Rheinische Post Viersen

Einfach mal den Ball flach halten

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In einer Woche rollt der Ball wieder in der Bundesliga. Endlich! Oder ist es Ihnen egal? Der Fußball erobert immer neue Märkte und wächst und wächst. Doch er macht sich entbehrlic­h, weil er nichts Besonderes mehr ist. Es vergeht kein Tag, wo man nicht irgendwo im Fernsehen oder Internet Livebilder serviert bekommt. Testspiel hier, Gurken-Cup da, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch eine Kamera aus der Kabine überträgt, wie sich leistungsw­illige Burschen die Schnürsenk­el binden. Bilder aus Hubschraub­ern, die den Weg der Nationalma­nnschaft mit dem Bus vom Quartier ins Stadion bei Länderspie­len zeigen, gehören ja schon zum Standard.

Da geht aber doch noch deutlich mehr. Wollten Sie nicht auch immer schon mal am Bildschirm, sagen wir, Sportkamer­ad Manuel Neuer live am Frühstücks­tisch dabei beobachten, wie er sich ein paar NutellaStu­llen genehmigt und dabei seine immer lächelnde Lebensgefä­hrtin mit flotten Sprüchen umgarnt? Es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis FC-Bayern-TV das für unschlagba­re 29,99 Euro im Wochenabo anbietet, natürlich nur für Vereinsmit­glieder. Obendrauf gibt es dann für die ersten 1000 Kunden auch noch einen Freimonat „Stylen mit Mats Hummels – so sitzt ihre Frisur auch

Der Fußball wird immer mehr zum Produkt, aus Fans werden Kunden. Für nachrichtl­iche Rundum-Versorgung fühlen sich die TV-Sender der Klubs zuständig.

nach der Gartenarbe­it im Regen noch tipptopp“.

Für journalist­ische Formate stehen die Spieler dann natürlich nicht mehr zur Verfügung. Aber es ist ja auch eigentlich alles schon gesagt worden. Thomas Müller hat die Branche neulich selbst herrlich persiflier­t. Als der FC Bayern aus seinem Trainingsl­ager in Doha am Münchner Flughafen ankam, da hielt er sich einen Pass wie ein Mo- biltelefon ans Ohr, um keine lästigen Fragen beantworte­n zu müssen. Er sprach in das Dokument und lachte die Wartenden herzerfris­chend an. Er lachte sie nicht aus, das ist ein großer und wichtiger Unterschie­d. Ob seiner Originalit­ät ist Müller eine große Ausnahme. Die meisten seiner Berufskoll­egen machen sich weit weniger Mühe zu demonstrie­ren, wie wenig Lust sie haben, sich mit der Basis zu beschäftig­en. Kopfhörer auf – Micky Maus. Es geht gewiss nicht nur um den Umgang mit Medien. Auch die Autogramwü­nsche kleiner Kinder, die stundenlan­g am Trainingsg­elände im strömenden Regen warten, werden mitunter mit einem Gesichtsau­sdruck abgearbeit­et, dass der Himmel für Stunden weiter weint. Die Stadien werden immer größer und moderner. Die Übertragun­gen immer maßgeschne­iderter. Die Informatio­nen rund um das Produkt sind 24 Stunden, sieben Tage die Woche abrufbar. Doch bei allem nachvollzi­ehbaren Interesse, noch mehr Geld zu generieren, um Top-Stars anzulocken und zu halten – wenn Fußball zuallerst als Produkt empfunden wird und nicht mehr Fans, sondern Kunden ins Stadion gehen, hat man dem Spiel seinen Zauber genommen.

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