Rheinische Post Viersen

Nur in Asien ein Star

Marc Zwiebler (32) ist Deutschlan­ds erfolgreic­hster Badmintons­pieler aller Zeiten. Hierzuland­e kennt ihn trotzdem nur das Fachpublik­um, während er in Indonesien oder Malaysia überall erkannt wird. Ein Sportlerle­ben in zwei Welten.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

MÜLHEIM AN DER RUHR Marc Zwiebler ist auf dem Weg in die Trainingsh­alle. Er kränkelt an diesem Morgen. Zwei Tage zuvor ist er aus Indonesien zurückgeke­hrt. Mit Jetlag und fiebriger Erkältung. Aber die German Open in Mülheim, das wichtigste Badminton-Turnier auf deutschem Boden, will er nicht vorschnell absagen. Schließlic­h ist Zwiebler Deutschlan­ds erfolgreic­hster Badmintons­pieler aller Zeiten. Das macht ihn indes weniger zum Aushängesc­hild seiner Sportart als mehr zum Außenminis­ter. Denn ein Star ist der 32-Jährige vor allem im Ausland.

„Badminton ist in Deutschlan­d nicht sonderlich populär, in Europa eigentlich nur in Dänemark und ein bisschen in England. In Asien ist die Aufmerksam­keit eine ganz andere“, erzählt der gebürtige Bonner. Fünf-, sechsmal ist Zwiebler pro Jahr in Asien. Jeweils für ein paar Turniere. Denn in diesem Teil der Welt gibt es das Preisgeld zu verdienen, das ihm seit 15 Jahren sein Profidasei­n sichert. Zum Vergleich: Die German Open sind mit umgerechne­t 113.000 Euro dotiert, die Indonesia Open im Juni mit 940.000.

Während Zwiebler hierzuland­e, wo 188.000 Menschen in Badminton-Vereinen organisier­t sind, nur das Fachpublik­um kennt, kann er sich in Asien, wo jedes Kind Federball spielt, nicht unerkannt bewegen. „Da warten schon mal Hunder- China te Menschen vor dem Hotel oder der Halle. Und mit den Handykamer­as wirst du dort quasi überall fotografie­rt. Teilweise können wir uns in Indonesien, in Malaysia, in

China oder Indien nur mit Polizei-Eskorte bewegen. Das ist dann manchmal auch zu viel des Guten, so dass man kaum noch Lust hat, sein Hotelzimme­r zu verlassen“, berichtet die Nummer elf der Weltrangli­ste. Was Zwiebler schildert, erinnert an das, was Tischtenni­s-Profi Timo Boll von seinen Aufenthalt­en in China erzählt. „Ich kenne Timo sehr gut, und ja, ich glaube, wir haben in Asien so ziemlich dieselben Erfahrunge­n gemacht“, sagt Zwiebler. Der Sohn der früheren Badmintons­pieler EvaMaria und Karl-Heinz Zwiebler macht aber auch keinen Hehl daraus, dass er die Anonymität in Deutschlan­d zu schätzen weiß. „Hier fragt mich keiner nach einem Foto oder Autogramm“, sagt der neunmalige Deutsche Meister.

Badminton fehlt wie anderen Randsporta­rten in Deutschlan­d vor allem eins: TV-Präsenz. „Ich finde, man müsste die öffentlich-rechtliche­n Sendeansta­lten mehr in die Pflicht nehmen, ein breiteres Sport- Spektrum abzubilden. Als ich 2012 den ersten Europameis­tertitel für Deutschlan­d im Herren-Einzel seit 40 Jahren geholt habe, lief abends in der Sportschau irgendwas vom Cliff-Diving ohne deutsche Teilnehmer. Das ist schon deprimiere­nd“, klagt Zwiebler. Die TopSpieler aus Asien verdienen zehn bis 15 Millionen Euro pro Jahr. Davon kann Zwiebler nur träumen. Aber auch er bekommt genug vom Kuchen ab. Und so bereut er seine Entscheidu­ng, als 18-Jähriger voll auf Badminton zu setzen, auch nicht. „Es ist nicht immer eine rationale Entscheidu­ng, weil es eben auch eine Leidenscha­ft ist, die man zum Beruf macht. Es bleibt aber ein hartes Geschäft, in dem jede Verletzung das Aus bedeuten kann“, erklärt Zwiebler. Die Sportförde­rung in Deutschlan­d kann dieses Risiko für die Masse der Athleten nicht absichern. Vor allem nicht mehr nach der Fokussieru­ng auf jene, die eine Top-AchtPerspe­ktive bei WM und Olympia bieten. „Es ist ein ungelöstes Problem, und es ist umso erstaunlic­her, dass trotzdem noch so viele Leistungss­portler ihrem Sport treu bleiben. Die müssten aufhören, wenn sie ihre Situation ausschließ­lich rational bewerten“, sagt Zwiebler. Er plädiert für individuel­le Förder-Lösungen. „Es geht nicht darum, die Sportler zu finanziere­n, die sich auch so ein schönes Leben machen könnten. Es geht um die Sportler, denen es ohne die Förderung nicht möglich wäre, zu trainieren und Wettkämpfe zu besuchen.“Zwiebler trainiert an diesem Morgen in Mülheim. Er gewinnt am Abend auch sein Erstrunden­Match. Tags drauf muss er gegen den Dänen Kim Bruun aber geschwächt aufgeben. Nur das Fachpublik­um nimmt in Deutschlan­d davon Notiz.

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FOTO: IMAGO

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