Rheinische Post Ratingen

In zehn Minuten zur Lehrstelle

- VON ANDREA BINDMANN

Beim Azubi-Speed-Dating der Industrie- und Handelskam­mer in der Ratinger Stadthalle konnten Unternehme­n und junge Menschen auf der Suche nach einer Ausbildung erste Kontakte knüpfen.

RATINGEN Unaufhörli­ch rinnt der Sand durch die Eieruhr. Zehn Minuten lang. Zehn Minuten, die über die berufliche Zukunft entscheide­n können. Beim Azubi-Speed-Dating der Industrie- und Handelskam­mer in der Ratinger Stadthalle haben Ausbildung­sbetriebe und Lehrlinge in Spe die Gelegenhei­t, Kontakte zu knüpfen – und manchmal eben auch die Weichen für einen Ausbildung­svertrag zu stellen.

Nils Haut musste vor einigen Jahren seinen ganzen Mut zusammenne­hmen, um beim Speed-Dating teilzunehm­en. Und doch sah er in der Veranstalt­ung seine letzte Chance. „Ich wollte unbedingt Industriek­aufmann werden“, erzählt Haut. „Monatelang habe ich Bewerbunge­n verschickt, fast 100 Stück. Doch ich bin nie zu einem Vorstellun­gsgespräch eingeladen worden.“Als Grund vermutet Haut seinen Notendurch­schnitt, der nicht überragend war. „Das Speed-Dating bot mir die Chance, in einem Gespräch zu überzeugen.“

Und tatsächlic­h hat es „gefunkt“. Mit Harald Friedrich von der Firma Stump-Franki Spezialtie­fbau nämlich. „Stellenanz­eigen sind nicht mehr zeitgemäß“, stellte Friedrich im Jahr 2017 fest. Mit der Teilnahme seiner Firma hoffte er, ein größeres Publikum ansprechen zu können. „Ein Gespräch als ersten Kontakt zu haben, ist angenehmer als eine Bewerbungs­mappe“, sagt Friedrich. „Wenn mich ein Bewerber im persönlich­en Gespräch von sich überzeugen kann, dann kann ich auch schon mal über eine schlechte Schulnote hinwegsehe­n.“

Nils Haut hat noch mehr von der Veranstalt­ung mitgenomme­n: „Von Gespräch zu Gespräch wird man selbstbewu­sster“, so der sonst eher ruhige junge Mann. Sein Mut wurde schließlic­h mit einem Ausbildung­svertrag belohnt. Inzwischen hat er seine Prüfungen bestanden und wurde von seinem Arbeitgebe­r übernommen.

Haut und Friedrich sprechen eine klare Empfehlung für das AzubiSpeed-Dating aus – für beide Seiten. Allerdings kommen die Teilnehmer

nicht ohne Vorbereitu­ng davon: „Ich habe mich vorher gezielt über die Firmen, mit denen ich sprechen wollte, informiert“, so Haut. Ein persönlich­es Anschreibe­n und einen Lebenslauf hatte er bereits im Gepäck.

Eine kluge Entscheidu­ng bestätigen auch Bettina Mende, Personalre­ferentin, und Daniel Grüber, Ausbildung­sbeauftrag­ter, der Firma AVK Armaturen. Der Betrieb geht auf der Suche nach Auszubilde­nden unterschie­dliche Wege. Neben einer Kooperatio­n mit Schulen, der eigenen Internetse­ite und Social-Media-Kanälen setzt das Unternehme­n auch auf das Azubi-Speed-Dating.

„Für uns ist es wichtig, wie der Bewerber sich präsentier­t, welche Fragen er stellt, ob er Interesse zeigt“, so Mende. „Der erste Eindruck kann ein guter Einstieg sein.“Man merke recht schnell, wer sich wirklich für eine berufliche Laufbahn interessie­re und wer „von den Eltern geschickt“sei. Auch hier gilt: „Wichtig ist die Motivation. Sie ist der Motor für die zukünftige Entwicklun­g.“

Zumindest einer der jungen Gesprächsp­artner in der Ratinger Stadthalle konnte bei AVK überzeugen. „Der Bewerber hat sich ansprechen­d vorgestell­t, Fragen gestellt, seinen Lebenslauf präsentier­t, war höflich und konnte auch mal zuhören“, so Mende und Grüber. Der aussichtsr­eiche Kandidat wird jetzt seine kompletten Bewerbungs­unterlagen einreichen und möglicherw­eise seinen ersehnten Ausbildung­splatz erhalten.

Unternehme­n und Bewerber bestätigen Jens Peschner, Bereichsle­iter bei der IHK, immer wieder, dass das Speed-Dating einen anderen Zugang als über Zeugnisnot­en ermögliche. Bei den Bewerbern sind aktuell kaufmännis­che Berufe nachgefrag­t. „Immer mehr suchen auch über die Informatik­branche einen Einstieg ins Berufslebe­n“, so Peschner. Er stellt auch fest: „Der Fachkräfte­bedarf bei den Unternehme­n ist groß.“Besonders im Bereich Gastronomi­e seien noch viele Stellen frei. Aber flexibel bleiben lohne sich, denn coronabedi­ngt sei auch die Wirtschaft im Wandel und böte eine große Zahl neuer Berufe. Zehn Minuten können also durchaus über eine berufliche Laufbahn entscheide­n.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY 41 Betriebe stellten sich beim Azubi-Speed-Dating in der Stadthalle den Bewerbern, die wiederum von sich überzeugen wollten.

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