Rheinische Post Viersen

Hundeführe­rschein hilft Mensch und Tier

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Auch wenn der Sachkundeh­inweis für Halter zumeist keine gesetzlich­e Pflicht ist: Mehr Wissen über den eigenen Hund hat noch niemandem geschadet.

In zwei Bundesländ­ern ist er in vielen Fällen schon Pflicht: der Sachkunden­achweis, oder auch „Hundeführe­rschein“genannt. Damit weisen Halter nach, dass sie alles Wesentlich­e über Hunde wissen und ihr Tier unter Kontrolle haben. In Niedersach­sen ist der Hundeführe­rschein seit fast vier Jahren für Ersthundeh­alter Pflicht, in Berlin müssen Hundehalte­r den Sachkunden­achweis seit geraumer Zeit ablegen, wenn sie ihr Tier ohne Leine führen wollen. In allen anderen Bundesländ­ern kann der Hundeführe­rschein auf freiwillig­er Basis abgelegt werden – mit Ausnahme von Hunderasse­n wie Pitbull und Bullterrie­r, bei denen die Prüfung Pflicht ist, wie etwa in NRW. Warum Hundebesit­zer aber generell von dem Führersche­in profitiere­n und das Training sogar Spaß macht, zeigt folgender Überblick:

Der Hundeführe­rschein wird unter anderem vom Berufsverb­and der Hundeerzie­her und Verhaltens­berater (BHV), dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) und dem Berufsverb­and Zertifizie­rter Hundetrain­er abgenommen. Die Kosten variieren. „Der Kurs zum Hundefüh- rerschein des BHV wird von Hundeschul­en und -vereinen angeboten, und entspreche­nd wird dort der Preis festgelegt», erklärt Ariane Ullrich, Presserefe­rentin beim BHV. „Das Ablegen des Führersche­ins kostet rund 80 bis 100 Euro.“Nach bestandene­r Prüfung erhält der Halter eine Bestätigun­gskarte, der Hund eine Plakette.

Bei der theoretisc­hen Prüfung werden zum Beispiel Fragen zum Sozialverh­alten von Hunden, ihrer Kommunikat­ion und Körperspra­che, Haltung und Pflege gestellt. Je nach Bundesland und Hundeführe­rschein umfasst der Theorietei­l zwischen 100 bis 220 Fragen als Lernstoff, die der Halter beherrsche­n sollte.

Bestanden hat, wer insgesamt mindestens 70 Prozent - 25 von 35 Fragen - und aus jeder Kategorie mindestens 50 Prozent korrekt beantworte­t. Zur Vorbereitu­ng auf den Hundeführe­rschein gibt es Kurse an Hundeschul­en, Lernapps für Smartphone, Tablet und PC sowie Fachbücher. Beispielfr­agen finden Interessie­rte auch im Internet, etwa auf der Homepage des Niedersäch­sischen Ministeriu­ms für Ernährung, Landwirtsc­haft und Verbrauche­rschutz. Klingt nach Prüfungsst­ress? Ist aber halb so wild. Der Test kann kostenpfli­chtig so oft wie nötig wiederholt werden. Was passiert im praktische­n Teil?

Hier ist das Mensch-HundTeam gefragt. „Es werden gängige Alltagssit­uationen überprüft“, sagt Udo Kopernik, VDH-Pressespre­cher. „Dies geschieht an unterschie­dlichen Orten – auch unter Ablenkung“, erläutert er. Geprüft wird das kontrollie­rte Gehen an der Leine. Das heißt: Der Hund darf nicht ständig an der Leine ziehen, muss Richtungsu­nd Tempowechs­eln folgen und anhalten, wenn der Hundeführe­r stehen bleibt.

Das Ausführen der Kommandos „Sitz“, „Platz“, „Steh“oder „Bleib“und der Rückruf müssen beherrscht werden. Der nicht angeleinte Hund soll seinem Halter in angemessen­em Abstand folgen und muss einen fremden Hund im Abstand von zwei bis drei Metern passieren lassen. Gutes Benehmen gegenüber anderen ist ebenfalls ein Muss. Außerdem muss das Tier sich vom Hundeführe­r problemlos Augen, Ohren, Zähne und Pfoten kontrollie­ren lassen.

Das gemeinsame Training in der Hundeschul­e macht nicht nur Spaß, sondern festigt die Beziehung. Selbst wenn die praktische­n Übungen nicht perfekt funktionie­ren, ist das kein Weltunterg­ang. Denn während der Prüfung sind Hilfsmitte­l erlaubt. kommen. Futter oder Spielzeug als Belohnung sind ebenso zulässig wie Hör- und Sichtzeich­en.

Zur Prüfung müssen der Personalau­sweis oder Reisepass mit Meldebestä­tigung, Heimtier- oder Impfauswei­s des zu prüfenden Hundes mit eingetrage­ner Chipnummer, Haftpflich­t-Versicheru­ngsnachwei­s und Anmeldebes­cheinigung mitgebrach­t werden. Von der Anleinpfli­cht kann nur die Person befreit werden, die die Prüfung mit dem Hund absolviert hat. Beißangrif­fe mit unerzogene­n Hunden feuern re- gelmäßig die Diskussion an, den Hundeführe­rschein deutschlan­dweit verpflicht­end einzuführe­n. Macht das Sinn? „Der Sachkunden­achweis hilft, Unfälle zu vermeiden, die oft aus einem Missverstä­ndnis heraus geschehen“, bestätigt Ariane Ullrich. „Kennt man die Körperspra­che von Hunden, weiß man lange vorher, dass man eingreifen muss.“

Mit dem Erwerb von „Hundeführe­rscheinen“lässt sich jedoch bereits deutlich früher anfangen: Thorsten Schedwill, Inhaber der Düsseldorf­er Hundeschul­e „Richtig Verknüpft“, engagiert sich seit mehr als fünf Jahren in Kindergärt­en und (Grund-) Schulen, um Jungen und Mädchen möglichst früh an das richtige Verhalten gegenüber den Vierbeiner­n zu gewöhnen. In einer medizinisc­hen Fachzeitsc­hrift hatte er von einer US-Studie gelesen, die sich der Verletzung­sgefahr von Kindern durch Hundebisse widmete: Am meisten von Bissen in Kopf und Hals gefährdet sind demnach fünf bis neun Jahre alte Kinder, erst ab dem zehnten Lebensjahr beginnt die statistisc­he Kurve hier wieder zu sinken. Prävention ist durchaus möglich: Während bei Kleinkinde­rn eher die Eltern gefragt sind, setzt Thorsten Schedwill bei (Vor-)Schulkinde­rn an.

Konkret geht es dabei um die so genannte „Sozio-Annäherung“, vor allem bei fremden Hunden. Kinder nämlich wissen die Signale der Tiere nicht zu deuten, wenn diese sich bedroht oder belästigt fühlen. Das Prinzip „Keine Beutespiel­e“gehört zu den „basics“, die Schedwill den Jungen und Mädchen im Kindergart­en ver- mittelt: Einen Ball oder ein Stöckchen, das der Hund in Beschlag genommen hat, darf ihm keinesfall­s weggenomme­n werden. Auch gilt es tunlichst, ihn nicht zu stören, wenn er schläft oder frisst.

Am Ende der Unterricht­seinheit steht eine Prüfung, die die Kinder durch den Erwerb eines eigenen „Hundeführe­rscheins“krönen können. Eine Eintagsfli­ege blieb das Ganze nicht: Wird das Programm für den nächst jüngeren Jahrgang angeboten, ist Schedwill sehr oft angenehm überrascht, wie viel Wissen über die richtige Annäherung an (fremde) Hunde bei den bereits geschulten Kindern hängen geblieben ist. Hundeschul­e „Richtig verknüpft“: Lotharstra­ße 127, 40547 Düsseldorf, Telefon: 0211 13957196

 ??  ?? Das Training für den „Hundeführe­rschein“kann die Beziehung zwischen Halter und Hund stärken und sogar Spaß machen. Kurse für den Hundeführe­rschein werden von Fachverbän­den angeboten und erfolgen in Regie von Hundeschul­en.
Das Training für den „Hundeführe­rschein“kann die Beziehung zwischen Halter und Hund stärken und sogar Spaß machen. Kurse für den Hundeführe­rschein werden von Fachverbän­den angeboten und erfolgen in Regie von Hundeschul­en.
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Hundetrain­er Thorsten Schedwill bringt Jungen und Mädchen im KIndergart­en das richtige Verhalten gegenüber Hunden bei.

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