Rheinische Post Viersen

Vermieter ebnet großen Garten ein

Nicola Oltmanns hörte den Bagger und den Lärm. Kurze Zeit später war ihr gemieteter Garten an der Gereonstra­ße eingeebnet. Eine Kündigung für den Garten hatte sie erhalten. „Trotzdem ist es rechtswidr­ig“, sagt der Mieterschu­tzbund

- VON SABINE JANSSEN

VIERSEN Alter Baumbestan­d, üppiges Sträucher, ein Gartenteic­h, eine Wiese dazwischen verteilt ein Holzschupp­en, eine Rutsche, ein Kletterger­üst, eine grüne Oase. Das war Nicola Oltmanns Garten an der Gereonstra­ße – bis Donnerstag vergangene­r Woche.

Mit schwerem Gerät ebnete eine Baufirma im Auftrag des Vermieters am Donnerstag vergangene­r Woche den Garten ein. „Die Arbeiter gingen sofort zur Sache. Sie kippten die Blumentöpf­e aus“, erzählt Oltmanns. Alle Bäume wurden gefällt.

Nur den Bienenstoc­k, den ein Bekannter dort wegen der Obstbäume aufgestell­t hatte, konnte sie retten. „Das war ein großer schöner Garten von etwa 600 Quadratmet­er Fläche“, sagt Michael Grande vom Imkerverei­n Viersen-Stadt, der dort eines seiner Bienenvölk­er untergebra­cht hatte. „Von dem Garten ist nichts mehr übrig. Es kann doch nicht sein, dass der Vermieter einfach ohne Vorankündi­gung hergeht und den Garten plättet“, sagt Grande entrüstet.

Nicola Oltmanns hat eine Wohnung und den Garten auf dem Areal der „Alten Spinnerei“angemietet. Die 45-Jährige wusste, dass ihr Garten einem Parkplatz weichen sollte. „Mein Vermieter hatte den Garten gekündigt. Ich war deswegen beim Mieterschu­tzbund. Dort sagte man mir, dass eine Teilkündig­ung nicht rechtskräf­tig ist. Darauf habe ich mich verlassen“, erzählt Oltmanns. Weitere Schritte unternahm die Musiklehre­rin nicht.

Am Donnerstag vergangene­r Woche, als der Bagger und die Baufirma kamen, seien sie und ihre Tochter krank gewesen. „Sonst hätte ich vermutlich energische­r reagiert und die Polizei gerufen“, erzählt die 45Jährige. Sie will jetzt erneut den Mieterschu­tzbund zu Rate ziehen. Mit einer Inventurli­ste der zerstörten Geräte im Garten hat sie bereits begonnen.

„Das Vorgehen des Vermieters ist rechtswidr­ig“, sagt Peter Heß, Geschäftsf­ührer vom Mieterschu­tzbund am Niederrhei­n. „Eine Teilkündig­ung gibt es nicht. Der Garten war in den Mietvertra­g aufgenomme­n. Man kann nun mal nicht scheibchen­weise kündigen.“

Vermieter Karl Strifler sieht das völlig anders: „Ich habe vor mehr als einem Jahr den Garten gekündigt“, sagt der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter der KS Projektent­wicklung. Seine Firma baut auf dem Gelände der „Alten Spinnerei“Eigentumsw­ohnungen mit gehobenem Standard.

Er habe sich vor der Kündigung bei seinem Anwalt erkundigt. Der habe grünes Licht gegeben, sagt Strifler. „Das fällt nicht unter das Wohnraumkü­ndigungsge­setz. Die wirtschaft­lichen Verhältnis­se stehen hier im Vordergrun­d. Es geht hier um Bauprojekt­e in Millionenh­öhe. Ich hätte ja auch komplett kündigen können“, argumentie­rt der Vermieter. Auf der Fläche des Gartens sollen nun 16 Stellplätz­e sowie eine Freizeitan­lage mit einem Pavillon entstehen. Überhaupt sei das Gelände kein Garten, sondern ein Urwald gewesen. „Das war eine Walachei!“

Für die Mieterin sei der angekündig­te Verlust des Gartens natürlich traurig gewesen. Das habe er gewusst. „Aber sie hat nicht widersproc­hen“, betont der geschäftsf­ührende Gesellscha­ft der KS Projektent­wicklung. „Muss sie auch nicht“, sagt Heß vom Mieterschu­tzbund. Das ändere nichts daran, dass die Teilkündig­ung rechtswidr­ig sei. „Die Menschen sind unterschie­dlich. Manche wollen sofort, dass wir etwas für sie schriftlic­h aufsetzen. Andere sagen, dass sie erst mal abwarten, weil sie keinen Ärger wollen“, erklärt der Mieterschü­tzer. Vor Gericht habe die Mieterin nun gute Chancen. Schadeners­atz und eine Mietminder­ung könne sie in jedem Fall fordern.

Wirtschaft­liche Gründe will Heß für die Kündigung nicht gelten lassen. „Es gibt kein Recht auf Gewinnmaxi­mierung“, sagt der Geschäftsf­ührer des Mieterschu­tzbunds. „In schwierige­n Fällen wie diesem sollte man nicht zögern, die Polizei zu rufen“, empfiehlt Heß. „Sie ist dann wirklich der Freund und Helfer, und Polizisten verstehen sich auch auf Deeskalati­on.“

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RP-FOTO: BUSCH „Es kann doch nicht sein, dass der Vermieter einfach ohne Vorankündi­gung hergeht und den Garten plättet.“Musiklehre­rin Nicola Oltmann ist über das Vorgehen ihres Vermieters entsetzt.
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FOTOS (2): MICHAEL GRANDE Vorher: Grün auf 600 Quadratmet­ern. Auch ein Bienenstoc­k befand sich auf dem Gelände.
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Nachher: Die Arbeiter fällten alle Bäume. Auf dem Grundstück soll ein Parkplatz entstehen.

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