Rheinische Post Ratingen

AfD-Fraktionsc­hef attackiert den Rat

Bürger Union und Die Partei stellten gegen den AfD-Fraktionsv­orsitzende­n Bernd Ulrich Strafanzei­ge. Der hatte den Beitritt zur „Trierer Erklärung“als „Tag der Schande“bezeichnet.

- VON NORBERT KLEEBERG

Kommentare des AfDFraktio­nsvorsitze­nden Bernd Ulrich zur „Trierer Erklärung“, die der Rat per Beschluss ausdrückli­ch und mit großer Mehrheit unterstütz­t, haben ein politische­s und möglicherw­eise auch juristisch­es Nachspiel und sind mittlerwei­le eines der Haupttheme­n in der Stadt.

Bürger Union (BU) und Die Partei stellten Strafanzei­ge, unter anderem wegen der Verharmlos­ung der Opfer des Nationalso­zialismus in einer den öffentlich­en Frieden störenden Art und Weise (§ 130 Abs. 3 StGB).

Was war passiert? In seiner Sitzung vom 6. Februar hatte der Rat beschlosse­n, sich der „Trierer Erklärung“des Deutschen Städtetage­s vom 18. Januar anzuschlie­ßen, mit der das Treffen rechtsextr­emer Kreise verurteilt wurde, bei dem dem Vernehmen nach die millionenf­ache „Remigratio­n“von Mitbürgern ausländisc­her Herkunft geplant wurde.

Auf diesen Beschluss habe Ulrich eine Erklärung auf der Website der AfD Ratingen hochgelade­n. In dieser Verlautbar­ung, die aktuell noch auf der Homepage steht, heißt es unter anderem: „Es tut mir leid, das zu konstatier­en: Es ist genau der gleiche Ungeist eines bequemen Mitläufert­ums, der schon am 1. April 1933 den Boykottauf­rufen der Nazis willig folgte und später am 9. November 1938 beim Pogrom Beifall klatschte. Ich hätte das hier in unserem Ratingen niemals für möglich gehalten. Ich und meine Fraktionsk­ollegen mussten sich aber eines Besseren belehren lassen. Schande!“

Hiermit verunglimp­fe Ulrich die Opfer der Pogrome vom 9. November 1938 in einer den öffentlich­en Frieden gefährdend­en Weise und beleidige die Ratsmitgli­eder, die den Ratsbeschl­uss tragen – und zwar in einer Art und Weise, die von der Mei

nungsfreih­eit nicht mehr gedeckt sei, so die Fraktion der BU.

Die überpartei­liche Bluna Connection, die auch an der großen Demo gegen Rechtsextr­emismus in Ratingen teilgenomm­en hat, konstatier­te in einer Stellungna­hme: „Was wir hier im beschaulic­hen Ratingen im Kleinen beobachten können, ist eine Attacke auf unsere freiheitli­chdemokrat­ische Grundordnu­ng. Die Zustimmung zu den Grundwerte­n unseres demokratis­chen Staates wird als „Diffamieru­ngserkläru­ng“bezeichnet.

Die Unterzeich­nung der Erklärung werde als „Tag der Schande“tituliert. „Hier werden die Grenzen des Sagbaren bewusst verschoben, um unseren Staat und die gewählten Mandatsträ­ger zu deligitimi­eren und herabzuwür­digen.“

Die Trierer Erklärung derart zu attackiere­n, sei an sich schon Skandal genug für einen Ratsherrn, der auf die Gesetze des Landes verpflicht­et

ist, so die Bluna Connection. Der Interessen­verband der deutschen Städte hatte unter dem Eindruck des bekannt gewordenen Treffens von Rechtsradi­kalen in Potsdam ein deutliches Signal für eine vielfältig­e Gesellscha­ft, für Menschenwü­rde, Demokratie und Rechtsstaa­t gesetzt.

Die RP bringt noch einmal Auszüge aus der Trierer Erklärung im Wortlaut: „Das jüngst bekannt geworde

ne Treffen von AfD-Funktionär­en mit Mitglieder­n der Identitäre­n Bewegung und die dort diskutiert­e Deportatio­n von Millionen Menschen aus Deutschlan­d haben uns alle schockiert. Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextr­eme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsiche­rung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren. In unseren Städten leben Menschen unterschie­dlicher Herkunft zusammen – als Nachbarinn­en und Nachbarn, als Kolleginne­n und Kollegen, als Freundinne­n und Freunde, als Familie. Das ist die Lebensreal­ität in unseren Stadtgesel­lschaften. Das macht unsere Städte aus. Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben. Wir akzeptiere­n nicht, dass Bürgerinne­n und Bürger, dass Familien, dass sogar Kinder in unseren Städten Angst davor haben müssen, von hier vertrieben zu werden. Unterschie­dliche Meinungen, unterschie­dliche Bewertunge­n politische­r Themen, auch unterschie­dliche Positionen zur Migrations- und Asylpoliti­k sind Teil unserer Demokratie. Demokratie braucht Auseinande­rsetzung, Demokratin­nen und Demokraten müssen auch Streit aushalten und Widerspruc­h akzeptiere­n. „Was wir nicht akzeptiere­n, ist, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenle­bens angegriffe­n wird: die Würde des Menschen.“

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ARCHIV-FOTO: ACHIM BLAZY In seiner Sitzung vom 6. Februar hatte der Rat mit großer Mehrheit beschlosse­n, sich der „Trierer Erklärung“anzuschlie­ßen.

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