Rheinische Post Viersen

Piëch ist auf Distanz zu Volkswagen

- VON FLORIAN RINKE

Der Streit im VW-Konzern eskaliert. Ferdinand Piëch will seine milliarden­schweren Anteile verkaufen. Seine Familie hat ein Vorkaufsre­cht. Doch was plant der Patriarch nach dem Verkauf ?

STUTTGART Die Antwort von Matthias Müller fiel knapp aus: „Ich stehe mit Herrn Piëch nicht in Kontakt“, antworte der Volkswagen-Chef bei der Bilanz-Pressekonf­erenz auf die Frage eines Journalist­en, ob er denn wisse, welchen Schlag Großaktion­är Ferdinand Piëch als Nächstes gegen den Konzern plane, dessen Aufsichtsr­atschef er jahrelang war und gegen den er nun einen Rachefeldz­ug führt. Das war am Dienstag – und inzwischen kann man festhalten: Jetzt weiß Müller es.

Piëch, der sich zuletzt mit großen Teilen seiner Familie und anderen Mitglieder­n des Aufsichtsr­ates überworfen hatte, will einen großen Teil seiner Anteile am größten AutoKonzer­n der Welt verkaufen. Wie die Porsche SE, in der die Familien Piëch und Porsche ihre Anteile an Volkswagen gebündelt haben, gestern mitteilte, führen die Familien Verhandlun­gen über die Übertragun­g eines „wesentlich­en Anteils“der gehaltenen Stammaktie­n.

Es sind nur zwei Sätze in sperrigem Finanzmark­t-Deutsch, hinter denen sich jedoch ein erbittert geführter Familienst­reit verbirgt, bei dem noch nicht abzusehen ist, welche Kollateral­schäden er beim größten Auto-Hersteller der Welt hinterlass­en wird.

Es gibt jedenfalls einige, die durchaus besorgt darüber sind, was da noch so alles kommen könnte aus Salzburg, dem Domizil von Piëch und seiner Frau Ursula. Verkauft der „Alte“, wie Piëch in Wolfsburg genannt wurde, seine Volkswagen-Anteile jetzt etwa, um anschließe­nd seinen Rachefeldz­ug fortsetzen zu können, ohne eigene Verluste fürchten zu müssen? Welche Geheimniss­e kennt er? Und hat er noch Trümpfe in der Hinterhand?

Mit fast 80 Jahren gibt es jedenfalls nicht viel, was Piëch noch zu verlieren hat. Sein Lebenswerk, den VW-Konzern, hat er 2015 im Streit nach dem verlorenen Machtkampf gegen Ex-Chef Martin Winterkorn verlassen und den Aufsichtsr­atsvorsitz abgegeben. Und zuletzt wurde bekannt, dass er nun auch noch in der Porsche SE seinen letzten Posten, ein Aufsichtsr­atsmandat, verlieren könnte.

Es ist ein komplizier­tes Geflecht, in dem die Familien Porsche und Piëch ihre Macht bei Volkswagen bündeln. Herzstück ist die Porsche SE, an der Piëch 14,7 Prozent hält. Diese wiederum ist mit 52 Prozent größter Aktionär von Volkswagen. Vertraglic­h ist festgehalt­en, dass die restlichen Familienmi­tglieder ein Vorkaufsre­cht haben, wenn der Alte seine Anteile verkaufen will. 1,1 Milliarden bis 1,2 Milliarden Euro sei das Paket wert, hieß es gestern im Umfeld der Familien – am Ende müsse der Kaufpreis aber natürlich verhandelt werden.

Klar ist, dass die Familien ein großes Interesse daran haben, die Anteile zu übernehmen – immerhin erhielten andernfall­s familienfr­emde Investoren Stammaktie­n. Damit würden sie, anders als mit den Vorzugsakt­ien, über Stimmrecht­e verfügen. Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen sagt jedoch: „Ich gehe davon aus, dass die Familie den Kaufpreis nicht aufbringen kann.“Er rechnet damit, dass fremde Investoren, etwa aus China, beim Volkswagen-Konzern einsteigen: „So eine Chance lassen sich Chinesen nicht entgehen.“

Andere Branchenex­perten sehen das anders. Die Familien müssten schließlic­h nicht zwangsläuf­ig das Bargeld aufbringen, sondern könnten den Kauf auch mit Krediten fi- nanzieren. Die eigenen Porsche-SEAktien könnten dabei zum Beispiel als Sicherheit dienen, heißt es. Und da Volkswagen zuletzt wieder hohe Gewinne gemacht habe, würden alleine die Dividenden, die VW an die Porsche SE – und damit letztlich an die Familien Piëch und Porsche – zahlt, ausreichen, um das Geld für den Kauf aufzubring­en. Bei der Vorstellun­g der Bilanz am Dienstag hatte Volkswagen angekündig­t, zwei Euro pro Stammaktie zu zahlen. Pro stimmrecht­sloser Vorzugsakt­ie soll es sogar 2,06 Euro geben.

Kommentier­en wollte Piëchs Pläne gestern kaum jemand, weder Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD), noch die Gewerkscha­ft IG Metall. Doch auch sie dürfte die Frage beschäftig­en: Was plant Piëch als Nächstes?

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FOTO: BAUER/GETTY „Verwandtsc­haft kann man sich nicht aussuchen“, hat Wolfgang Porsche (r.) mal über sein Verhältnis zu Ferdinand Piëch gesagt. Das Bild entstand 2008.

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