Patienten in Geiselhaft
Die Pflegekräfte an den Unikliniken haben recht: Zu Beginn der Pandemie haben Bürger und Politik ihnen applaudiert, weil sie sich selbst ohne Impfschutz um CoronaPatienten gekümmert haben. In barer Münze hat sich das nie ausgezahlt, die Solidaritäsbekundungen waren heiße Luft. Dabei ist die Arbeit im Schichtsystem körperlich hart, psychisch belastend und – wenn es um ungeimpfte Patienten geht – eine echte Zumutung. Und auch Pflegekräfte werden zunehmend von bürokratischen Anforderungen des Staates und der Krankenkassen erdrückt. Es wird höchste Zeit, dass der Beruf bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung attraktiver wird. Denn die Babyboomer kommen erst gerade ins Rentenalter, mit dem das Risiko einer Klinikeinweisung steigt, und Fachkräfte fehlen überall.
Doch der Streik, den Verdi gezielt vor der Landtagswahl vom Zaun gebrochen hat, geht gar nicht. Für Hunderte Bürger wurden Operationen abgesagt oder verschoben, sie erleiden Schmerzen, weil Verdi streikt. Das ist kein Arbeitskampf, das ist eine Geiselnahme Kranker. Die streikenden Pflegekräfte sollten sich fragen, ob sie das verantworten können. Zudem löst der Streik die strukturellen Probleme der Unikliniken nicht: Eigentlich werden ihre Beschäftigten über den Tarifvertrag der Länder bezahlt. Nun wollen diese eine doppelte Extrawurst: Sie wollen besser bezahlt werden als andere Landesdiener und besser als Pfleger in kommunalen Kliniken. Oder will Verdi anschließend die städtischen Häuser bestreiken? Die Unikliniken wiederum haben weder Geld noch Mandat, um selbst einen Tarifvertrag abzuschließen. Ein Vertrag zu Lasten Dritter des Landes wäre sicher schnell vereinbart. Die Pflege-Vergütung muss grundlegend reformiert werden und die Gesellschaft muss dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Der brutale Streik zu Lasten der Patienten erschwert jedoch eine dauerhafte Lösung.