Tränen nach Gerichtsurteil
Der Angeklagte soll seine Frau auf der Straße in Heiligenhaus überfallen und verletzt haben.
Als das Urteil verkündet wird, bricht der Angeklagte in Tränen aus. Der Vorsitzende Richter Jochen Kötter schickte den Mazedonier wegen versuchten Totschlags für vier Jahre und sechs Monate in Haft. Das Opfer, seine 38-jährige Ehefrau, war am 28. Juli 2023 in den Mittagsstunden mit ihrer Tochter (11) und einer Bekannten (24) auf dem Verbindungsweg zwischen der Höseler Straße und der Harzstraße unterwegs. Dort schlug der Angeklagte die Frau erst mit einem Ast, dann stach er ihr mit einem Messer in den Rücken. Als die Messerklinge abbricht, zieht er die Frau an den Haaren, zerrt sie zu Boden und schlägt ihr mit den Fäusten ins Gesicht. Ein Bauarbeiter und zwei Müllwerker hatten die Hilferufe der Frau gehört und Ismet R. daran gehindert, weiter auf das Opfer einzuschlagen. Die drei Männer hielten den Angeklagten bis zum Eintreffen der Polizei fest.
Man kann von einem milden Urteil sprechen angesichts dessen, was dem 41-Jährigen vorgeworfen wurde. Dabei räumte der Vorsitzende strafmildernd ein, das man das Opfer nicht habe befragen können. Die 38-Jährige hatte die städtische Unterkunft in der Harzstraße im vergangenen Dezember plötzlich verlassen, nachdem sie die Aufforderung zur Abschiebung bekommen hatte. In der Urteilsbegründung stellte Kötter klar, dass beinahe die Bauchhöhle der Frau verletzt worden und die Kammer von der Tötungsabsicht des Angeklagten ausgegangen sei: „Es war sehr knapp, ein tiefer Stich.“Bereits im Vorfeld der Tat soll es häusliche Gewalt gegeben haben, die Ehefrau des Angeklagten soll sich vor drei Jahren – kurz nach der Ankunft der Familie in Deutschland – noch in der Erstaufnahmeeinrichtung an die Bezirksregierung gewandt haben. Ihr Mann würde sie verprügeln und zum Betteln zwingen, einer Sozialarbeiterin soll sie Schnittverletzungen am Rücken gezeigt haben. Daraufhin wurde sie mit der Tochter nach Heiligenhaus verlegt, der Angeklagte soll zur Tatzeit ohne festen Wohnsitz gewesen sein. Im Februar 2023 stand der 41-Jährige vor der Einrichtung in der Harzstraße und rief lautstark nach seiner Lebensgefährtin und der Tochter. Die Frau soll den Notruf gewählt und wutentbrannt hinaus gelaufen sein, die Polizisten nahmen den Angeklagten mit auf die Wache.
Zwei Wochen vor der Messerattacke hatte es ein Gespräch am „runden Tisch“wegen angeblicher Nachstellungen des Angeklagten gegeben, an dem auch eine Mitarbeiterin des SKFM teilgenommen hatte. Mehrfach soll die Ehefrau bei der Polizei über massive Bedrohungen durch den Angeklagten geklagt haben. Man könne nicht zweifelsfrei sagen, was dran sei an den erhobenen Anschuldigungen, so der Vorsitzende. Die Frau habe unter anderem behauptet, dass der 41-Jährige ständig Alkohol trinke – dafür gebe es aus Sicht der Kammer keine Anzeichen. Ebenso wenig gebe es Beweise, dass er jemanden beauftragt habe, allabendlich an der Unterkunft an der Harzstraße zu klingeln.
Dass es Streit und Anschuldigungen gebe in den städtischen Unterkünften, höre er oft von den Bewohnern, so hatte es ein Sozialarbeiter im Zeugenstand gesagt. Oftmals stimme das nicht – stattdessen gehe es darum, in einen anderen Ort verlegt werden zu wollen. Zu diesem Zweck würden auch Atteste von Ärzten vorgelegt werden, um dem Anliegen entsprechend Nachdruck zu verleihen.