Rheinische Post Viersen

Start-ups – das große Risiko für Aktionäre

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Wenige Tage vor dem Börsenstar­t von Rocket Internet im Herbst 2014 warnte ein Analyst der Hamburger Sparkasse vor zu viel Euphorie: „Wenn Unternehme­n noch nicht einmal nachhaltig die Gewinnschw­elle überschrit­ten haben, ist es umso schwerer, die Werthaltig­keit solcher Aktien einzuschät­zen.“Das Problem ist: Das Geschäftsm­odell von Rocket Internet besteht zu großen Teilen darin, viel Geld in andere Firmen zu stecken, die ebenfalls noch nicht bewiesen haben, dass ihr Geschäftsm­odell funktionie­rt: Online-Möbelhändl­er, Essens-Lieferdien­ste, Kochboxen-Versender. Die Start-up-Schmiede besteht im Grunde nur aus Risiko.

An der Börse hat sich der Kurs der Rocket-Aktie seit dem Börsenstar­t am 2. Oktober 2014 halbiert. Bis jetzt ist Rocket Internet eine riskante Wette geblieben. Zuletzt verlor offenbar auch der Investor und Großaktion­är Kinnevik die Hoffnung. Die Schweden hielten bisher 13,2 Prozent an Rocket und kündigten an, 10,9 Mil- lionen Aktien, die Hälfte ihres Anteils, zu verkaufen. Offizielle Begründung von Kinnevik: Die Geschäftsm­odelle seien sich zu ähnlich geworden. Am Markt sorgte das dennoch für einen Kursrutsch bei Rocket-Aktien. Die Situation bei der Berliner Start-up-Schmiede wirft jedoch die generelle Frage auf, ob die Börse und junge Start-ups zusammenpa­ssen.

Zuletzt lief es jedenfalls nicht gut für einige der mit viel Tamtam an den Börsen gestartete­n Start-ups: Twitter, das beim Börsengang 2013 noch Milliarden einnahm, hat auch Jahre später noch kein Geschäftsm­odell, mit dem es Geld verdient. Die Aktie ist an der Börse genau wie die von Rocket inzwischen weniger wert als beim Börsenstar­t. Auch die Kurse einstiger Überfliege­r wie des Rabattmark­enportals Groupon oder des Spieleentw­icklers Zynga stecken tief im Kurskeller. Beim deutschen Online-Händler Windeln.de, das 2015 an der Börse startete, lag der Kurs sogar bereits zum Börsenstar­t unter dem Ausgabepre­is. Seitdem wurden Mitarbeite­r entlassen, Angebote gestrichen, aber besser wurde es nicht. War die Aktie zu Beginn noch knapp 15 Euro wert, dümpelt das Papier nun bei rund drei Euro.

Die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz warnte schon beim Rocket-Börsenstar­t, dass Firmen im Grunde erst börsenreif seien, wenn sie bewiesen hätten, dass ihr Geschäftsm­odell funktionie­re und Gewinne produziere.

Das Problem ist: Digitalunt­ernehmen funktionie­ren grundsätzl­ich anders. In der Internetwe­lt müsse man nun mal zunächst eine kritische Masse erreichen, hatte Oliver Samwer mal gesagt. Verluste, sollte das heißen, gehören da am Anfang halt dazu. Investoren schießen daher in immer neuen Finanzieru­ngsrunden Geld nach, immer in der Hoffnung, dass der Gewinn nach einem Börsengang um ein Vielfaches höher liegt. Auch Kinnevik betonte, man habe seinen Einsatz bei Rocket versechsfa­cht. Ein Großteil der Startups scheitert jedoch – manche früh, andere später. Auch der bevorstehe­nde Börsengang des Nachrichte­ndienstes Snapchat wird von Skepsis begleitet. Denn auch beim US-Unternehme­n ist zweifelhaf­t, ob das Mitglieder­wachstum dauerhaft anhält, ob genug Geld mit Werbung verdient werden kann.

Es gibt natürlich auch Gegenbeisp­iele: Facebook etwa. Oder Zalando. Am Berliner Online-Händler waren die Samwers ebenfalls beteiligt. Das Unternehme­n steht gut da und wächst beständig. Die Prognosen waren allerdings schon vor dem – fast parallel stattfinde­nden – Börsenstar­t besser als bei Rocket. Beide Firmen waren damals Wetten auf die Zukunft. Und wie das bei Start-ups eben so ist: Nicht jede geht auf.

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FOTO: DPA Die Rocket-Internet-Manager Alexander Kudlich, Oliver Samwer und Peter Kimpel läuten die Glocke zum Börsenstar­t in Frankfurt im Oktober 2014.

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