Rheinische Post Viersen

Jetzt traut sich Borussia alles zu

Das furiose 4:2 in Florenz befeuert Gladbachs Titel-Träume in einem der Pokal-Wettbewerb­e. Im Achtelfina­le der Europa League steht ein deutsches Duell gegen Schalke 04 an. Im DFB-Pokal-Viertelfin­ale geht es am Mittwoch nach Hamburg.

- VON JANNIK SORGATZ

FLORENZ Ganz ohne bedauernde Worte verabschie­dete sich Dieter Hecking dann doch nicht in die Nacht. „Jetzt können sich die Spieler leider nur ein paar Stunden freuen. Wenn wir im Flieger sitzen, beginnt schon die Vorbereitu­ng auf Ingolstadt“, sagte Borussia Mönchengla­dbachs Trainer und hinterließ noch einen letzten Satz zur Auslosung des Achtelfina­les der Europa League, das seine Mannschaft durch ein historisch­es 4:2 beim AC Florenz erreicht hatte: „Ein deutsches Duell braucht keiner.“

Die geballte Schnellleb­igkeit des Fußballs hatte Borussia schon auf dem Rasen vorgeführt: 15 Minuten alles offen, 14 Minuten 0:1 hinten, 15 Minuten 0:2, vier Tore in 16 Minuten – und dann grenzenlos­e Freude. Allerdings musste Hecking seine Aussagen vom späten Donnerstag­abend gestern Mittag schon wieder revidieren. Denn über den Wolken wurde seine Mannschaft doch etwas gestört in der Vorbereitu­ng auf das Bundesliga­spiel morgen beim FC Ingolstadt. „Ich habe eine nicht so gute Nachricht“, sagte der Kapitän über die Lautsprech­er. „Gladbach muss im Achtelfina­le leider gegen Schalke antreten.“So großes Raunen dürfte es in einem Airbus A320 selten gegeben haben.

Und was tat Hecking? Er bezeichnet­e das Los wenig später als „super“, mit dem Heimrecht im Rückspiel könne Borussia vor den eigenen Fans vielleicht alles klarmachen. Dagegen klang sein Kollege Markus Weinzierl in Gelsenkirc­hen nicht gerade begeistert. „Das fühlt sich irgendwie nicht internatio­nal an“, sagte er. Vielleicht sollte Heckings Wende in der Wahrnehmun­g einfach sinnbildli­ch genommen werden: Borussia ist neuerdings alles zuzutrauen, wobei die Bilanz von fünf Siegen, einem Unentschie­den und nur zwei Niederlage­n unter dem neuen Trainer für eine bemerkensw­erte Entwicklun­g steht.

Gladbach hat in Florenz zum zweiten Mal in vier Wochen aus einem 0:2-Rückstand auswärts einen Sieg gemacht, so etwas passiert sonst so selten wie ein Wechsel im Bundeskanz­leramt. „Die Mannschaft hat eine überragend­e Moral und auch die nötige Qualität, solche Spiele zu drehen“, sagte Hecking. In Florenz war sein Kapitän Lars Stindl mit drei Toren der Held, das vierte machte Andreas Christense­n, der noch gar nicht geboren war, als Gladbach vor 21 Jahren zuletzt im Europapoka­l-Achtelfina­le stand.

In der Winterpaus­e schienen die speziellen Tage, die Borussia gerade erlebt, noch ganz weit weg. „Es ist sehr attraktiv, was man so schnell auf anderen Wegen erreichen kann“, sagte Christoph Kramer über die Europa League und den DFBPokal. Manager Max Eberl meinte: „Die Motivation muss uns pushen, dass bei allem Druck noch richtig schöne Dinge winken.“Nun sind die schönen Dinge tatsächlic­h eingetrete­n, schnell und voller Motivation. Und was macht Hecking? Er zählt Borussia und Schalke „zum engeren Kreis der Titelkandi­daten“.

Am Mittwoch steht das Viertelfin­ale im DFB-Pokal beim Hamburger SV an. So sehr über Auswärtssp­iele haben sie sich in Gladbach ewig nicht gefreut. Vier Pflichtspi­elsiege auf fremdem Platz in Folge schaffte Borussia zum ersten Mal seit 1995. Die Liste der seltenen Errungensc­haften in Florenz war so lang, dass hier nur ein Auszug genannt sei: zum ersten Mal im Europapoka­l ein 0:2 gedreht, zum ersten Mal nach einer Heimnieder­lage im Hinspiel weitergeko­mmen, erstmals seit 1979 in Italien gewonnen. Warum also nicht von Erfolgen träumen, die es zuletzt 1995 (Sieg im DFB-Pokal) und 1979 (Sieg im UefaCup) gab?

Morgen in Ingolstadt gibt es das nächste K.o.-Spiel. Es geht darum, vom Mittelfeld der Tabelle in den erweiterte­n Kampf ums internatio­nale Geschäft einzuziehe­n – auch wenn Europa manchmal in Gelsenkirc­hen liegt.

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FOTO: DPA Feierbiest­er: Borussias Sieger von Florenz (mit dem dreifachen Torschütze­n Lars Stindl als viertem von rechts) jubeln mit den mitgereist­en Fans.

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