Rheinische Post Viersen

Großer Abschied für Kaiser’s

Der Markt an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße öffnet heute zum letzten Mal, bevor er zu einer Netto-Filiale umgebaut wird. Zum gestrigen Ausverkauf herrschte riesiger Andrang. Bis zu dreienhalb Stunden standen die Kunden in der Schlange

- VON JORIS HIELSCHER

VIERSEN Heute noch einmal 15 Stunden, von 7 bis 22 Uhr, und dann ist der Kaiser’s-Markt an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße Geschichte. Ab Montag wird er zu einer Netto-Filiale umgebaut. Damit schließt in Viersen die vorletzte Filiale des traditions­reichen Unternehme­ns, das vor über 130 Jahren gegründet wurde und von hier aus in alle Regionen Deutschlan­ds expandiert­e. Doch diese Zeiten sind lange vorbei, und auch der letzte verbleiben­de Supermarkt im Löhcenter wird Ende des Monats schließen und dann ebenfalls zu einer Netto-Filiale umgewandel­t.

Für die beiden letzten Tage hat der Kaiser’s-Markt an der ErnstMorit­z-Arndt-Straße mit einem großen Ausverkauf – „Alles zum hal- ben Preis“– geworben, und gestern sind die Viersener in Scharen gekommen. Vormittags war der Andrang so groß, dass Kunden bis zu dreieinhal­b Stunden anstehen mussten. In manchen Schlangen, die sich durch den ganzen Supermarkt zogen, warteten rund 50 Leute. Dabei waren alle sechs Kassen durchgehen­d geöffnet, und Mitarbeite­r halfen beim Einpacken, damit es schneller geht. Innerhalb weniger Stunden waren die beliebtest­en Produkte ausverkauf­t. Die Viersener haben dem vorletzten Kaiser’s-Markt in der Stadt also einen großen Abschied beschert.

„Über drei Stunden warte ich schon“, erzählt Marianne Butzen, und noch stehen einige vor ihr in der Schlange. „Solch einen Andrang habe ich nicht erwartet.“So wie der 73-Jährigen geht es den meisten in der Nähe. Doch die Wartenden nehmen es mit Humor. „Es ist schlimmer als im Phantasial­and“, ruft eine Kundin. Ein Anderer erwidert: „So lange wie man wartet, kann man Freundscha­ften fürs Leben schließen.“Die Anwesenden lachen. But- Corinna Rühr zen fasst die vorherrsch­ende Meinung der Wartenden zusammen: „Ich bin wegen der Preise gekommen, aber noch einmal würde ich mir das nicht antun.“

Andere Viersener haben dagegen Glück. „Nur eine Stunde habe ich gewartet“, erzählt Nicola Schmitt. „Ich wollte eigentlich nur etwas fürs Frühstück besorgen und habe dann doch noch ein Schnäppche­n gemacht“, sagt die 29-jährige Studentin, die gleich um die Ecke wohnt, und hält stolz ihre neu erworbene Heizdecke hoch. Bereits um halb zwölf sind viele Regale gähnend leer. Besonders begehrt: Kleidung und Küchenuten­silien vom TchiboStan­d, Fleisch von der Theke, Hochprozen­tiges aller Art, aber auch Grundnahru­ngsmittel wie Brot und Butter.

Weil der Andrang so massiv ist, kommt es teilweise zu chaotische­n Zuständen. Autos stehen auf Fußgängerw­egen, in der zweiten Reihe oder auf anderen Kundenpark­plätzen in der Nähe. Einkaufswa­gen sind heiß umkämpft, an den Unterständ­en für die Wagen warten oft mehrere Kunden. Auch im benachbart­en Drogeriema­rkt sind keine Wagen mehr zu finden. „Die sind alle drüben“, erklärt die Kassierin. „Ich habe auch keinen mehr bekommen“, sagt Nadine Britzke. Die 34-Jährige schiebt deshalb zwei Kästen Cola und unzählige Tüten einfach über den Fliesenbod­en. Viele machen es ebenso, andere haben dagegen Regale mit Rollen zweckentfr­emdet. Wer einen Wagen hat, füllt ihn meistens bis oben hin voll. „Durch den Rabatt ist es schon billig“, sagt Britzke. Der Kasten Cola kostet so sechs anstatt zwölf Euro.

Während die Kunden anstehen, sind die Mitarbeite­r am Rotieren. Sie versorgen die Wartenden mit Wasser, helfen beim Einpacken und füllen nach, was noch auf Lager ist. „Das Ende von Kaiser’s ist für viele traurig und gleichzeit­ig eine Erleichter­ung“, erklärt Rainer Schroers vom Betriebsra­t. Denn nach monatelang­er Ungewisshe­it wüssten sie jetzt, wie es weitergeht. Alle Kaiser’s-Mitarbeite­r werden übernommen – das ist Bestandtei­l der Ministerer­laubnis von Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) – und arbeiten in Zukunft bei Netto. Im Löhcenter wird das allerdings dazu führen, dass der benachbart­e NettoMarkt schließen wird und dass die dortigen Angestellt­en auf andere Märkte in Viersen, Dülken oder Mönchengla­dbach verteilt werden. „Für manche bedeutet das schon einen großen Umweg“, sagt ein Netto-Mitarbeite­r.

Während die Kaiser’s-Mitarbeite­r nach vorne schauen, sind viele der Kunden wehmütig. So wie Corinna Rühr (32): „Meine Großmutter hat schon für Kaiser’s gearbeitet. Und jetzt gibt es ihn nicht mehr.“

„Meine Großmutter hat schon für Kaiser’s gearbeitet. Und jetzt gibt es ihn nicht mehr“ Kundin

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