„Vor Ralf Rangnick muss man den Hut ziehen“
Borussias Mittelfeldspieler spricht über seine ehemaligen Vereine, die Geduld der Fans in Gladbach und das Duell mit Leipzig morgen.
MÖNCHENGLADBACH Nach zwei Wochen Verletzungspause ist Jonas Hofmann gegen RB Leipzig wieder einsatzbereit. Die Diskussion um den Klub kann er aus verschiedenen Perspektiven betrachten: Als morgiger Gegner, als ehemaliger BVBSpieler, weil die Südtribüne in Dortmund nach den Vorfällen gegen Leipzig heute leer bleibt, und als Jugendspieler aus Hoffenheim.
Sie sind mit zwölf Jahren nach Hoffenheim gegangen. Wie haben Sie ihre Jugendzeit da erlebt?
HOFMANN Für mich war es damals Gold wert, nach Hoffenheim zu wechseln. Da waren die Trainingsbedingungen schon in der Regionalliga auf Bundesliganiveau. Für manch einen mag das positiv sein, für andere vielleicht zu viel Wohlfühlatmosphäre. Mich haben die Begebenheiten enorm weitergebracht.
Spürt man die fehlende Tradition innerhalb solch eines Vereins?
HOFMANN Als ich in der Jugend da war, wurde das noch nicht so intensiv diskutiert. Eher gab es in der Schule neidische Blicke, weil die Mitschüler Vorurteile gegenüber solchen Jugendspielern hatten. Der Unterschied zwischen Traditionsklubs und Nicht-Traditionsklubs hat mich gar nicht so beschäftigt.
Hatten Sie denn einen Lieblingsklub in Ihrer Kindheit und Jugend?
HOFMANN Als kleiner Junge war ich Bayern-Fan, aber ich war da nie so tief drin, hatte auch kein richtiges Idol. Als das Angebot aus Hoffenheim kam, ging trotzdem ein Traum in Erfüllung, weil ich zu der Zeit mit dem Fußball aufhören und andere Sportarten, Handball und Golf, intensivieren wollte. Man hat damals schon gemerkt, dass sich etwas bewegt in Hoffenheim. Deshalb musste ich die Chance wahrnehmen.
Ihr Vater oder Ihr Opa hat aber nicht gesagt: „Was willst du da? Geh’ doch nach Stuttgart oder Kaiserslautern.“
HOFMANN In Stuttgart habe ich mal ein Probetraining gemacht, aber eine Stunde Fahrtzeit war mir und meiner Familie zu viel. Hoffenheim war als Gesamtpaket sinnvoller, es war nur 20 Minuten weg von zu Hause. Dietmar Hopp hatte schon damals das Ziel, mal ein Eigengewächs aus der Region in die Bundesliga oder sogar in die Nationalmannschaft zu bringen. Da ich als einziger Junge von der D- bis zur A-Jugend im Verein war, bin ich für ihn so etwas wie ein Aushängeschild gewesen.
Können Sie die Diskussion um Traditions- und Plastik-Klubs im Fußball denn verstehen?
HOFMANN Wenn ich mit GladbachFans rede, ist das schon etwas Besonderes. Viele fahren zu jedem Auswärtsspiel, wie nächste Woche nach Florenz. Das ist schon krass. Für die Fans ist das ein Hobby wie für mich das Dartspielen. Da geben sie ihr Geld für aus. Deshalb kann ich es aus Sicht der Fans nachvollziehen, dass sie sauer sind, wenn jemand von außen kommt und viel Geld in einen Verein reinpumpt. Aber es bringt nichts, so wie in Dortmund letztens, mit Gewalt dagegen vorzugehen.
Von Hoffenheim sind Sie als 19-Jähriger nach Dortmund gewechselt. Intensiver geht es in Deutschland wohl nicht. Wie haben Sie das wahrgenommen?
HOFMANN Ich habe im ersten Jahr noch die Schule fertig gemacht. Selbst als Spieler aus der U23, den eigentlich keiner kennt, wurde ich ganz anders wahrgenommen. Dann fährt jedes zweite Auto mit einem BVB-Aufkleber durch die Stadt. Für mich – erste eigene Wohnung, zum ersten Mal von zu Hause weg – war das eine krasse Lebenserfahrung.
Bei Vereinen wie Hoffenheim, Leverkusen, Wolfsburg heißt es oft, der fehlende Druck der Fans, weil es einfach nicht so viele gibt, sei ein Nachteil. In Schalke oder Dortmund heißt es dann wiederum, der Druck sei zu groß.
HOFMANN Bei uns war das in der Hinserie ein großes Thema. Als es nicht so lief, haben wir oft darüber gesprochen, dass es Wahnsinn ist, wie die Fans uns weiterhin unterstützen. In anderen Vereinen wäre riesiger Terz gewesen, aber hier bei Borussia kann man in Ruhe weiterarbeiten. Es tut gut, nach Niederlagen nicht am Zaun niedergemacht zu werden, sondern die Rückendeckung zu spüren.
Die Rückendeckung des Trainers haben Sie in den ersten beiden Spielen in Darmstadt und Leverkusen gehabt. Dann kam die Verletzung. Ist das die ärgerlichste Situation in Ihrer Karriere?
HOFMANN Eine Verletzung kommt nie gelegen. Wichtig war, dass ich diese zwei Spiele hatte und mich nicht vorher verletzt habe. So konnte ich zeigen, dass es unter dem neuen Trainer vielleicht auch für mich ein Neuanfang ist. Zum Glück bin ich nur zwei Wochen ausgefallen.
Die ersten Wochen 2017 waren Ihre besten Wochen bei Borussia. Warum haben Sie ein Jahr dafür gebraucht?
HOFMANN Am Anfang lief es ganz gut. Im ersten Spiel kam ich von der Bank, im zweiten gegen Mainz habe ich begonnen. Es kommen immer viele Dinge zusammen. Ich habe es mir auch anders vorgestellt. Es ist immer schwer, da genaue Gründe auszumachen. Glück ist auch ein großer Faktor.
Wo sehen Sie sich momentan?
HOFMANN Nach der Verletzung ist es erst einmal wichtig, nichts zu überstürzen. Das habe ich mit dem Trai- ner auch so besprochen. In den ersten beiden Spielen habe ich ihm keinen Anlass gegeben, mich nicht wieder aufzustellen. Deshalb werde ich sicher wieder meine Spielzeiten bekommen, wenn ich fit bin.
Morgen kommt Leipzig – als Aufsteiger und als Spitzenmannschaft.
HOFMANN Ich habe in Hoffenheim ein paar Mal unter Ralf Rangnick trainiert und muss den Hut vor ihm ziehen. Wo er ist, hat er Erfolg. Dass Leipzig so weit oben mitspielt, hätte niemand gedacht. Man muss Rangnick lassen, dass er eine gute Mannschaft zusammengestellt hat. Leipzig kommt sicher als Favorit, auch wenn sie zuletzt zweimal verloren haben. Aber wir spielen zu Hause und wollen natürlich punkten im Borussia-Park.
Das Spiel steht unter besonderer Beobachtung nach den Vorfällen in Dortmund vor zwei Wochen. Wie nehmen Sie als Profi so etwas wahr?
HOFMANN Das ist eine ziemliche Katastrophe. Gewalt geht überhaupt nicht. Sie ändert nichts und bringt nur negative Schlagzeilen gegen den eigenen Verein. Jetzt ist in Dortmund die Südtribüne gesperrt. Was da passiert ist, ist einfach schwachsinnig. Die Fans sollen die eigene Mannschaft unterstützen, alles andere schadet dem Verein. Auch in Gladbach pusht uns die Nordkurve enorm. Wenn die leer wäre, wäre das ein enormer Nachteil.