Die Diamanten von Nizza
Nach der Rückkehr ins Le Pharo eilten sie in den Pool und schwammen einige Runden, um die figürlichen Auswirkungen des Mittagessens im Rahmen zu halten; nach der zehnten Runde waren die köstlichen nur noch eine angenehme, aber ferne Erinnerung. Als sie sich neben dem Becken trocknen ließen, blickte Sam zum wolkenlosen blauen Himmel empor und stieß einen wohligen Seufzer aus.
„Ich sehe es dir an. Du liegst da und vermisst L. A.“, sagte Elena.
„Klar. Fünf Millionen Autos, Smog, wie kann man das nicht vermissen?“
„Glaubst du, wir könnten hier für immer leben?“„Was denkst du?“Bevor Elena antworten konnte, klingelte das Smartphone, das sie neben der Liege platziert hatte. Am Apparat war niemand anders als Ariane Duplessis, die Leiterin der
tapas
Fox-Niederlassung in Paris. Sie erkundigte sich formell nach Elenas Befinden, aber der Ton verriet, dass es ihr nicht um Smalltalk ging. Frank Knox hatte ihr inzwischen berichtet, dass Elena im Hause der Castellacis einen Bediensteten entdeckt hatte, der in den bisherigen Berichten noch gar nicht aufgetaucht war. Wie der denn heiße, ob man den Namen nicht mal von der Polizei gegenchecken lassen könne. Als Elena gestand, dass sie nur den Vornamen Jacques habe, wurde Madame Duplessis recht ungehalten. In spitzem Tonfall erkundigte sie sich, ob Elena eigentlich noch arbeite oder schon in den Ruhestand getreten sei, worauf die Beklagte ebenso spitz zurückgab, diesen Fall werde sie selbstredend zu Ende bringen, wie es mit dem Vorstand in L. A. abgesprochen sei. „Ich habe übermorgen ein weiteres Gespräch mit Castellaci und ihrem Sommelier, und natürlich werde ich Ihnen rechtzeitig davon Kunde geben“, sagte Elena und empfahl sich.
Bevor sie sich über diese Störung ihrer Idylle am Pool weiter aufregen konnte, hörte sie ein Pfeifen, das von der Terrasse hinter ihnen kam. Es war Reboul, der etwas in die Höhe hielt, was große Ähnlichkeit mit einer Flasche besaß. Sie schlüpften umgehend in ihre Bademäntel und gesellten sich zu ihm.
Er trug noch seinen Geschäftsanzug und sah ein wenig müde aus. Er hatte den Vormittag mit seinen Bankern und den Nachmittag mit den Lieferanten von Baumaterialien für ein Immobilienentwicklungsprojekt an der Peripherie von Marseille verbracht, das er finanzierte. Die Besprechung hatte sich hingezogen und war nicht gut verlaufen. „Ich lebe hier weiß Gott lange genug, um es inzwischen zu wissen, dass sämtliche Bauvorhaben zwischen Oktober und April durchgeführt werden sollten“, klagte er. „In diesem Jahr werden wir allein im Mai drei Natio-
rosé
nalfeiertage haben, die alle auf einen Donnerstag fallen. Natürlich nimmt sich jeder die Freitage als Brückentage frei, um ein schönes langes Wochenende zu genießen. Das sind also sechs verlorene Arbeitstage in einem Monat. Und im Juni gehen die Arbeiten schleppend voran, praktisch als Generalprobe für Juli und August, wenn sie völlig zum Stillstand kommen. Die Fabriken schließen, und wir können von Glück sagen, wenn die jetzt aufgegebenen Bestellungen bis Mitte September geliefert werden.“Er schüttelte den Kopf. „Und dabei klagen sie unentwegt, wie schlecht es der französischen Wirtschaft geht.“Er schenkte den Wein ein und hob sein Glas. „Ich hoffe also, dass euer Tag besser verlaufen ist als meiner.“
„Armer Francis“, sagte Elena. „Es fällt mir schwer, es einzugestehen, aber wir hatten einen wunderbaren Tag. Alles läuft wie am Schnürchen.“(Fortsetzung folgt)