Was aus Holzresten alles werden kann
Ein Überseecontainer dient in Heerdt als Showroom für Upcycling-Produkte. Die Materialreste dafür stammen aus der Werkstatt nebenan. Dort fertigen Kina und Frank Terhardt seit Jahrzehnten Bilderrahmen für Werke berühmter Fotografen.
Irgendwann hatte sie Angst, dass eine der Werkstattwände unter der Last der dort angelehnten Leisten und Profile aus Eiche, Esche und Ahorn zusammenbrechen würde. Aber wohin mit den Resten, die in der Schreinerei beim Zuschneiden der maßgefertigten Rahmen, Staffeleien und Kisten als Verschnitt übrig bleiben?
„Zum Verfeuern sind sie zu schade“, findet Schreinerin und Industriedesignerin Kina Terhardt. Spontan hatte sie die Idee, daraus „Cutoffs“zu machen. Was heute Upcycling heißt, bedeutet in dem Fall: Aus Abfällen entstehen nach eigenen Skizzen entworfene handfertigte Produkte wie Schneidebretter und Tabletts, Kerzenleuchter und Salzstreuer, Magnete, Untersetzer und Messerblöcke, Beistelltische, Regale und kleine, knubblig-runde Schalen – wahre Handschmeichler, alle garantiert aus Echtholz.
Wer diese sehen und kaufen will und das eben nicht nur online, muss im Stadtteil Heerdt an der Clarissenstraße im Innenhof in einen blauen Übersee-Container eintreten. „Den haben wir uns aus Amsterdam kommen lassen und zu meinem Showroom aus- und umgebaut“, erzählt Kina Terhardt, Gründerin der Marke Cutoff. Ausgestattet wie ein Zimmer mit einem Boden aus geschliffenen und geölten Cutoffs, Leuchten von
der Decke und Tapeten an den verkleideten Containerwänden sind die Objekte ausgestellt, die an der Werkoder Drechselbank entstehen, die gehobelt und geschliffen werden, bevor sie lackiert, gebeizt oder geräuchert werden.
Weil die Kreative Ideen am laufenden Band produziert, war ihr alles nur aus Holz zu fad. So hat Terhardt das Töpfern gelernt („Ton und Holz passen perfekt zusammen), Drehscheibe und Brennofen angeschafft und kombiniert die mit viel Liebe zur Perfektion gearbeiteten, bunten Schalen und Deckel mit den hölzernen Produkten. „Die sollen alt werden und nie auf dem Sperrmüll landen“, wünscht sich die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und einem Sohn.
Sie managt zudem das Büro der Schreinerei und hilft, wenn Not am Mann ist, an der Hobelbank und der Kreissäge aus, gelernt ist gelernt. Denn die Tischler Kina und Frank Terhardt sind vor mehr als 35 Jahren mit einer kleinen improvisierten Werkstatt und ersten Aufträgen für Möbel und Küchen gestartet. Bekannt wurden die Düsseldorfer jedoch mit riesigen maßgefertigten Bilderrahmen aus Massivholz. In der Kunstszene ist die Terhardt GmbH dafür schon lange und das weltweit ein Begriff.
Es war Thomas Ruff, der einstige Schüler der Bernd-und-Hilla-Becher-Klasse an der Kunstakademie und heute international einer der bedeutendsten zeitgenössischen Fotokünstler, der die Manufaktur – damals noch in einem Heizungskeller untergebracht – aufgespürt hat. Fortan, seit seiner Porträtserie in den 1980-er-Jahren, lässt er dort seine Rahmen fertigen.
„Das sprach sich in den Kreisen schnell rum“, erinnert sich Frank Terhardt und schmunzelt. Galerien und Museen klopften an, Thomas Struth, Andreas Gursky, Thomas Schütte, all die berühmten Fotokünstler hatten mit den Terhardts die Tischler ihres Vertrauens gefunden. „Bei uns stapelten sich die Aufträge, für jede neue Ausstellung wurden -zig Rahmen gebraucht, wir kamen kaum hinterher.“Aus den bescheidenen Anfängen wurde ein florierendes Unternehmen mit einer 1000 Quadratmeter großen Werkstatt, bis unter die Decke dekoriert mit großformatigen Werken renommierter Künstler.
Die Schar der Kundschaft vergrößerte sich ( Wim Wenders, Jeff Wall, Candida Höfer, Elger Esser und viele mehr), mit dem Bilderrahmen-Boom stieg auch die Nachfrage nach Tischen und Regalen. „Sogar eine Galeristin in Paris ließ bei uns alle Möbel bauen. Das waren noch Zeiten“, sagt der 60-jährige Handwerker. Und so reihte sich eine Empfehlung an die nächste. Kunden aus Paris, New York, Korea und Hongkong fragten an. Anfangs seien sie öfter auch zu den Vernissagen geflogen, erzählt das Paar.
Überdimensionale Transportkisten stehen derzeit in der Halle bereit für die Schau eines türkischen Künstlers in Paris. „Ein komplizierter Fall“, erklärt Terhardt. Die Ausstellung sei in einem jahrhundertealten Gebäu
de, in dem kein Bild gehängt werden dürfe. „Also haben wir Staffeleien gebaut, auf denen die gerahmten Werke gestellt werden. Das rate ich übrigens auch allen Sammlern, die für ihre Kunst keine freie Wand mehr haben.“
Über Preise reden die beiden nicht. Sie arbeiten nur auf Auftrag und bestellen für jeden Kunden das Material individuell. Offenbar gibt es weltweit nur eine Handvoll solcher Spezialisten wie die Düsseldorfer. In ihrer Manufaktur entsteht alles aus einer Hand, was zur klassischen Rahmenfertigung gehört, vom Zuschnitt der Profile über die Lackierung in einer Autolackierkabine bis zum Passepartout und der Verpackung des Kunstwerks.
Anders als während des Hypes um die zeitgenössische, großformatige Fotokunst, wo in Heerdt bis zu acht Mitarbeiter beschäftigt waren, geht es dort heute ein wenig ruhiger zu. Aber so wie es aussieht, bleibt das Geschäft wohl in Familienhand: Die älteste Tochter plant, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und nach einer Ausbildung als Bauzeichnerin und einem Bachelor in Architektur eine Schreiner-Ausbildung zu machen.