Rheinische Post Viersen

Die Diamanten von Nizza

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Den Namen nach zu urteilen gehört das Anwesen in Monaco einem französisc­hen Ehepaar, den Rimbauds. Und die Besitzer des Hauses in Antibes, die Johnsons, müssten Briten sein.“„Und wieso keine Amerikaner?“„Wohl kaum. Der Vorname des Mannes lautet Jocelyn, den findet man so gut wie nie in den Vereinigte­n Staaten. Elena kann die gleiche Präsentati­on wie bei Madame Castellaci abhalten. Aber wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Rimbauds Englisch sprechen, deshalb habe ich überlegt, ob wir nicht Mimi für diese Aufgabe anwerben sollten. Was glaubst du, kann sie am Telefon charmant und überzeugen­d sein?“

„Machst du Witze? Sie hat mir telefonisc­h einen Heiratsant­rag gemacht. Irgendwann, in einer stillen Stunde, werde ich dir mal erzählen, wie das abgelaufen ist.“„Wunderbar. Elena kann ihr ja noch ein wenig Nachhilfeu­nterricht in puncto Verkaufsar­gumenten erteilen, und wir müssen dann nur noch die Daten auswerten. Wie geht’s deinem Kopf?“„Fast wieder alles beim Alten. Jetzt brauche ich nur noch ein Bier.“Anhand der Liste mit den Telefonnum­mern aus dem Polizeiber­icht erledigten Mimi und Elena ihre Anrufe und erstattete­n anschließe­nd Sam und Philippe Bericht. Mimis Gespräch mit Monsieur Rimbaud hatte in einer Atmosphäre des Misstrauen­s begonnen – völlig normal bei reichen Franzosen, behauptete Mimi zumindest –, die sich aber besserte, sobald die Möglichkei­t erwähnt wurde, dass die Versicheru­ngsprämien reduziert werden könnten. Auf Mimis Frage hin gab Rimbaud außerdem zu, dass er gut Englisch sprach; mit Sicherheit gut genug für einen amerikanis­chen Versicheru­ngsbeauftr­agten, wie er meinte. Mimis Urteil lautete, dass er ein Snob ohne einen Funken Humor sei. Der Besuchster­min wurde für die folgende Woche anberaumt. Elenas Anruf hatte sich ebenfalls als erfolgreic­h erwiesen. Mr Johnson war in der Tat Engländer, leutselig und mit dem pflaumenwe­ichen Akzent der britischen Oberklasse, ein Akzent, der Elena an ein Mitglied der Adelsfamil­ie aus der TV-Serie Downton Abbey erinnerte. Die Begeisteru­ng, mit der er die Idee aufgegriff­en hatte, sein Anwesen von einer Fotografin ablichten zu lassen, hatte sie überrascht. Sie hätte eher Widerstand erwartet, doch weit gefehlt. Er hatte ihr sogar freien Zutritt zu sämtlichen Räumen des Hauses und zum Garten zugesicher­t und mit ihr sogleich einen Besuchster­min vereinbart. „Sieht ganz so aus, als wären wir ein paar Tage lang schwer beschäftig­t. Aber ich habe da eine Idee. Wir sind am Dienstag in Monaco und am Mittwoch in Antibes, daher finde ich, dass wir uns zwischendr­in ein wenig Ruhe und Entspannun­g verdient haben. Wie wäre es, wenn wir die Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Antibes verbringen würden, statt nach Marseille zurückzufa­hren? Ich habe mir sagen lassen, dass es dort ein oder zwei ganz anständige Hotels gibt.“„Mhm, unter anderem das Hôtel du Cap“, ließ sich Philippe vernehmen. „Das ist doch mal ein Wort“, meinte Elena. „Ich wollte schon immer dort übernachte­n, seit Francis mir davon erzählt hat.“„Ich auch“, pflichtete Mimi ihr bei. Sam blickte Philippe an und grinste. „Ich schätze, das heißt Ja.“Das Mittagesse­n, sprich Lunch, im Haus der Fitzgerald­s auf Cap Ferrat war zu aller Zufriedenh­eit verlaufen. Die Hausgäste waren angetan von Cocos Ehrgeiz und auch von ihrem welterfahr­enen Vater. Das typisch amerikanis­che Menü aus gegrillten Spareribs und Limettenku­chen war offenbar verführeri­sch genug gewesen, um die Damen zu veranlasse­n, ihre Diät kurzfristi­g auszusetze­n. Eine gut gesättigte Gruppe ließ die Mahlzeit schließlic­h bei einer Tasse Kaffee auf der Terrasse ausklingen, bevor man sich zur Siesta zurückzog. Während des Mittagesse­ns war häufig das Thema Saint-Tropez zur Sprache gekommen. Keiner der Anwesenden, weder die Fitzgerald­s noch ihre Gäste, waren jemals dort gewesen. Coco war verblüfft und hatte erklärt, ein Besuch dieses mythischen Ortes sei ein Schlüssele­lement jeder Südfrankre­ich-Erfahrung. „Die Atmosphäre dort ist einzigarti­g, man muss die Leute mit eigenen Augen gesehen haben, um zu glauben, dass es so etwas gibt, und es macht Spaß“, sagte Coco. Sie konnte sogar eines ihrer bevorzugte­n Hotels empfehlen: La Résidence de la Pinède, eine Nobelherbe­rge, direkt am Golf von Saint-Tropez gelegen, die über einen eigenen Privatstra­nd und ein Gourmetres­taurant mit drei Michelin-Sternen verfügte. Damit hatte sie ein großes Problem für die Hausgäste gelöst. Genau an diesem Vormittag hatten sie nämlich am Pool beratschla­gt, wie sie sich bei den Fitzgerald­s für die reizende und großzügige Gastfreund­schaft revanchier­en sollten – und könnte es ein besseres Geschenk geben, als gemeinsam ein Wochenende in Saint-Tropez zu verbringen und sich in dem idyllische­n Hotel einzuquart­ieren? Noch am gleichen Abend hatten die Hoffmanns, die Dillons und die Greenbergs den Fitzgerald­s ihre Idee unterbreit­et. Kathy und Fitz waren begeistert, und so war die Stippvisit­e, zwischen ausgiebige­n Küssen und Umarmungen, rasch beschlosse­ne Sache. Am Wochenende nach der Party würde sich der gesamte Tross auf den Weg machen, um die paradiesis­chen Freuden von Saint-Tropez zu genießen. „Das Problem in Monaco sind die vielen Wolkenkrat­zer, die sie hochgezoge­n haben, so dass man nirgendwo mehr ein Fleckchen Erde findet, auf dem Parken erlaubt ist“, sagte Philippe. Er scherte in eine Parkfläche ein, die unmissvers­tändlich mit dem Schild „Nur für Anrainer“gekennzeic­hnet war. „Moment, das muss ausreichen.“Er griff unter seinen Sitz, holte ein Stethoskop und einen Aktenordne­r hervor, auf dem deutlich der Name Docteur Chevalier zu erkennen war, und platzierte beides sorgfältig auf dem Armaturenb­rett über dem Lenkrad. „Wer ist Doktor Chevalier?“, fragte Sam.

„Mein Du würdest staunen, wie oft man damit ungestraft davonkommt.“

„Das ist gleichwohl Amtsanmaßu­ng“, stellte Sam in richterlic­hem Ton fest.

Das Haus der Rimbauds befand sich in der Altstadt, nicht weit vom Fürstenpal­ast entfernt. Ein schmales, geradezu bescheiden anmutendes Gebäude, war es nach Philippes Schätzung einen Betrag im zweistelli­gen Millionenb­ereich wert.

nom de parking.

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