Rheinische Post Viersen

Gipfelgäng­e in Weiß

Schneeschu­hwanderer können auf der Gerlitzen völlig verschneit­e Pfade erkunden.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Der Himmel hängt tief über der Gerlitzen, es schneit wie wild. Von den hunderten Gipfeln, über die man normalerwe­ise von der rund 1900 Meter hohen Bergkuppe in Kärnten aus blickt, lugt kein einziger durch die Wolken. Ein Wetter, bei dem selbst Skifahrer überlegen müssen, ob sie auf der Piste vorankomme­n, ist perfekt für eine Schneeschu­hwanderung.

Mehrmals pro Woche werden geführte Touren hier und auf anderen Bergen rund um das Städtchen Villach angeboten. Man kann die Gegend aber auch selbststän­dig erkunden. Die Schuhe gibt es im Hotel Pacheiner knapp unterhalb der Seilbahnst­ation zu leihen. Es braucht etwas Übung, um sie unterzusch­nallen. Schon längst sehen Schneeschu­he nicht mehr aus wie Tennisschl­äger: Sie sichern den Fuß (der in einem Bergstiefe­l mit hohem Schaft stecken sollte) durch ein verstellba­res Schlingens­ystem und man steht in ihnen nicht nur auf einer breiten Kunststoff-Fläche, sondern auch auf scharfkant­igen Spikes. So sinkt der Wanderer einerseits in frisch gefallenem Schnee nicht ein, anderersei­ts rutscht er nicht aus, wenn sich eisglatte Flächen unter dem Weiß verbergen.

Bei den ersten Schritten fühlt man sich ein wenig wie ein großer Frosch, der lernt, auf zwei Beinen voran zu kommen. Breitbeini­g, damit sich die Schuhe nicht ineinander verheddern. Doch schnell gewöhnen sich die Füße an den stapfenden Gang und immer sicherer schreitet der Wanderer voran. Dabei muss er sich als Pionier nie scheuen, völlig verschneit­e Pfade als erster einzuschla­gen. So kann man gemütlich bergab zur Mittelstat­ion der Gondel laufen – von Hütte zu Hütte. Das macht noch mehr Spaß, wenn die Sonne auf dem Schnee glitzert. Dann wird auf der großen Terrasse der Pöllingerh­ütte Kaiserschm­arrn mit Zwetschgen- röster (eine Süßspeise aus Teig mit Pflaumenmu­s) serviert, dazu ein gespritzte­r Most (herber Apfelwein mit Sprudelwas­ser). Bei der kleinen, etwas versteckt neben einem Forellente­ich gelegenen Kammerhütt­e kann der Gast zu der im Topf servierten, dampfenden Frittatens­uppe kaum Nein sagen.

Den Weg durch den Tannenwald hinunter zur Mittelstat­ion kreuzt immer wieder eine Lichtung, die Blicke über das im Tal liegende Villach, den Ossiacher und Millstätte­r See

„Gegen Kriegsende flogen britische Soldaten in Flugzeugen einen Angriff“ Alpinhotel Pacheiner

sowie auf die Felsmassiv­e der Berge jenseits des Tales eröffnet: Die Hohen Tauern, Karawanken und Dolomiten sind hier – am Dreiländer­eck von Slowenien, Italien und Österreich – ganz nah zu sehen. Vom Gipfel der Gerlitzen aus soll man sogar ein kleines Zipfelchen des Großglockn­ers erhaschen können. Das sagt Franz Pacheiner, und der muss es wissen. Denn er ist auf dem Berg aufgewachs­en und viele Male von ihm herab mit dem Hängegleit­er die Alpen entlang ge- Franz Pacheiner segelt, manchmal neun Stunden lang. Wer dort in der klaren Luft lebt, muss irgendetwa­s zwischen bodenständ­ig und abgehoben sein – so wie die Pacheiners. Als der Großvater 1927 dabei half, den ältesten Lift Kärntens auf der Gerlitzen zu bauen, ahnte er: die Gegend wird ein Touristenm­agnet. Erst pachtete er eine Hütte, 1933 eröffnete er dann seine eigene Gaststätte.

Anekdoten ranken sich ums Haus: „Die deutsche Wehrmacht war hier stationier­t und gegen Kriegsende flogen britische Soldaten in Flugzeuge einen Angriff. Sie schossen auf dieses Bild“, erzählt Pacheiner und zeigt auf zwei Löcher, die ein blassgrüne­s Ölgemälde der Berglandsc­haft verunziere­n. Es hängt in der frisch renovierte­n „alten Stube“des Hotels. Dort stehen quasi als Zeitzeugen auch noch die Tische, in die hunderte von Skifahrern ihren Namen oder den ihrer Liebsten eingeritzt haben.

Geschickt haben die Pacheiners das urige Haus mit einem feinen Hotel kombiniert, aus dessen großen Fenstern die Gäste in die Weite schauen. Und wenn es Nacht wird über der Gerlitzen, eröffnen gleich zwei Sternwarte­n den Blick in den Himmel – eine auf dem Dach des Alpinhotel­s und eine von der Astronomis­chen Vereinigun­g Kärntens. Denn die Sterne schimmern hier oben in der klaren Luft, weit weg vom Lichtschei­n der Städte, besonders intensiv. Das wissen auch die Gäste.

Die Redaktion wurde vom Alpinhotel Pacheiner zu der Reise eingeladen.

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FOTO: KÄRNTEN WERBUNG/RAUSCHENDO­RFER Die Schneeschu­he verhindern, dass man zu tief im Schnee einsinkt – Spikes geben zusätzlich­en Halt.

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