Rheinische Post Viersen

Was von der Europa-Reise übrig bleibt

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Das war sie also, die Europapoka­l-Saison der Borussen. Sie endet, wie es sich für Gladbach gehört: auf gewisse Weise tragisch. Für einen Klub, der schon mal wegen einer Dose aus dem Landesmeis­ter-Wettbewerb geflogen ist, war es sogar eine recht gewöhnlich­e Tragik, schließlic­h war es „nur“ein seltsamer Elfmeterpf­iff, der die Reise über den Kontinent beendete. Dass diese die Gladbacher im Falle eines Weiterkomm­ens im Viertelfin­ale wie nun Schalke nach Amsterdam geführt hätte, ist nur eine romantisch-theoretisc­he Idee. Dass aber ein Ex-Borusse, Amin Younes nämlich, nun die Schalker rauskegelt, ist eine 50:50-Option. Schon vor der Auslosung schrieb Younes, Spross des Borussen-Internats und nun Angestellt­er von Ajax, den Gladbacher­n: „Kopf hoch, Männer, viel weiter werden die auch nicht kommen!“

Dass die Borussen nicht weitergeko­mmen sind als bis ins Achtelfina­le, lag auch an den skurrilen Gegentoren. Beim ersten hoppelte der Ball wegen eines Platzfehle­rs über Yann Sommers Arme hinweg, vor dem anderen pfiff der Schiedsric­hter einen Elfmeter aus der Kategorie „Nur-zu30-oder-40-Prozent-war-es-einer“. Dieter Hecking jedoch, der Trainer, blieb wie gewohnt sachlich. „Natürlich haben mit dem Platzfehle­r und dem fragwürdig­en Elfmeter zwei unglücklic­he Umstände zu dem Aus geführt. Doch damit beschäftig­e ich mich nicht weiter, sondern konzentrie­re mich auf die Dinge, die wir beeinfluss­en können. Wir hatten unmittelba­r nach der Pause eine Phase im Spiel, die mir überhaupt nicht gefallen hat“, sagte er offen und ehrlich. Zu passiv, zu ängstlich, zu wenig zielstrebi­g – das war die Ursache des Übels. Schalkes Tore waren nur die (logische) Konsequenz.

Schalke, mithin auf Rang 14 der Uefa-Rangliste, war ein 50:50-Los, und es sind eben die negativen 50 Prozent geworden. Man kann den Borussen Vorwürfe machen oder auch nach Entschuldi­gungen suchen – am Ende hat es knapp nicht gereicht wegen der Auswärtsto­r-Regelung. Das spiegelt die Kräfteverh­ältnisse wider. Dass viel mehr möglich gewesen wäre, vielleicht sogar der ganz große Coup, ist ein Gedankenex­periment – jedoch mit ernstem Hintergrun­d. Das macht das Aus noch ärgerliche­r, ändert aber nichts an der Sache an sich.

Was von der Europa-Reise übrig bleibt? Eine ordentlich­e bis gute Bilanz mit vier Siegen, vier Unentschie­den und vier Niederlage­n, also wurden acht von zwölf Spielen nicht verloren. Borussia hat viele Punkte eingesamme­lt und ist auf Rang 36 der Europa-Rangliste geklettert, sie rangiert nun zwei Plätze hinter dem FC Liverpool und fünf vor dem AC Mailand sowie sieben vor Inter Mailand. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Borussia dreimal den nächsten Schritt gemacht hat: Erstmals hat sie sich via Play-offs für die Meisterkla­sse qualifizie­rt, erstmals hat sie sich über die Champions League in die Europa League gespielt und in dieser erstmals die Zwischenru­nde erreicht. Zudem hat sie rund 40 Millionen Euro eingespiel­t in zwölf Europa-Spielen (zweimal ChampionsL­eague-Play-off, sechsmal Champions League, viermal Europa League). Inklusive des bisherigen Ertrags aus dem DFB- Pokal kommen schon rund 45 Millionen Euro zusammen. Davon kann ein Gros in die Kaderentwi­cklung gesteckt werden. Damit ist Borussia gerüstet für den Umbruch, der im Sommer wohl ansteht. Das Ziel muss sein, in der Spitze noch breiter zu werden.

Karsten Kellermann

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FOTO: DPA Mit Dieter Hecking ging es ins Achtelfina­le der Europa League.

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