Sehnsucht nach Olympia in den Alpen
noch: Turin 2006 war das einzige Mal seit 1992, dass die Alpen Olympia-Gastgeber waren, und es wird bis mindestens 2026 so bleiben. Zum Leidwesen hiesiger Athleten und vieler Sportfans. „Natürlich wäre es schön gewesen, selbst auch mal Olympische Spiele in einem europäischen Wintersportort mit großer Tradition zu bestreiten, aber das wird mir wohl nicht vergönnt sein“, sagt so zum Beispiel der frisch gebackene Weltmeister in der Nordischen Kombination, Johannes Rydzek. Stellt sich die Frage: Woher resultiert die olympische Abstinenz? Darauf gibt es zwei Antworten.
Zum einen waren zuletzt mit Sotschi/Russland (2014), Pyeongchang/Südkorea (2018) und Peking (2022) Städte als Bewerber erfolgreich, die den zunehmenden Gigantismus der Spiele mit ausufernden Milliardenkosten zu tragen fähig und auch bereit waren. Rund 35 Milliarden Euro sollen die Spiele in Sotschi gekostet haben – Rekord. Andere Bewerber waren zuletzt kaum noch zu finden, so setzte sich Peking einzig gegen das kasachische Almaty durch. Inzwischen versucht das IOC mit einer Agenda 2020 gegenzusteuern, aber zumindest in der Alpenregion hat der Größenwahn eins in jedem Fall erzeugt: Widerstand der Bürger. So scheiterten neben den genannten Bewerbungen mit Bern 2010, Graubünden 2022 und München 2022 drei Initiativen an Bürgerentscheiden. Großmannssucht, Korruptionsskandale, Umweltfrevel und die Frage nach der Nachhaltigkeit von Sportstät- ten-Neubauten machten aus möglichen Olympia-Gastgebern stattdessen mündige Heimatschützer.
Doch totzukriegen ist sie nicht, die Sehnsucht nach Olympia in den Alpen. Und so schicken sich wieder zwei Projekte an, den Status einer offiziellen Bewerbung zu erreichen: Sion im Wallis und Innsbruck in Tirol. Am 7. März entscheidet der Schweizerische Olympische Verband, ob er Sions Kandidatur ins Rennen schickt. Eine Volksabstimmung gibt es hier vorerst nicht. Einen anderen Bewerber gibt es nicht mehr, Mitte Februar stimmten 60 Prozent der Graubündner gegen die Aufnahme eines Millionenkredits, mit dem die dortige Kandidatur finanziert werden sollte.
Tirol gab eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die bis zum Frühsommer vorliegen soll. Der Fokus soll wie in Sion auf realistischen Kosten und vorhandenen Sportstätten liegen. Stützt die Studie das Vorhaben, wird auch in Tirol Volkes Stimme eingeholt. „Der Rückhalt in der Bevölkerung muss da sein. Deshalb ist es für uns nur logisch, dass wir die Bevölkerung zu diesem The- ma befragen werden“, stellten Tirols Landeshauptmann und Innsbrucks Bürgermeisterin unisono fest.
Die Chancen, Olympia 2026 mal wieder nach Europa zu holen, sind nicht die schlechtesten. Eben weil die Spiele lange nicht mehr dort waren. Und es müssen in Europa nicht zwangsläufig die Alpen sein. Stockholm behält sich nach einer positiv ausgefallenen Machbarkeitsstudie ebenfalls eine Bewerbung vor – eine erneute Bewerbung, denn für 2022 schob die Politik noch den Riegel vor die Finanzierung. Calgary (Kanada) und Sapporo (Japan) sind weitere Konkurrenten. 2019 werden die Spiele vergeben.
Sions und Tirols Hoffnungen wollen auf die Wintersport-Tradition der Alpen und einen transparenten Realismus bei den Olympiakosten bauen. Und eben auf diese Sehnsucht, wie sie Olympiasiegerin Katja Seizinger unlängst formulierte: „Die Verbundenheit der Alpennationen mit dem Wintersport könnte bestimmt den passenden Rahmen für schöne Spiele bieten, die nicht mit Superlativen und ,unvergessenen‘ Bauwerken auftrumpfen müssen.“