In zehn Minuten zur Lehrstelle
Beim Azubi-Speed-Dating der Industrie- und Handelskammer in der Ratinger Stadthalle konnten Unternehmen und junge Menschen auf der Suche nach einer Ausbildung erste Kontakte knüpfen.
RATINGEN Unaufhörlich rinnt der Sand durch die Eieruhr. Zehn Minuten lang. Zehn Minuten, die über die berufliche Zukunft entscheiden können. Beim Azubi-Speed-Dating der Industrie- und Handelskammer in der Ratinger Stadthalle haben Ausbildungsbetriebe und Lehrlinge in Spe die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen – und manchmal eben auch die Weichen für einen Ausbildungsvertrag zu stellen.
Nils Haut musste vor einigen Jahren seinen ganzen Mut zusammennehmen, um beim Speed-Dating teilzunehmen. Und doch sah er in der Veranstaltung seine letzte Chance. „Ich wollte unbedingt Industriekaufmann werden“, erzählt Haut. „Monatelang habe ich Bewerbungen verschickt, fast 100 Stück. Doch ich bin nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden.“Als Grund vermutet Haut seinen Notendurchschnitt, der nicht überragend war. „Das Speed-Dating bot mir die Chance, in einem Gespräch zu überzeugen.“
Und tatsächlich hat es „gefunkt“. Mit Harald Friedrich von der Firma Stump-Franki Spezialtiefbau nämlich. „Stellenanzeigen sind nicht mehr zeitgemäß“, stellte Friedrich im Jahr 2017 fest. Mit der Teilnahme seiner Firma hoffte er, ein größeres Publikum ansprechen zu können. „Ein Gespräch als ersten Kontakt zu haben, ist angenehmer als eine Bewerbungsmappe“, sagt Friedrich. „Wenn mich ein Bewerber im persönlichen Gespräch von sich überzeugen kann, dann kann ich auch schon mal über eine schlechte Schulnote hinwegsehen.“
Nils Haut hat noch mehr von der Veranstaltung mitgenommen: „Von Gespräch zu Gespräch wird man selbstbewusster“, so der sonst eher ruhige junge Mann. Sein Mut wurde schließlich mit einem Ausbildungsvertrag belohnt. Inzwischen hat er seine Prüfungen bestanden und wurde von seinem Arbeitgeber übernommen.
Haut und Friedrich sprechen eine klare Empfehlung für das AzubiSpeed-Dating aus – für beide Seiten. Allerdings kommen die Teilnehmer
nicht ohne Vorbereitung davon: „Ich habe mich vorher gezielt über die Firmen, mit denen ich sprechen wollte, informiert“, so Haut. Ein persönliches Anschreiben und einen Lebenslauf hatte er bereits im Gepäck.
Eine kluge Entscheidung bestätigen auch Bettina Mende, Personalreferentin, und Daniel Grüber, Ausbildungsbeauftragter, der Firma AVK Armaturen. Der Betrieb geht auf der Suche nach Auszubildenden unterschiedliche Wege. Neben einer Kooperation mit Schulen, der eigenen Internetseite und Social-Media-Kanälen setzt das Unternehmen auch auf das Azubi-Speed-Dating.
„Für uns ist es wichtig, wie der Bewerber sich präsentiert, welche Fragen er stellt, ob er Interesse zeigt“, so Mende. „Der erste Eindruck kann ein guter Einstieg sein.“Man merke recht schnell, wer sich wirklich für eine berufliche Laufbahn interessiere und wer „von den Eltern geschickt“sei. Auch hier gilt: „Wichtig ist die Motivation. Sie ist der Motor für die zukünftige Entwicklung.“
Zumindest einer der jungen Gesprächspartner in der Ratinger Stadthalle konnte bei AVK überzeugen. „Der Bewerber hat sich ansprechend vorgestellt, Fragen gestellt, seinen Lebenslauf präsentiert, war höflich und konnte auch mal zuhören“, so Mende und Grüber. Der aussichtsreiche Kandidat wird jetzt seine kompletten Bewerbungsunterlagen einreichen und möglicherweise seinen ersehnten Ausbildungsplatz erhalten.
Unternehmen und Bewerber bestätigen Jens Peschner, Bereichsleiter bei der IHK, immer wieder, dass das Speed-Dating einen anderen Zugang als über Zeugnisnoten ermögliche. Bei den Bewerbern sind aktuell kaufmännische Berufe nachgefragt. „Immer mehr suchen auch über die Informatikbranche einen Einstieg ins Berufsleben“, so Peschner. Er stellt auch fest: „Der Fachkräftebedarf bei den Unternehmen ist groß.“Besonders im Bereich Gastronomie seien noch viele Stellen frei. Aber flexibel bleiben lohne sich, denn coronabedingt sei auch die Wirtschaft im Wandel und böte eine große Zahl neuer Berufe. Zehn Minuten können also durchaus über eine berufliche Laufbahn entscheiden.