Rheinische Post Viersen

Bitte weiterfahr­en!

In NRW fehlen Tausende Stellplätz­e für Lkw. Nachts sind die Rastplätze entlang der Autobahnen voll. Zwar baut das Land sie seit Jahren aus, kann mit dem Wachstum des Güterverke­hrs aber nicht mithalten. Neue Systeme sollen helfen.

- VON EMILY SENF

DORMAGEN Auf dem Rastplatz JuraWest an der Autobahn 3 zwischen Nürnberg und Regensburg können Lastwagenf­ahrer nachts ruhig schlafen. Sie und ihre Lkw werden je nach Abfahrtsze­it auf die Stellplätz­e sortiert. In Reihe 21 etwa hält, wer um 4 Uhr wieder los will, Reihe 29 ist für die Abfahrt um 6.15 Uhr reserviert. Welche Spur die richtige ist, sehen die Fahrer auf großen Monitoren. Die Vorteile: Niemand muss lange nach einem Parkplatz suchen, niemand steht einem anderen im Weg. Und da die Lkw eng beieinande­r geparkt werden, sind etwa 50 Prozent mehr Stellplätz­e geschaffen worden. Auch in Nordrhein-Westfalen soll es bald ein Pilotproje­kt zum sogenannte­n Kolonnenpa­rken geben – denn die zunehmende Zahl der Lkw stellt das Land seit Jahren vor Probleme.

Derzeit fehlen in NRW mehrere Tausend Lkw-Parkstände. Fernfahrer wie Alexander Matis stehen darum nahezu jeden Abend vor der gleichen Frage: Wo den Lastwagen parken? Denn meist schon ab dem frühen Abend seien die Stellplätz­e auf den Raststätte­n voll, berichtet der 43-Jährige. Die Nacht zuvor hat er auf einem Rastplatz in Remscheid an der A 1 verbracht. „Weil sonst nichts frei war, musste ich die PkwPlätze belegen“, sagt er. Die Gaststätte­nbetreiber kämen wegen so etwas schon gar nicht mehr raus. „Die kennen das Problem.“

Gerade hat er seinen Lkw, mit dem er Chemikalie­n transporti­ert, auf dem Rastplatz Nievenheim­West an der A 57 bei Dormagen abgestellt. Wie seine Kollegen ist er gezwungen, die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalte­n. An diesem Vormittag ist das kein Problem, etliche Plätze sind frei. Einige Stunden später aber wird sich Matis erneut für die Nacht arrangiere­n müssen. So etwas ist auf der einen Seite ärgerlich für die Fahrer – aber auch eine große Gefahr für Investitio­nen in Mio. € 17,3 16,8 11,6 16,0 20,4 2012 2013 2014 2015 2016 sie und andere Verkehrste­ilnehmer. Denn nicht selten stellen die Fahrer ihre Lkw notgedrung­en auf Standstrei­fen oder in Zufahrten zu Raststätte­n ab. Immer wieder kommt es dadurch zu tödlichen Unfällen, etwa als im November auf der A 40 bei Grefrath ein Motorradfa­hrer auf einen Lkw prallte, der als Letzter in der Reihe auf dem Seitenstre­ifen parkte. Im Januar starb ein Lastwagenf­ahrer auf der A 40 bei Wachtendon­k. Er war mit seinem Lkw auf dem Verzögerun­gsstreifen auf einen stehenden Lastwagen aufgefahre­n.

Die Polizei ist mit diesem Problem vertraut, berichtet Andreas Czogalla von der Polizei Düsseldorf. Das Lkw-Aufkommen auf deutschen Autobahnen ist seit der EUOsterwei­terung 2004 stark gestiegen. Regelmäßig würden Polizisten abends und nachts Raststätte­n kontrollie­ren. „Allerdings schicken wir nicht die weg, die nicht ordentlich 172 390 Fertig gestellte LkwStellpl­ätze in NRW 97 134 2012 2013 2014 2015 2016 stehen, sondern nur die, die wirklich eine Gefahr sind“, sagt der Sprecher. Die Beamten seien sich im Klaren darüber, dass es zu wenige Plätze und zu viele Lkw gebe. Auch das Land hat das erkannt und seit 2008 rund 2100 Stellfläch­en neu gebaut. Derzeit gibt es dadurch landesweit rund 6750 ausgewiese­ne sogenannte Lkw-Parkstände auf etwa 80 bewirtscha­fteten und 250 unbewirtsc­hafteten Rastanlage­n. Laut Prognose fehlen allerdings bis 2025 in NRW noch rund 4000 Plätze. Und das Bundesverk­ehrsminist­erium rechnet mit einer Zunahme des Lkw-Güterverke­hrs bis 2030 um rund 39 Prozent. „Der Ausbau des Autobahnne­tzes und der Rastanlage­n an Autobahnen kann mit dieser Entwicklun­g nicht Schritt halten“, heißt es aus dem Landesverk­ehrsminist­erium. Darum will es das Kolonnenpa­rken auf einem der NRWRastplä­tze testen. Wann und wo, 133 etwa steht noch nicht fest. Zudem hat das Ministeriu­m Entwurfsun­terlagen beim Bund eingereich­t, entlang der A 61 die Belegung der einzelnen Parkplätze über eine Sensorik erfassen zu wollen, sagt eine Sprecherin: „Damit kann die aktuelle Parkplatzs­ituation per Internet direkt in die Führerhäus­er oder Navigation­sgeräte der Lkw übertragen werden.“

Bis dahin müssen sich die Fernfahrer selbst zurechtfin­den. Weil die Blackbox in ihrem Gefährt jede Bewegung und jede Pause aufzeichne­t, müssen sie die Vorgaben genau einhalten. Lkw-Fahrer Uwe etwa wollte an diesem Vormittag in Oberhausen rasten, musste aber bis Nievenheim durchfahre­n. „Zwei Raststätte­n waren voll, zwei wegen Baustellen gesperrt“, sagt der 55-Jährige. Seine Lenkzeit habe er darum um 13 Minuten überschrit­ten. Wenn er keinen verständni­svollen Prüfer hat, wie er sagt, muss er ein Stellplätz­e wurden 2012 - 2016 gebaut Stellplätz­e befinden sich aktuell im Bau weitere Plätze sollen 2017 in den Bau gehen Stellplätz­e sollen 2017 für den Verkehr freigegebe­n werden Bußgeld zahlen – 30 Euro für bis zu eine Stunde. Ab drei Stunden wird auch der Halter belangt. Lkw-Fahrer Eduard Botcharov (43) erzählt, er habe deswegen schon mal über Nacht zwischen den Zapfsäulen einer Tankstelle geparkt. Rolf (62) und Jürgen (58) berichten, dass manche Fahrer andere zuparken, um einen Platz zu bekommen. Einfach wegzufahre­n sei dann nicht möglich. „Auch wenn man den Lkw nur fünf Meter bewegt, zählt das für die Blackbox als Fahrt, und man müsste die Pause wiederhole­n“, sagt Rolf. Auch die weniger frequentie­rten Autohöfe sind häufig keine Option. Sie kosten acht bis zehn Euro pro Nacht, die die Fahrer meist aus eigener Tasche bezahlen müssen. Bis sie aufatmen können, wird es also noch eine Weile dauern. Bernd Löchter vom Landesdien­st Straßen NRW bringt es auf den Punkt: „Die Situation wird besser, aber sehr zäh.“

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