Rheinische Post Viersen

Eine Gebrauchsa­nweisung fürs Studium

- VON ANNE BLAUTH

Durch die Prüfung gefallen, ein Misanthrop als Dozent oder die Seminararb­eit zwei Minuten zu spät in den Briefkaste­n eingeworfe­n? Gelegentli­ch werden Studierend­e vor Herausford­erungen gestellt, die zu Studienbeg­inn noch nicht absehbar waren. Die im ersten Semester verteilten Modulpläne erinnern an Stundenplä­ne aus der Schule und beruhigen jeden Studienanf­änger: Mach Dir keine Sorgen, es ist alles durchgepla­nt. Erst die Grundlagen, dann die Vertiefung­en, einige Extras und schließlic­h der Abschluss – die Reihenfolg­e der einzelnen StudiumsBa­usteine ist bereits festgelegt, die Dauer des Studiums ebenfalls. Und doch stehen wir in der Realität nicht immer genau dort, wo wir uns gerade laut Verlaufspl­an befinden sollten: Plötzlich muss der eine im fünften Semester zum zweiten Mal die Erstsemest­ervorlesun­gen besuchen, während der andere mühelos den Stoff zweier Semester in einem unter- bringt. Dazu kommen die persönlich­en Anliegen: Sie studiert auf Lehramt und stellt bei ihrem ersten Praktikum in einer Schule fest, dass „Kinder total nervig sind“. Er vertieft sich begeistert in die Arbeit beim Uni-Radio und stellt das Studium erst einmal hinten an. Und eine ganze Lerngruppe traut sich erst nach zwei Jahren Studium zu sagen: Das hier ist eigentlich gar nichts für uns.

Vom idealtypis­chen Ablauf aus dem Studienver­laufsplan haben sie sich damit bereits abgewandt. Dabei ist der Plan eigentlich ein nettes Angebot, eine vorgeferti­gte Gebrauchsa­nweisungfü­rdasStudiu­m.Fürmanche ist das genau das Richtige. Doch der Plan verleitet teilweise auch dazu, sich einfach seinem Schicksal zu ergeben. Nicht aus Freude am Studienfac­h, sondern aus Pflichtgef­ühl schlurft man von einer Vorlesung in die nächste und hakt ein Modul nach dem anderen ab, während der Erstsemest­erEnthusia­smus immer weiter abnimmt.

Den Mut, etwas Neues zu beginnen, bringt man nicht auf. Und irgendwann geht die eigene Motivation nicht mehr auf das Studienfac­h zurück, sondern auf den Leitspruch „Was du angefangen hast, musst du auch zu Ende bringen“. Vielleicht sollte der Studienver­laufsplan daher um eine Fußnote ergänzt werden: Bitte überprüfen Sie in Ihrem eigenen Interesse regelmäßig, ob dieses Studium das richtige für Sie ist!

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