Kommunen gegen Gratis-Kitas
Die NRW-SPD plant, die Kinderbetreuung 30 Stunden in der Woche beitragsfrei anzubieten. Doch Kommunen und Träger lehnen das ab, weil sie Mehrkosten und Qualitätsverluste befürchten.
DÜSSELDORF Der SPD-Vorschlag beitragsfreier Kitas in Kernzeiten stößt in den Städten und Gemeinden des Landes auf Ablehnung, selbst wenn das Land die Kosten dafür tragen würde. „Es besteht keine Notwendigkeit, auf Elternbeiträge zu verzichten“, sagte ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes NRW. Was die Eltern zahlen müssten, sei ohnehin entsprechend der Einkommenshöhe gestaffelt. Bedürftige Familien seien auch jetzt schon weitgehend freigestellt. Die Eltern selbst würden die Kita-Beiträge auch gar nicht infrage stellen. „Warum verzichten wir ohne Not auf einen dreistelligen Millionenbetrag für das System der Kita-Finanzierung?“, ergänzte der Sprecher.
Die NRW-SPD hatte am vergangenen Wochenende ihr Wahlprogramm vorgelegt und angekündigt, dass für eine Kern-Betreuungszeit von 30 Stunden künftig keine KitaBeiträge mehr gezahlt werden müssen. Alle darüber hinausgehenden Gebühren sollen landesweit vereinheitlicht werden. Die Kosten für die Kita-Reform beziffern die Sozialdemokraten auf über eine Milliarde Euro. Auf dem Parteitag der NRWSPD hatte Spitzenkandidatin Hannelore Kraft für Gratis-Kitas damit geworben, dass dies die Familien mehr als jede Steuerreform der vergangenen 20 Jahre entlaste.
Auch aus den Kommunen selbst kommt Kritik. „Es gibt Eltern, die die Beiträge ohne Probleme zahlen können – und wollen“, sagte Sonja Leidemann, Bürgermeisterin der 100.000-Einwohner-Stadt Witten. Sozialleistungen mit der Gießkanne auszuschütten, sei keine Lösung, sagte Leidemann, die selbst SPDMitglied ist. „Außerdem bringt es nicht viel, wenn nur 30 Stunden beitragsfrei sind“, erklärte der Bürgermeister der Stadt Erkrath, Christoph Schultz (CDU): „Der Vorschlag ist schlecht durchdacht, schließlich wollen viele Eltern ihre Kinder 35 bis 45 Stunden betreut wissen.“
Leidemann rechnet vor, dass die Elternbeiträge in ihrer Stadt nur durchschnittlich elf Prozent der tatsächlichen Kosten eines Kita-Platzes decken. Dabei seien die Plätze für unter Dreijährige doppelt so teuer wie die Plätze für Drei- bis Sechs- jährige. Ein solcher U-3-Platz koste 11.465 Euro im Jahr, 36 Prozent davon übernimmt das Land.
Der Städte- und Gemeindebund NRW befürchtet, dass finanziell schwache Kommunen auch mit der neuen Regelung nicht auf ihre Kosten kämen. „Ich sehe nur Vorteile, es beim alten System zu belassen“, sagte der Verbandssprecher. Zumal die Eltern nach der neuen Regelung als Steuerzahler ja auch zur Finan- zierung der Kitas herangezogen werden. „Das ist das Prinzip: linke Tasche, rechte Tasche.“
Viele Kitaträger befürchten zudem, dass mit dem Wegfall der Beiträge die Qualität der Betreuung nachlassen könnte. „Wenn mehr Geld in Kitas fließen soll, dann sollte das für die Qualitätsverbesserung eingesetzt werden“, sagte Jürgen Otto, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt NRW, die über 700 Kitas im Land betreibt. Klaus Eberl, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche im Rheinland, Träger von 802 Kitas mit über 45.000 Plätzen, wies zudem darauf hin, dass die Beitragsfreiheit auf Kosten der Träger gehen könnte: „Wir haben jetzt schon Probleme, die Betreuungsqualität aufrechtzuerhalten.“
Wenn Kitas wie Schulen gebührenfrei wären, könnte das auch der erste Schritt zu einer Kita-Pflicht sein, meinte der Sprecher des NRWStädte- und Gemeindebunds. „Alle zahlen Steuern für Schulen – und alle müssen hingehen.“Bei den Kitas aber gebe es Wahlfreiheit, obwohl alle zahlten. „Das passt nicht zusammen.“