Abschied von der Brüggener Ziegelei
1926 kaufte die Firma Gebr. Laumans die Ziegelei an der Borner Straße. Gestern wurde der Kamin abgebrochen. Wie bei einer Baumfällung wurde unten eine Kerbe ins dicke Mauerwerk getrieben, bis der Turm in einen Schutthaufen fiel
BRÜGGEN Der letzte Zeuge der Dachziegel-Industrie an der Borner Straße in Brüggen ist gestern gefallen. Der etwa 60 Meter hohe Turm war in den vergangenen Tagen im oberen Bereich bereits abgebrochen worden, so dass bis Mittwoch noch 35 Meter standen. Dieses Reststück wurde nun unten aufgestemmt, so dass der Kamin am Stück in einen Schutthaufen fiel, der als Puffer diente.
Nach Auskunft des geschäftsführenden Gesellschafters der mit den Abbrucharbeiten beauftragten Brüggener Firma Lankes, Markus Zohlen, hatte man sich gegen eine Sprengung des Turmes entschieden, um umliegende Häuser nicht zu beschädigen. Hätte man versucht, den mit einem Stahlgerüst ummantelten Turm zu sprengen, hätte es sein können, dass der obere, später aufgemauerte Teil abgebrochen wäre. Diese Spitze hätte sich in den weichen Boden graben und dadurch eine Erschütterung auslösen können, die vielleicht Schäden an Häusern in der Nachbarschaft verursacht hätte.
Die Firma Gebr. Laumans hatte das Werk auf der südlichen und nördlichen Seite der Borner Straße 1926 von der Falzziegelfabrik A. Baehren übernommen. Bis 2008 fertigte das Unternehmen am Standort in Brüggen sechs bis sieben Tonnen Dachziegel pro Jahr. Im Winter 2007/2008 wurde ein neuer Tunnelofen installiert, der bei seiner Inbetriebnahme im Februar 2008 explo- dierte. Durch die Explosion wurden große Teile des Betriebes zerstört. Danach wurde die Produktion dort nicht wieder aufgenommen. Die Firma Laumans investierte stattdessen in ihren Brachter Standort, um dort die Kapazitäten in der Produktion zu erhöhen. Das gelang, auch die Kunden blieben Laumans treu, berichtet Gerald Laumans, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Laumans. „Es ist toll zu sehen, wer auch in Krisenzeiten hinter einem steht.“
19 Mitarbeiter waren zuletzt in Brüggen tätig. Einige von ihnen sind heute noch am Brachter Standort der Ziegelei Laumans beschäftigt. Sie kamen gestern Nachmittag, um zu sehen, wie der Kamin fällt. Heinz-Gerd Peeters aus Kaldenkirchen etwa ist im Juni seit 40 Jahren bei Laumans tätig. 30 Jahre arbeitete er am Brüggener Standort im Lager, heute ist der 60-Jährige am Brachter Standort in der Produktion beschäftigt. Der Lobbericher Ralf Opstals (51) ist seit 23 Jahren bei Laumans als Betriebselektriker beschäftigt, 15 Jahre arbeitete er am Brüggener Standort. Victor da Silva (45) war 18 Jahre in Brüggen tätig, heute arbeitet er in Bracht als Maschinenführer. Holger Simon (57) ist als Maschinenführer seit 38 Jahren bei Laumans beschäftigt, 29 Jahre davon arbeitete er in der Brüggener Ziegelei. Den Abbruch des Kamins beobachteten die Männer am Nachmittag sichtlich wehmütig – schließlich haben manche die Hälfte ihres Lebens in der Brüggener Ziegelei verbracht. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Jürgen Müller (59), der 16 Jahre dort als Maschinenführer arbeitete und heute am Brachter Standort in der Falzziegelproduktion beschäftigt ist.
Gerald Laumans betrachtete den Abbruch des Kamins gestern Nachmittag „mit einem weinenden und einem lachenden Auge, es muss ja weitergehen“. Auf der Fläche, auf der die Firma Lankes seit Wochen mit dem Abbruch der alten ZiegeleiGebäude beschäftigt ist, sollen Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser errichtet werden.
Am Montag wurde auch die alte Brücke, die Gebäudeteile auf der südlichen und nördlichen Seite der Borner Straße miteinander verband und die jahrzehntelang für viele Brüggener den Ortseingang markierte, auseinandergenommen. Damit erinnert bald nichts mehr an den Brüggener Laumans-Standort. Gerald Laumans stellte fest: „Für mich ist das bewegender als die Brücke, weil der Turm sinnbildlich für die Ziegelindustrie steht.“