Polen provoziert Eklat beim EU-Gipfel
Donald Tusk bekommt eine zweite Amtszeit als EU-Ratspräsident. Seinem Heimatland missfällt das.
BRÜSSEL So etwas hat es bei einem EU-Gipfel noch nicht gegeben: Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo legte es schon zu Beginn auf einen Eklat an. Beim Hineingehen in das neue Brüsseler Ratsgebäude machte sie ihre Kampfansage: „Nichts ohne unsere Zustimmung“, forderte sie mit unbewegter Miene auf dem roten Teppich. Damit war klar: Die polnische Regierung versucht alles, um die Wiederwahl des Polen Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten zu verhindern, die als erster Tagesordnungspunkt auf dem Programm steht. Szydlo warb dann noch einmal für ihren Kandidaten, Jacek Saryusz-Wolski, einen langjährigen EU-Parlamentarier, der allerdings nur unter Experten bekannt ist. Der Mann hatte aber ohnehin keine Chance, weil für das wichtige Amt an der Spitze des Rates nur ein ehemaliger Staats- und Regierungschef infrage kommt. Szydlo setzte dann noch einen drauf: Sie sagte, sie könne es nicht verstehen, dass „Gewalt“der Vorrang vor Recht gegeben werde. Gewalt?
Schützenhilfe hatte ihr zuvor der polnische Außenminister gegeben. Daheim in Polen hatte Witold Waszczykowski gedroht, Polen könne den Gipfel platzen lassen.
Die polnische Regierung ist in der Sache jedoch isoliert. Nahezu alle großen Länder stützen Tusk. Da für seine Wiederwahl nicht Einstimmigkeit erforderlich ist, galt Tusks Wahl von Anfang an als ungefährdet. Und so wurde er gestern im Amt bestätigt. Polen reagierte prompt und kündigte an, alle weiteren Schlussfolgerungen des EU-Gipfels zu blockieren. Hintergrund des kopflosen Vorgehens der polnischen Regierung ist, dass die regierende nationalkonservative PiS-Partei mit Tusk verfeindet ist. Regelrecht verhasst ist Tusk beim Chef der PiS, Jaroslaw Kaczynski. Der fromme Politiker glaubt, dass Tusk als Ministerpräsident Polens (2007–2014) hinter dem Flugzeugabsturz steckt, bei dem sein Zwillingsbruder Lech 2010 umkam.