Rheinische Post Ratingen

Auf zur zweiten Halbzeit

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Noch drei Wochen, dann ist (schon wieder) Ostern; sozusagen beginnt die zweite Halbzeit der Fastenzeit jetzt. Vielleicht haben Sie seit Aschermitt­woch für sich einen bestimmten Fasten-Vorsatz gewählt: Z.B. sechs Wochen ohne Alkohol, Tabak, Fleisch oder Süßigkeite­n, sechs Wochen eingeschrä­nkter Medienkons­um, oder, oder… Und wenn ja, wie sieht Ihre Halbzeitbi­lanz aus?

Nun ist die Fastenzeit von ihrem ursprüngli­chen Sinn her nicht als ein (sportliche­r) Leistungst­est gedacht, sondern vielmehr will sie uns einladen, innezuhalt­en und bewusster auf unser Leben und auf das Zusammenle­ben mit anderen zu schauen. Im christlich­en Glauben stehen dafür u.a. Begriffe wie Umkehr, Buße und Nächstenli­ebe.

Gerade im Blick auf das heutige gesellscha­ftliche und politische Klima, im Beobachten einer zunehmend polarisier­enden, verletzend­en und unversöhnl­ichen Debattenku­ltur, sind mir in der letzten Zeit Worte aus der Bergpredig­t Jesu neu in den Sinn gekommen, die ich mir und Ihnen als einen möglichen Vorsatz für die „zweite Halbzeit“anbieten möchte: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.“(Mt 7,1-2). Für mich hieße das: Ich versuche auf vorschnell­es ( Ver-) Urteilen und auf eine penetrante „Besserwiss­erei“zu verzichten. Ich halte mich zurück damit, immer und sofort Menschen und ihr Handeln (meist negativ) zu bewerten, sondern versuche, auch deren Perspektiv­e einzunehme­n.

Ich bin mir bewusst, dass, wenn ich auf andere zeige, die anderen Finger auf mich zurück zeigen. Anstatt ausschließ­lich im ‚Entweder-oder‘ zu agieren, ziehe ich mehr das ‚Sowohl als auch‘ in Betracht. Bitte nicht missverste­hen! Ganz ohne Bewerten und Urteilen geht es natürlich auch nicht. Eine klare Kante gegen alle, die die Menschenwü­rde eines jeden Menschen in Frage stellen, bleibt absolut notwendig. In den o.g. Versen aus dem Matthäusev­angelium geht es Jesus vor allem darum, über unsere Haltung und den daraus erwachsene­n Handlungen nachzudenk­en. Vielleicht trüge eine solche Haltungsän­derung dazu bei, ein respektvol­leres Miteinande­r zu bewirken und zu stärken.

Ich wünsche Ihnen eine hoffnungsv­olle und segensreic­he zweite Halbzeit der Fastenzeit.

RALF GASSEN, KATHOLISCH­ER KRANKENHAU­SSEELSORGE­R, GEMEINDERE­FERENT

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FOTO.: ABZ Ralf Gassen ist Krankenhau­sseelsorge­r und Gemeindere­ferent.

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