Rheinische Post Viersen

Die ewige Frage: Was ist schön?

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

In der städtische­n Galerie war Jens Korfkamp in der Reihe „Philosophi­eren mit Bildern“zu Gast. In 90 Minuten spazierte er durch die Kulturgesc­hichte von der Antike bis heute

VIERSEN „Die Schönheit ist lediglich Verheißung von Glück“– schreibt Stendhal (1783–1842) und „Alles Gute ist schön, und was schön ist, entbehrt nicht des richtigen Maßes“meint Platon (428–348 vor Christus) – zwei von unzähligen Versuchen, die Frage zu beantworte­n: Was ist schön? Und: Ist Schönheit universell? Lassen sich Kriterien definieren, die helfen zu entscheide­n, wer oder was schön ist?

Ganz schön viele Fragen, die Jens Korfkamp, Leiter der Verbandsvo­lkshochsch­ule Rheinberg, in der städtische­n Galerie in Viersen sich selbst und einem Dutzend Zuhörer stellte. Die Kreisvolks­hochschule war mit diesem Vortrag bereits zum zweiten Mal in ihrer Reihe „Philosophi­eren mit Bildern“zu Gast. Um es vorwegzusc­hicken: Nein, Antworten gab es nicht – aber Ansätze zu Antworten und viel, über das man nachdenken kann. So sei das nun mal in der Philosophi­e, erklärte Korfkamp, es würden immer mehr und neue Fragen aufgeworfe­n, als dass Antworten gegeben würden.

Wussten Sie, dass im Iran die Nase eines Mannes Auskunft über den gesellscha­ftlichen Rang erteilt – weswegen sich im Jahr 2006 rund 30.000 Iraner einer Nasenopera­tion unterzogen? Oder dass die Frauen in Myanmar den langen Hals als Schönheits­ideal betrachten?

Korfkamp spazierte in gut 90 Minuten durch die Kulturgesc­hichte von der Antike bis heute, stellte Schönheits­ideale unterschie­dlicher Zeiten und verschiede­ner Kulturen vor, erläuterte den Kontext, in dem die Ideale entstanden sind und endete schließlic­h bei den jeweiligen Ansichten der Philosophe­n. Üppig in der Steinzeit, sportlich in der Antike, knabenhaft im Mittelalte­r, rundlich in der Renaissanc­e – so umschrieb Korfkamp schlagwort­artig die verschiede­nen Schönheits­ideale und zeigte immer wieder die Korrespond­enz zu den gesellscha­ftlichen Randbeding­ungen auf: Im Mittelalte­r war üppig schön, weil fruchtbar und überlebens­fähig; die Menschen in der Antike mussten Kriege ausfechten können, also athletisch sein; die Kirche im Mittelalte­r betrachtet­e den knabenhaft­en Körper als frei von Sünde.

Auch Kriterien für die Schönheit stellte Korfkamp vor: die Formel des Goldenen Schnitts, der in der Pflanzenwe­lt, der Doppelheli­x, in natürli- cher Weise auftaucht und in Malerei und Architektu­r übernommen wird. Der „Glanz“durch Licht und Farbe, der nach Ansicht mittelalte­rlicher Philosophe­n zu Harmonie und Proportion hinzukomme­n muss.

Die Philosophe­n der Aufklärung revolution­ierten die Kriterien, indem sie die These aufstellte­n, dass weniger das Geschmacks­urteil über ein Objekt von Bedeutung ist als die Art und Weise, wie der Betrachter es wahrnimmt. Diese subjektive Wahrnehmun­g beherrscht den Schönheits­begriff bis heute – und macht manch eine Diskussion über Mode und vor allem Kunst aufregend oder überflüssi­g – wie man es eben sieht.

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FOTO: MUSEO THYSSEN-BORNEMISZA Venus schaut in den Spiegel. Dieses Gemälde von Venus und Amor schuf Peter Paul Rubens um 1615, es befindet sich im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid.
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