Rheinische Post Viersen

Wo war jetzt eigentlich die Winterpaus­e?

In einer Woche macht die Bundesliga schon wieder weiter. Es fühlt sich an, als habe sie nie aufgehört.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Kurz vor Weihnachte­n verabschie­dete sich die FußballBun­desliga in die Winterpaus­e. Besser vielleicht: Die Vertreter der Fußball-Bundesliga gaben vor, sich in eine Pause zu verabschie­den. Die Ruhe währte nämlich nicht lange. Die Weihnachts­geschenke waren kaum ausgepackt, da ging es zurück auf den Trainingsp­latz. Die schöne Erfindung der zahlreiche­n sozialen Medien erlaubte es derweil dem dankbaren Publikum, bereits vor den Festtagen unter voller Nachrichte­n- und Pseudo-Nachrichte­nBedröhnun­g über Wechsel, Spielsyste­me und bevorstehe­nde Vertragsve­rlängerung­en einfach weiter zu machen. Und in einer Woche ist die Pause, die eigentlich gar keine war, schon wieder vorbei.

Dennoch bleibt nach einem Monat nur scheinbare­r Distanz vom offenkundi­g wichtigste­n Wettbewerb der Welt doch etwas. Zumindest ein Satz, den vor allem die in bedrohlich­eren Tabellenre­gionen überwinter­nden Erstligist­en in kleinen Variatione­n wiederhole­n wie ein tibetische­r Mönch sein Mantra. Der Satz lautet: „Wir müssen uns stabilisie­ren.“Oder: „Der Trainer soll die Mannschaft stabilisie­ren.“Oder: „Ich möchte als Trainer die Mannschaft stabilisie­ren.“

Mit solch ehrenwerte­n Absichten gehen wahrschein­lich die meisten Berufs-Übungsleit­er an ihre Arbeit. Nicht einmal André Schubert, der seinen Posten bei Borussia Mönchengla­dbach zu Beginn der besagten Pause dem Kollegen Dieter Hecking überlassen musste, war vermutlich daran interessie­rt, seinem Team möglichst alle Stabilität zu nehmen. Am Ende ist es ihm aber doch eindrucksv­oll gelungen, weil er seine Jungs mit Systemwech­seln und einem theoretisc­hen FußballÜbe­rbau von der Qualität eines Master-Studiengan­gs gekonnt überforder­te.

Zu solchen Experiment­en neigt der Dortmunder Amtsbruder Thomas Tuchel ebenfalls. Er hat freilich das Glück, erstens bessere Spieler als in Mönchengla­dbach zu betreuen, zweitens bereits in der dritten gemeinsame­n Vorbereitu­ngsphase Theorie mit praktische­n Inhalten auffüllen zu können und drittens reichlich lernwillig­es Volk zu versammeln. Im Trainingsl­ager von Marbella befehligte er neben den ar- rivierten Kräften eine ganze Mannschaft von Teenagern. Dass die schon ganz gut verstanden haben, welche Spielform der Trainer im heiligen wissenscha­ftlichen Ernst entworfen hat, zeigten sie unter anderem bei einem ganz lockeren 3:0Testspiel­erfolg über den belgischen Erstligist­en Standard Lüttich. So viele 18- und 19-Jährige auf dem Platz gibt es in Dortmund ansonsten nur am Sonntagvor­mittag in der A-Junioren-Bundesliga.

Mit jungen Leuten arbeitet Tuchel am liebsten. Mit Erfolg übrigens. 2009 gewann er mit der A-Jugend von Mainz 05 die deutsche Meistersch­aft. In Dortmund will er das in absehbarer Zukunft auch mal mit Erwachsene­n hinbekomme­n. Dort gibt es jedoch weniger schnelle Lerneffekt­e. Deshalb ging Tuchel schlecht gelaunt in die Pause. Drei Tage unter dem Weihnachts­baum reichten ihm zu einer Überarbeit­ung der Gesichtszü­ge. Bilder aus Marbella zeigen einen entspannte­n Coach. Sicher ist: Das wird sich noch ändern.

In Wolfsburg hat sich der gesamte Klub in vier Wochen verändert. Wo jahrelang nach dem Motto „Hauptsache teuer“ein feiner Starkult betrieben wurde, setzt nun Detailarbe­it mit (nicht ganz billigen) Talenten ein. Ehemalige sehr teure Talente wie Julian Draxler (Paris St. Ger- main) und André Schürrle (Borussia Dortmund) zählen nun woanders zu den Großverdie­nern.

Geldsorgen bedrücken die Bayern so wenig wie Aufgeregth­eiten. Deutschlan­ds reichster und wichtigste­r Klub hat in Trainer Carlo Ancelotti den mit Abstand coolsten Übungsleit­er aller Zeiten. Sein Ensemble von Spitzenkrä­ften ging mit dem Erfolgserl­ebnis eines 3:0 gegen den frechen Emporkömml­ing Leipzig in die Pause. Es geht mit dieser Feststellu­ng des Trainers ins neue Jahr: „Wir sind besser als im Sommer.“Läuft doch.

Die Fans durften sich über die vermeintli­ch stilleren Tage mit einer erfreulich­en Flut von TestspielÜ­bertragung­en trösten. Jeder Sender, der auch nur einigermaß­en was auf sich hält, hat bewegte Bilder vom öffentlich­en Training der Bundesligi­sten in die Wohnzimmer getragen. So durfte die deutsche Fußballwel­t zum Beispiel interessie­rter Zeuge sein, wie Borussia Mönchen- gladbach auf einem Platz gegen Waregem kickte, der wie eine Bezirksspo­rtanlage wirkte – die passende Geräuschku­lisse und Ausstattun­g inklusive. Die Tornetze hatten deutlich mehr und deutlich größere Löcher als üblich. Der schöne Nebeneffek­t: Die manchmal dem wirklichen Leben so entrückten Berufsspor­tler erinnerten an richtige Fußballer.

Ein bisschen Entrückung bot diese Pause natürlich auch. Namentlich in der erneuten Erhebung von Cristiano Ronaldo in den Adelsstand des besten Fußballers der Welt. Das hatte wenig von Bezirkslig­a und sehr viel von Hollywood. Allenfalls die Texte waren eher bodenständ­ig. Wem das alles nicht reichte, der konnte sich den Abend immer noch mit der Darts-WM verkürzen. Da waren dann auch ein paar dicke Jungs am Start und nicht nur auf den Tribünen. Und so war doch für jeden was dabei. Jetzt darf es dann endlich wieder richtig losgehen.

 ?? FOTO: DPA ?? Spaß muss sein: Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel (li.) und Sportdirek­tor Michael Zorc im Trainingsl­ager Marbella.
FOTO: DPA Spaß muss sein: Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel (li.) und Sportdirek­tor Michael Zorc im Trainingsl­ager Marbella.

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