asiatisch aussehende Männer herausgeschnitten und in „Iron Man 3“der ursprüngliche Bösewicht angepasst. Jede noch so subtile Kritik kann dazu führen, dass ein Release in der Volksrepublik verweigert wird. Die Produzenten in China hingegen müssen keinerlei Rücksicht nehmen: Seit dem vergangenen Jahr ist ihr Kinomarkt der größte der Welt, während Exporte keine Rolle spielen. Vielleicht bleibt das zumindest ein tröstender Gedanke: Mit Werken wie „Die Schlacht am Changjin-Stausee“wird China in Sachen „Soft Power“international keinen Boden gutmachen können.