Rheinische Post Viersen

Handballer beißen sich durch

Zum WM-Auftakt hat der Europameis­ter gegen Ungarn mehr Mühe als erwartet, gewinnt aber am Ende 27:23.

- VON ECKHARD CZEKALLA

ROUEN Der Auftakt bei der Handball-WM ist geschafft. 27:23 gegen Ungarn klingt gut – und war es auch. Jedenfalls die ersten 29 Minuten, da war es sogar überragend. Eine starke Abwehr, ein überragend­er Torhüter Silvio Heinevette­r – die Mannschaft von Bundestrai­ner Dagur Sigurdsson führte vor 5000 Zuschauern in Rouen gegen Ungarn mit 16:9. Nach 38 Minuten war der Gegner beim 16:15 allerdings wieder dran. Zwei Treffer vor der Halbzeit, vier nach Wiederbegi­nn hatten aus einer Partie, die entspannt zu verlaufen schien, einen Kampf gemacht, der an den Nerven zerrte.

Zuschauer am Livestream sehen 18 Minuten lang nur ein schwarzes Bild

Nach 55 Minuten war die Führung beim 21:20 immer noch knapp, am Ende aber setzte sich der favorisier­te Europameis­ter noch ab und feierte einen wichtigen Erfolg.

Die mit Spannung erwartete Premiere des Internet-Livestream­s von Sponsor DKB war dagegen nur teilweise erfolgreic­h. Kurz nach Spielbegin­n sahen die Zuschauer 18 Minuten lang nur ein schwarzes Bild und Sätze wie: „Der Livestream ist beendet.“Die Ursache blieb lange unklar, bis ein DKB-Sprecher mitteilte, es seien „keine Serverprob­leme oder der hohe Ansturm mit rund 600.000 Fans, sondern eine Unterbrech­ung des Livestream­s durch den Rechteverg­eber“gewesen.

Als Mann des Spiels wurde Uwe Gensheimer geehrt. Es ist häufig so, dass der Spieler ausgezeich­net wird, der die meisten Tore wirft. Gensheimer erzielte 13, verwandelt­e dabei alle acht Strafwürfe. Nicht ungewöhnli­ch für den 30-Jährigen, der als einer der weltbesten Linksaußen gilt. Dennoch war sein Auftritt außergewöh­nlich. „Es war gewiss kein leichtes Spiel für ihn. Aber er hat es überragend gemacht“, sagte Kreisläufe­r Patrick Wiencek zur Leistung des Frankreich-Legionärs. „Es gibt den Menschen Uwe und den Handballer Uwe. Es ist hart, aber man muss auch den Schalter umlegen können. Ich bin froh, dass er hier ist und uns hilft. Er hat uns mit seiner Souveränit­ät im Spiel gehalten“, sagte Heinevette­r. Gensheimer­s Vater Dieter (60) war am Sonntag plötzlich gestorben. Der Profi war erst am Abend vor dem Spiel wieder bei der Mannschaft, hatte das Training mitgemacht und im Spiel die Rolle übernommen, die man von einem Kapitän erwartet.

Der erste Schritt zum erhofften Gruppensie­g ist gemacht. Gegen Chile (morgen 14.45 Uhr), SaudiArabi­en und Weißrussla­nd, das gegen Chile verlor (28:32), sind Erfolge fest eingeplant, ehe es am kommenden Freitag gegen Kroatien um Platz eins in der Gruppe gehen dürfte.

Als sich die Spieler von den Fans in der Halle von Rouen verabschie­deten, war ihnen die Erleichter­ung anzusehen. Nach 20 Minuten (8:7) hatten sie die Ungarn, die durch die Verletzung ihres Rückraumst­ars Laszlo Nagy etwas aus dem Rhythmus waren, dominiert. Los ging es mit dem Treffer des Leipzigers Niclas Pieczkowsk­i, der freilich erst nach Videobewei­s gegeben wurde.

Xavier Sabate, Ungarns spanischer Trainer, wechselte zur Halbzeit den Torhüter. Für den 40 Jahre alten Nandor Fazekas brachte er Roland Mikler. Wichtiger aber war, dass seine Spieler viel aggressive­r zupackten. Quälend lange acht Minuten gelang dem Europameis­ter kein Treffer. Erst als Kai Häfner relativ humorlos aus dem Rückraum abzog, war der Bann gebrochen – die Zitterpart­ie aber noch lange nicht beendet. Fehlpässe, Fangfehler, schlecht platzierte Würfe, ein starker Mikler, all das sorgte dafür, dass die Partie lange offen blieb.

Glück für die deutschen Spieler, dass auch der Gegner nicht fehler- frei agierte. Als Gensheimer zum 18:16 traf, waren fast 45 Minuten absolviert. Zwei Treffer in einer Viertelstu­nde, im Handball eigentlich eine Ausbeute, die in eine Niederlage mündet. Doch diese Mannschaft hat die Qualität, auch Durststrec­ken zu verkraften. Nach der Pause war es vor allem Häfner, der mit seinen Toren zum rechten Zeitpunkt die Nerven etwas beruhigte. Der 27Jährige ist der einzige Linkshände­r im Rückraum und meisterte die Belastung eindrucksv­oll. Auch seine Mitspieler ließen sich nicht entmutigen, als es nicht rund lief, etwa bei Julius Kühn. Der Gummersbac­her Rückraum-Hüne warf einige Fahrkarten, glänzte aber mit Anspielen, die zu Toren führten.

„Es war ein hartes Match, aber ich denke, wir haben verdient gewonnen, weil wir die ganze Zeit geführt haben“, lautete Sigurdsson­s Fazit.

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FOTO: REUTERS Kapitän Uwe Gensheimer, bester Feldspiele­r des deutschen Teams, setzt sich trotz harten Zugriffs gegen Laszlo Nagy (li.) und Szabolcs Zubai durch.

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