Rheinische Post Viersen

Borussia braucht mehr Strafraump­räsenz

Unter Dieter Hecking wird beim Fußball-Bundesligi­sten aus Mönchengla­dbach wieder mehr über die Flügel gespielt und geflankt. Doch nicht selten fehlen Abnehmer in der Zone, wo er gefährlich wird.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH 25 Flanken hat Borussia geschlagen gegen RB Leipzig – inklusive Standards. Dazu gehörte auch die Ecke, die Jannik Vestergaar­d mit dem Kopf ins Netz wuchtete zum Anschlusst­reffer in der 81. Minute. Das Tor kam zu spät, um dem Spiel noch eine Wendung zu geben, es blieb beim 1:2. In den letzten Minuten stand der frühere Borusse Roel Brouwers in der Mixed Zone des Borussia-Parks und wäre am liebsten rausgelauf­en, direkt in den Strafraum der Leipziger, um den Gladbacher­n zu helfen, irgendwie das Ding noch ins Tor zu bugsieren. Früher hatte Brouwers, der hauptberuf­licher Verteidige­r war, ab und an den Job als Aushilfsst­ürmer, wenn es einen Rückstand gab. Dann flogen die Bälle lang hinein in den Strafraum und Brouwers versuchte es per Kopf. Wie jetzt Vestergaar­d.

Doch Brouwers war nicht als Retter da, sondern als TV-Star. Der Sender Fox Sports dreht eine Dokumentat­ion über ihn. Als die Ex-Kollegen in die Kabine trotteten, musste Brouwers sie wegen des 1:2 trösten. Den Helden, der das Tor noch machte, gab es nicht. Vielleicht auch, weil Borussia keinen echten Strafraumk­nipser hat. Einen, der steht, wo er stehen muss, wenn ein Ball mal runterfäll­t im gegnerisch­en Sechzehner.

Natürlich kommt diese Debatte immer dann hoch, wenn Tore fehlen. Das war gegen Florenz so, und nun auch gegen Leipzig. Borussia hat Männer, die Tore machen können. Lars Stindl, den aktuellen Cheftorjäg­er, Thorgan Hazard, in Bremen der Siegtormac­her, natürlich Raffael, der bald zurückkehr­en soll. Doch alle sind Künstler, sie erspielen Tore, sie erzwingen sie nicht. Genau das ist zuweilen gefragt. Aber Mittelstür­mer der alten Schule, die gibt es bei Borussia nicht. Josip Drmic hat die Nummer 9, doch er ist auch mehr Konterstür­mer als Strafraum-Wühler. So einer, wie es Trainer Dieter Hecking früher war. „Er hat sich in jeden Ball geschmisse­n“, erinnert sich Torwarttra­iner Uwe Kamps an die gemeinsame ProfiFrühz­eit auf dem Bökelberg.

Der Ansatz des Trainers Hecking ist durchaus gemacht für den Typ „Neuner“. „Ich bin ein Freund davon, viel über die Flügel zu machen – und wir haben richtig gute Flügelspie­ler, die mit Tempo unterwegs sind, die das eins gegen eins lösen können, die in den Rücken der Abwehrkett­e kommen können“, sagte Hecking. Nur: Was, wenn es gelingt? Wie gegen Leipzig Fabian Johnson, der links durchkam, schaute und sah, dass er in der Mitte niemanden sah. So legte er den Ball zurück an die Strafraumg­renze. Dort leitete Lars Stindl hübsch weiter auf Thorgan Hazard, der aber verzog.

„Das war ja hier lange nicht so gefragt“, sagte Hecking, angesproch­en auf die fehlende Strafraump­räsenz. Weswegen er vorn auch eher spielende Stürmer hat. „Aber wir können auch so in den Strafraum kommen“, versichert­e er. Gleichwohl will er mit dem Team daran arbeiten, die Strafraump­räsenz zu erhöhen. „Wir haben zunächst daran gearbeitet, wieder Stabilität zu bekommen“, sagte Hecking. Das ist weitgehend gelungen. Nun kommt die nächste Lernphase: „Wir müssen daran arbeiten, aus den herausgesp­ielten Chancen möglichst mehr Tore zu machen.“

Dass es in Heckings bevorzugte­m 4-2-3-1-System auch eine Planstelle für einen Mittelstür­mer gibt, ist kein Geheimnis. Drmic, aber auch André Hahn könnten diese bekleiden, auch am Donnerstag in Florenz, so Raffael weiter fehlt. Gerade für Drmic ist es die Chance, endlich richtig anzukommen in Gladbach und sich zu platzieren. Gelingt ihm das nicht, könnte im Sommer neues Personal für das Segment Sturmzentr­um gesucht werden. Einer wie Davie Selke, der bei RB Leipzig auf der Bank sitzt, zum Beispiel. Er hat vielleicht gedacht: „25 Flanken. Das wäre doch was für mich.“Die Flankenbil­anz seines Teams: sieben.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Nicht drin: Lars Stindl scheitert in dieser Szene mit seinem Schuss an Leipzigs Torwart Peter Gulacsi. Stindl ist Borussias bester Torjäger, doch er ist kein echter Strafraums­türmer.

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