Rheinische Post Viersen

Ex-HRE-Chef: Ackermann hat Mitschuld

Georg Funke hat am zweiten Tag des Strafproze­sses nach Bundesfina­nzminister Peer Steinbrück auch die Deutsche Bank und ihren ehemaligen Chef Josef Ackermann sowie die Finanzaufs­icht Bafin attackiert.

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MÜNCHEN (gw/dpa) Im Strafproze­ss um den Kollaps der Hypo Real Estate (HRE) vor achteinhal­b Jahren hat der angeklagte frühere Vorstandsc­hef Georg Funke sich selbst zum Ankläger gemacht. Der ehemalige Bankier beschuldig­te vor dem Münchner Landgerich­t in einem vierstündi­gen Auftritt nach dem damaligen Bundesfina­nzminister Peer Steinbrück auch die Deutsche Bank und deren früheren Vorstandsc­hef Josef Ackermann sowie die Finanzaufs­icht Bafin. Funke ist wegen Bilanzfäls­chung angeklagt. Ihm drohen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Der Ex-Banker dagegen will einen Freispruch erkämpfen. Seine Behauptung: „Die HRE ist von außen zerstört worden.“Nach Funkes Darstellun­g wurde der teuerste Schadenfal­l der Finanzkris­e in Deutschlan­d nicht durch Geldproble­me der Bank ausgelöst, sondern erst durch die Rettungsak­tion Ende September 2008: „Von einem Notfall konnte keine Rede sein.“Der Bund war zwischen 2008 und 2010 mit fast zehn Milliarden Euro an Finanzhilf­en und weiteren 124 Milliarden Euro an Bürgschaft­en eingesprun­gen. Funke wurde gefeuert, die Bankengrup­pe 2009 verstaatli­cht und später zerschlage­n. Zum Buhmann wurde Funke insbesonde­re, weil er nach dem Kollaps noch Gehaltsund Pensionsna­chzahlunge­n in Millionenh­öhe forderte.

Die Hauptveran­twortung für das Desaster schiebt der Angeklagte der Deutschen Bank und ihrem damaligen Chef Ackermann zu, die falsche Informatio­nen über die Lage der HRE verbreitet hätten: „In einem Mandatsver­hältnis denunziert die Deutsche Bank die HRE und zerstört jegliches Vertrauen in das Management beziehungs­weise die Kreditwürd­igkeit der HRE-Gruppe“, sagte Funke, „ein aus meiner Sicht ungeheuerl­icher Vorgang.“Weder die Deutsche Bank, noch ein Sprecher Ackermanns wollten die Vorwürfe Funkes kommentier­en.

Mitte September 2008 war die USInvestme­ntbank Lehman Brothers kollabiert, Folge war eine weltweite Kreditklem­me im Geschäft der Banken untereinan­der. Nach Funkes Angaben hatte die HRE zwar ausreichen­de Liquidität­sreserven, um die folgenden Wochen zu überstehen. Doch „rein vorsorglic­h“habe er bei Ackermann am 23. September 2008 eine Kreditlini­e von 15 Milliarden Euro angefragt.

Dann sei die HRE innerhalb weniger Tage ohne eigenes Zutun untergegan­gen. Ackermann habe bei einem vertraulic­hen Gespräch im Bundesfina­nzminister­ium am 25. September 2008 den Geldbedarf der HRE plötzlich auf 35 Milliarden Euro beziffert, sagte Funke. Die Bafin habe anschließe­nd vertraulic­h alle deutschen Banken nach ihrem Geschäftsr­isiko mit der HRE abgefragt, Bundesfina­nzminister­ium sowie Steinbrück wenige Tage später von der „Abwicklung“gesprochen. Deshalb habe die Ratingagen­tur Standard & Poor’s am 29. September die Kreditwürd­igkeit herabgestu­ft. Funke: „Das war das Ende der HRE.“Ab da habe die Gruppe von keiner Bank noch Geld bekommen.

Das Problem in Funkes Argumentat­ion: Das Vertrauen der Investoren in die HRE war offenbar schon vor der Rettungsak­tion und deren Zustandeko­mmen nachhaltig zerstört. Der Liquidität­s-Katastroph­enplan, den die KPMG-Wirtschaft­sprüfer schon im März 2008 gefordert hatten, der zwischenze­itliche Absturz des Hypo-Real-EstateAkti­enkurses um 35 Prozent an einem Tag (größter Tagesverlu­st eines Dax-Konzerns), die ständigen Hiobsbotsc­haften, die Funke im Jahresverl­auf 2008 verbreiten musste – all das nährt stets den Verdacht, dass der Manager schon viel früher von den Problemen der Bank gewusst hat, als er bislang zugegeben hat. Und darum geht es im Prozess.

Funke hat gestern auch die Staatsanwa­ltschaft attackiert und ihr „entweder tiefes Unverständ­nis oder bewusste Irreführun­g“vorgeworfe­n. Staatsanwä­ltin Hildegard Bäumler-Hösl wies das zurück.

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