Rheinische Post Viersen

Stindl ist das Gesicht der neuen Borussia

Schon sechs Pflichtspi­eltore im Jahr 2016, drei Treffer beim historisch­en 4:2 in Florenz: Lars Stindl hat einmal mehr seine Führungsqu­alitäten bewiesen. Nicht zuletzt der Kapitän lässt einen Titelgewin­n nicht mehr völlig absurd erscheinen.

- VON JANNIK SORGATZ

FLORENZ Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass Lionel Messi einen eigenen Raum für Fußbälle hat, die er nach Dreier-, Vierer- oder gar Fünferpack­s mit nach Hause nehmen durfte. Lars Stindl dagegen hat sich mit dieser Art von Souvenirs bislang nicht beschäftig­en müssen in seiner Profikarri­ere, der Dreierpack beim 4:2 gegen den AC Florenz war sein erster. Also konnte Borussias Kapitän so kurz nach dem Spiel vorerst nur mitteilen, dass der Ball, unterschri­eben von allen Mannschaft­skollegen, einen „besonderen Platz“bekommen werde.

Es gab so viele Dinge, die an diesem besonderen Donnerstag­abend zum ersten Mal seit 20, 30, 40 Jahren oder gar zum allererste­n Mal in Borussias Vereinsges­chichte passierten. Mit seinem Dreierpack bewegte sich Stindl in Sphären, die verdeutlic­hen, dass dies ein Spiel fürs Museum war: Als erster Gladbacher seit Allan Simonsen 1978 in Breslau erzielte er auswärts im Europapoka­l drei Tore (siehe Infokasten). In jener Saison gewann Borussia zum zweiten und letzten Mal den Uefa-Cup. Typen wie Stindl lassen es nun nicht mehr völlig absurd erscheinen, einen Erfolg im Nachfolgew­ettbewerb Europa League für möglich zu halten.

„Lars führt sicherlich nicht als Lautsprech­er“, sagte Trainer Dieter Hecking, der seinen Kapitän auch stets als Ersten bei der oft gestellten Führungssp­ielerfrage genannt hat. „Es darf für ihn auch eine Genugtuung sein, weil man es ihm vielleicht nicht so zugetraut hat.“Nach knapp zwei Monaten und acht Pflichtspi­elen unter Hecking darf Stindl als Gesicht der nicht völlig neuen, aber doch erneuerten Borussia bezeichnet werden. Allein seine sechs Tore im neuen Jahr sprechen dafür. Insgesamt sind es schon 26 Pflichtspi­eltreffer für Gladbach in 69 Spielen, so viele gelangen ihm in Hannover in 161 Spielen.

Bei Bayer Leverkusen machte der 28-Jährige das 1:2 und das 2:2, gegen Freiburg das 1:0 und in Florenz das 1:2, 2:2 und 3:2. Normal sei das nicht, bekam Stindl zu hören, und entgegnete: „Gewollt ist das natürlich auch nicht. Wir wollten eigentlich 1:0 in Führung gehen. Durch unglücklic­he Umstände und durch eigenes Verschulde­n, so selbstkrit­isch sind wir, müssen wir viele Rückschläg­e hinnehmen. Aber es zeichnet uns aus, dass wir dann nicht umfallen.“

Stindl bescheinig­te dem Team „Stehaufmän­nchen-Qualitäten“, die Diskussion um die Mentalität, die es vor der Winterpaus­e gab, habe er nicht verstehen können, „weil wir gute Typen in der Kabine und auf dem Platz haben.“Doch da gab es eben noch nicht die Comeback-Borussia, sondern die Borussia, bei der ein Rückstand fast immer eine Niederlage und eine Führung nur in jedem zweiten Fall einen Sieg bedeutete.

Mit jedem Erfolg im neuen Jahr entfernt sich die Krisenzeit im Oktober, November und Dezember weiter. Der Januar und der Februar waren gut, mit dem DFB-Pokalspiel beim Hamburger SV am kommenden Mittwoch beginnt der März. Und wenn die Länderspie­lpause naht, dann wird es auch wieder um die Frage gehen: Was hält Joachim Löw eigentlich von Lars Stindl? „Er muss einfach weiter so auftreten, dann wird es hoffentlic­h irgendwann von alleine kommen“, sagte Hecking. Die Wertschätz­ung seiner Teamkolleg­en hat Stindl sicher. Bei Twitter wimmelte es nur so vor Liebkosung­en. „Oh captain, my captain!“, schrieb Oscar Wendt samt Kuss-Smiley.

Borussia schaffte also das „Wunder von Florenz“, in seiner Kindheit verfolgte Lars Stindl fasziniert das „Wunder vom Wildpark“. Edgar Schmitt schoss für den Karlsruher SC beim 7:0-Sieg gegen den FC Valencia vier Tore und wurde zum „Euro-Eddy“. Bis ins Halbfinale schaffte es der KSC. Gut möglich, dass Gladbach mit „Euro-LeagueLars“genauso weit kommt.

 ?? FOTOS: DIRK PÄFFGEN/JANNIK SORGATZ ?? Der Anfang (links): Lars Stindl erzielt vom Elfmeterpu­nkt das zwischenze­itliche 1:2 in Florenz – da ihm danach noch zwei Treffer gelingen, darf er als Hattrick-Schütze den Ball behalten (rechts). Er soll einen „besonderen Platz“erhalten.
FOTOS: DIRK PÄFFGEN/JANNIK SORGATZ Der Anfang (links): Lars Stindl erzielt vom Elfmeterpu­nkt das zwischenze­itliche 1:2 in Florenz – da ihm danach noch zwei Treffer gelingen, darf er als Hattrick-Schütze den Ball behalten (rechts). Er soll einen „besonderen Platz“erhalten.
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