Die Diamanten von Nizza
Zu dieser Jahreszeit tummelten sich Unmengen von Residenten an der Côte d’Azur, die jeden Abend unterhalten werden wollten, idealerweise durch Einladungen zu schicken Partys in angesagten Häusern. „Das dürfte kein Problem sein“, erwiderte sie. „Ich melde mich wieder bei Ihnen, dann kann ich Ihnen ein paar Vorschläge machen.“
Sie verließ ihr Büro, schenkte sich ein Glas Weißwein ein und trat auf die Terrasse hinaus. Es war noch früh am Abend, die Sonne stand tief am Horizont, und die Termine und Telefonate waren für heute abgehakt. Eine ideale Zeit zum Nachdenken.
Ihre Gedanken kehrten zu der Diskussion mit Gregoire früher am Tag zurück. Es stimmte, im Laufe der Jahre hatte er tatsächlich ein paar gute Kunden an Land gezogen und die finanzielle Seite des Geschäfts recht geschickt gemeistert. Doch in letzter Zeit war er zunehmend streitbar und ermüdend geworden, glich eher einem schwierigen Kunden als einem Geschäftspartner. Coco seufzte. Sie war mehr als bereit für ein neues Leben in New York.
Sie wurde vom Geräusch eines Stuhls, der über den Fußboden in ihrem Büro scharrte, aus ihren Gedanken gerissen. Die Tür stand offen, und als sie über die Schwelle trat, fand sie Gregoire über eine ihrer in Leder gebundenen Mappen gebeugt, die sie bei ihren Präsentationen benutzte. Sie beschloss, den Schlagabtausch am Vormittag zu vergessen und nahm mit einem Lächeln neben ihm Platz.
„Nanu, Gregoire. Machen Sie Hausaufgaben?“– „Oh – ich führe mir nur noch einmal unsere jüngs- ten Triumphe vor Augen.“– „Was haben Sie denn da?“
„Das Anwesen der Fitzgeralds. Die beiden müssten bald wieder hier sein, oder?“
„Ja. Sie bleiben den ganzen Sommer.“
Gregoire schüttelte den Kopf, als er die Mappe schloss. „Ein Luxusleben, das diese Superreichen führen. Mein Gott, das muss fantastisch sein.“
Coco kannte Gregoire lange genug, um auf der Hut zu sein, wenn er das Thema Geld aufs Tapet brachte. Das führte unweigerlich zu Diskussionen über sein Gehalt, seine Hoffnung auf eine volle Partnerschaft, dringliche Anschaffungen wie ein neues Auto und andere ebenso sensible wie kostspielige Angelegenheiten.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und stand auf. „Ich muss mich beeilen. Wir sehen uns morgen.“ 8. KAPITEL
Elena lächelte, als sie aus der Küche kam und sich zum Frühstückstisch begab, wo Sam gedankenverloren den ersten Kaffee des Tages genoss.
„Okay, alles arrangiert. Wir gehen gleich einkaufen.“
„So ein Glück“, erwiderte Sam. Seine Begeisterung angesichts des bevorstehenden Einkaufsbummels mit Elena, die nie besonders groß gewesen war, tendierte nach den mehrtägigen nervenaufreibenden Gewaltmärschen durch die Ausstellungsräume der Marseiller Möbelhäuser und Stoffläden gegen null. „Und, was kaufen wir heute?“
„Lebensmittel. Schon vergessen? Alphonse hat sich erboten, uns zu seinen Lieblingslieferanten mitzunehmen, und heute ist es endlich so weit. Prima, oder?“– Sams Stimmung hellte sich schlagartig auf. Einkäufe, die sich zum Verzehr eigneten, waren ganz nach seinem Geschmack. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. Er gestattete Elena, die Croissantkrümel wegzuwischen, die auf seiner Brust gelandet waren. „Warum habe ich eigentlich nie die Gelegenheit, dir den gleichen Liebesdienst zu erweisen?“, fragte er grinsend.
Elena wurde durch die Ankunft von Alphonse einer Antwort enthoben. Geschniegelt und gebügelt für die Einkaufstour, erschien er in einem blau-weiß gestreiften Hemd über weißen langen Hosen; das Ensemble wurde durch marineblaue Espadrilles und eine Schirmmütze von Louis Vuitton abgerundet. Er hielt eine Einkaufstasche aus weißem Segeltuch in jeder Hand. Eine reichte er Sam, die andere Elena, mit der Erklärung, damit habe er beide Hände frei, um zu feilschen.
„Heute konzentrieren wir uns auf Obst, Gemüse und Käse“, sagte er. „Schmackhaftes, gesundes Fleisch einzukaufen, dafür allein benötigt man schon einen ganzen Vormittag, genau wie beim Fisch. Das müssen wir ein anderes Mal erledigen. Olivier fährt uns heute nach Saint-Florian, ein Dorf mit einem hervorragenden Markt, wo sämtliche Erzeuger aus der Region mit einem Stand vertreten sind – dort findet man alles, was man sich nur vorstellen kann, von Ananas bis Zucchini.
lez!“
Auf dem Weg nach Saint-Florian ging Alphonse die Einkaufsliste durch.
„Ich brauche Spargel, falls wir dafür nicht schon zu spät dran sind, Melonen und Pfirsiche, ein paar
– die Kartoffel für Kenner –, des
tes Al- rat-
Weiteren Zucchiniblüten, Oliven und natürlich Knoblauch und Basilikum. Und nicht zu vergessen meinen Lieblingsziegenkäse. Danach bin ich ein williger Diener der Inspiration. Sollte ich zufällig perfekt gereifte Avocados, Feigen in bester Verfassung oder Saubohnen entdecken, die meines lauwarmen Bohnen-und-Bacon-Salats würdig sind, müssen die natürlich auch mit. Ich sage immer, dass ein offener Geist genauso wichtig ist wie ein offener Mund.“
Wie so viele Dörfer in der Provence war auch Saint-Florian auf einem Hügel erbaut, wobei man die ältesten Gebäude an der höchsten Stelle errichtet hatte, an der man sich vor den Überfällen räuberischer Nachbarn sicher wähnte. Im Laufe der Jahrhunderte hatten friedvollere Zeiten Ansiedlungen in den niederen Gefilden des Hügels ermöglicht und schließlich zum Bau eines riesigen Parkgeländes geführt. Dieses wurde einmal wöchentlich zweckentfremdet, wenn Marktstände die Autos und Boulespieler verdrängten.
Es waren schätzungsweise fünfzig bis sechzig Stände, die dort aufgebaut waren und Obst, Gemüse, Eier, Kräuter, Käse und einige nicht essbare Produkte feilboten, überwiegend Blumen und Damenunterwäsche. Angeführt von Alphonse, schoben sich Sam und Elena durch die Menschenmenge, bis sie an einen größeren Stand gelangten, der mit Gemüse überladen und dem Regiment eines stämmigen, grauhaarigen Mannes mit einem zerfurchten, braun gebrannten Gesicht unterstellt war, das sich bei ihrem Anblick aufhellte. (Fortsetzung folgt)