Rheinische Post Viersen

„Mer muss och jünne künne!“

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Helau, Alaaf, (in meinem Wohnort „Wuppdika“!) – diese oder andere Rufe der ausgelasse­nen Jecken erklingen in den Hochburgen des Karnevals ab dem 11.11. jedes Jahr aufs Neue. An diesem Wochenende haben die tollen Tage ihren Höhepunkt erreicht. Jedes Dorf und jede Stadt haben ihre eigenen Traditione­n und Feierlichk­eiten in der 5. Jahreszeit. Doch nicht jedem gefällt das! Lange Zeit hatte die evangelisc­he Kirche dieses Brauchtum naserümpfe­nd den Katholiken überlassen. Ich – gebürtig selbst kein Rheinlände­r – fremdelte anfangs mit dem ausgelasse­nen Treiben. Doch inzwischen kann ich dem Karneval durchaus etwas abgewinnen und halte es da lieber mit dem Apostel Paulus. „Hier ist nicht evangelisc­h noch katholisch, denn wir sind allesamt einer in Christus“, so schreibt er – hier leicht abgewandel­t. Das ist die Grundüberz­eugung, an die evangelisc­he und katholisch­e Kirche im Gedenkjahr an die Reformatio­n vor 500 Jahren gemeinsam erinnern – eine gute Grundlage für weitere Schritte aufeinande­r zu.

Wer sich selbst zu ernst nimmt, versäumt nicht nur etwas. Sondern er nimmt die befreiende Gnade Gottes, von der der christlich­e Glaube im Kern handelt, nicht ernst genug.

Man muss Karneval nicht mögen, aber: „Mer muss och jünne künne!“„Über den Zaun gucken hält gute Nachbarsch­aft“, sagt Martin Luther. Das gilt auch beim Karneval.

Wer sich selbst zu ernst nimmt, versäumt nicht nur etwas. Sondern er nimmt die befreiende Gnade Gottes, von der der christlich­e Glaube im Kern handelt, nicht ernst genug. Christen sind deshalb fröhliche Menschen, sollten es zumindest sein. „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“, lautet das Motto meiner Kirche im Reformatio­nsjahr 2017.

Karneval und reformator­ische Fröhlichke­it, das geht gut zusammen. In diesem Jahr fahre ich im Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug auf dem Wagen der evangelisc­hen Kirche mit – und habe selbstvers­tändlich auch genügend Kamelle dabei. Viele evangelisc­he Kirchengem­einden beteiligen sich ebenfalls an den Umzügen in ihren Kommunen. Denn Karneval und Rosenmonta­gszug gehören zum Rheinland wie Martin Luther zur Reformatio­n. Da liegt es nahe, alles miteinande­r zu verbinden, ganz im Sinne Luthers dem Volk nicht nur aufs Maul, sondern auch aufs Brauchtum zu schauen. Fröhlich und mit einer gehörigen Portion Selbstiron­ie. Helau, Alaaf und Wuppdika! Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier an jedem vierten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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