Rheinische Post Viersen

Gefangen im Amateurfuß­ball

Morgen trifft Rot-Weiss Essen auf Alemannia Aachen – zwei ehemalige Bundesligi­sten mit großer Tradition. Heute sind sie Leidensgen­ossen in der vierten Liga. Die Befürchtun­g ist groß, dass der Zug zurück ins Profigesch­äft abgefahren ist.

- VON MAXIMILIAN LONN UND PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Ab und an jubeln sie noch in Essen. Wie am Dienstag, als Rot-Weiss im Niederrhei­npokalHalb­finale beim Wuppertale­r SV mit 3:2 siegte. Es war wohl der entscheide­nde Schritt in die erste Runde des DFB-Pokals in der kommenden Spielzeit. So lebt der Traum vom großen Los: Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04. Der Traum von Duellen, die sie in Essen früher wöchentlic­h zu sehen bekamen. Spätestens morgen wachen sie aus dem Traum aber wieder auf. Die triste Realität heißt Fuß-

„Wir sind wirtschaft­lich konsolidie­rt. Nun wollen wir den nächsten Schritt machen.“

Michael Welling

RWE-Vorsitzend­er

ball-Regionalli­ga West – vierte Liga. Der Gegner ist der Leidensgen­osse aus Aachen. Alemannia und RWE, zwei Traditions­vereine, die in der Versenkung verschwund­en sind. Und – noch schlimmer – deren Weg zurück in den Profifußba­ll verbaut erscheint.

Seit 2011 (Essen) und 2013 (Aachen) sind die Klubs viertklass­ig. Am Fanzuspruc­h liegt das sicher nicht. Beide haben einen Zuschauers­chnitt um 7000 Besucher und stehen damit besser da als Zweitligis­t SV Sandhausen. Im Februar 2015 pilgerten gar 30.313 Fans zum Aachener Tivoli um die Partie gegen RWE zu verfolgen – Viertliga-Rekord. Morgen (19.30 Uhr) werden in Essen knapp 10.000 Anhänger erwartet. Die Probleme liegen vielmehr in den Vereinen und auch in der Regionalli­ga-Reform des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

In der vergangene­n Woche hat die Alemannia Aachen Spielbetri­ebsGmbH zum zweiten Mal nach 2012 Antrag auf Insolvenz gestellt. Neun Punkte sollen dem Tabellenfü­nften abgezogen werden. Das würde urplötzlic­h Abstiegska­mpf bedeuten. Ein großes finanziell­es Problem ist das Stadion. Der 46 Millionen Euro teure Tivoli wurde 2009 eröffnet. Zwei Abstiege und eine Insolvenz später ist die für die Regionalli­ga wirklich weitergeko­mmen. Vier Trainer und zwei Interimstr­ainer halfen nicht. RWE dümpelt im grauen Tabellenmi­ttelfeld der Regionalli­ga herum – ohne jegliche Aufstiegsc­hance.

Um wieder bessere Zeiten an der Hafenstraß­e zu erleben, riefen die Verantwort­lichen um den Vorsitzend­en Michael Welling 2016 die Kampagne „Zusammen Hoch 3“ins Leben. Der Plan: Innerhalb von drei Jahren soll mit Unterstütz­ung aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenscha­ft die Rückkehr in den Profifußba­ll realisiert werden. „Wir sind wirtschaft­lich konsolidie­rt, wir sind infrastruk­turell gut aufgestell­t, wir haben den Nachwuchs dahin ge- 08 08/ 09 09/ 10 10/ 11 11/ 12 12/ 13 13/ 14 14/ 15 15/ 16 16/ 17 führt, wo er hingehört. Nun wollen wir den nächsten Schritt machen“, sagte Welling.

Dabei gibt es aber einen weiteren Stolperste­in: Denn der DFB hat durch seine Regionalli­ga-Reform im Jahr 2012 die Aufstiegsb­edingungen deutlich erschwert. Aus drei wurden fünf Regionalli­gen, was zur Folge hat, dass die Meister der jeweiligen Landesstaf­fel nicht mehr automatisc­h in die dritte Liga aufsteigen, sondern erst an einer Relegation teilnehmen müssen. Heißt: Ein Team kann mit 34 Siegen Meister werden und im schlechtes­ten Fall, mit zwei Unentschie­den in den Aufstiegss­pielen scheitern. Kein Grund für Jubel in Essen – und Aachen.

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QUELLE: FUPA. FUPA.DEDE | FOTO: IMAGO | RECHERCHE: MAXIMILIAN LONN | GRAFIK: FERL

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