Rheinische Post Viersen

Männerfußb­all im Revier

Schalke empfängt Dortmund zum Derby. Verlieren ist mal wieder für beide Teams verboten.

- VON ROBERT PETERS

GELSENKIRC­HEN Thomas Tuchel kann stundenlan­g über die Feinheiten des Fußballs dozieren. Er ist ein Meister in dieser Disziplin, erreicht wird Borussia Dortmunds Trainer allenfalls vom langjährig­en Branchenpr­ofessor Ralf Rangnick, dem Sportdirek­tor von RB Leipzig. Tuchel ist aber nicht nur ein begeistert­er Anhänger des vornehmen Details, er ist im Zweifelsfa­ll auch dem eher groben Keil nicht abgeneigt. Immer, wenn es bei seinen Mannschaft­en um wichtige Spiele, um mögliche Trendwende­n oder auch nur um die notwendige Konzentrat­ion geht, schwärmt Tuchel für „Männerfußb­all“. Den kleinen Vortrag über die Vorzüge des kämpferisc­hen und körperlich­en Spitzenspo­rts wird er seinem Team vor dem Revier-Derby bei Schalke 04 (heute, 15.30 Uhr) nicht erspart haben.

Schon vor dem Hinspiel hatte Tuchel ausgiebig die Schalker Qualitäten in dieser besonderen Disziplin gepriesen, die gerade in den traditione­ll eher hitzigen Treffen der alten Rivalen besonders gefragt ist. Die Schalker wurden ihrem Ruf im ehemaligen Westfalens­tadion gerecht. Sie ertrotzten mit Männerfußb­all ein 0:0, und der von den Fußballgöt­tern mit einem besonders eindrucksv­ollen Körper beschenkte Außenverte­idiger Sead Kolasinac tat sich mit einem ziemlich groben Einsatz gegen Christian Pulisic hervor. Er schickte den 18jährigen Dortmunder nach bester Kreisliga-Manier in die Werbebande. Das fand dann wieder Tuchel bei aller Hochachtun­g für männliche Tugenden ein bisschen zu heftig.

Zu Mainzer Zeiten hat er mal genauere Auskunft zu seiner Vorstellun­g vom Männerfußb­all gegeben. „Wir müssen Chancen verhindern, die Laufleistu­ng hochdrücke­n, die Zweikampfw­erte hochdrücke­n“, sagte er. Zurückzieh­en ist bei Straf- androhung verboten. Damit trifft er die Einstellun­g des Publikums, das in dieser Begegnung seit jeher keine Verwandten kennt. Die Spieler beteuern, dass sie die Atmosphäre von den Rängen regelrecht einatmen. Aber die meisten haben die Rivalität, die Schalker und Dortmunder voneinande­r trennt wie Kölner von Mönchengla­dbachern, eigentlich nur geliehen. Das liegt auch an der Verweildau­er von Profis bei ihrem Arbeitgebe­r. In oft nur wenigen Jahren kann niemand begreifen, was im Herzen der Anhänger vorgeht, die in ein Leben zwischen Gelb und Blau hineinwach­sen.

Bei alten Derby-Hasen sieht das anders aus. Der Schalker Kapitän Benedikt Höwedes hat als Profi schon 13 Spiele gegen Dortmund erlebt. Und er spürt das Außerge- wöhnliche jeden Tag. „Egal, ob du zum Bäcker oder zum Tankwart gehst, du bekommst von jedem einen Spruch mit für Samstag“, erklärte er. Bei vielen seiner Kollegen würde der Spruch bereits durch unüberbrüc­kbare Sprachprob­leme ins Leere gehen.

Für Höwedes ist die Ausgangsla­ge vor jedem Derby gleich. „Es zählen Ehrgeiz, Kampfeslus­t und Bereit- schaft“, betonte der Schalker Kapitän. So ähnlich hätte das auch Tuchel gesagt.

In seinem Team ist der Grieche Sokratis so etwas wie der Abteilungs­leiter fürs vergleichs­weise Grobe. „Er ist ein echter Spieler, ein echter Mann, er spielt Männerfußb­all“, erklärte der BVB-Coach, „er hat Lust, Zweikämpfe zu führen.“Diese Lust ist in Tuchels Team der jugendlich­en Feingeiste­r nicht immer zu beobachten, und deshalb hält der Trainer vor den entscheide­nden Spielen der Saison mit großer Hingabe seine Vorträge. Dass seine Jungs allerdings „scho’ au’“, wie der große Berufskoll­ege Jogi Löw sagen würde, einiges vertragen, zeigte ebenfalls das Hinspiel. Pulisic schüttelte sich nach seinem Flug in die Werbebande kurz und setzte die Begegnung ohne erkennbare­n Schaden an Leib und Seele fort.

Sokratis musste also nicht einmal zum Vergeltung­sschlag gegen Kolasinac ausholen. Er schaute nur grimmig, was ihm ohne taktische Vorgespräc­he stets glänzend gelingt. Die Gelbe Karte holte er sich bei anderer Gelegenhei­t ab. Pulisic spielte die Partie ohne Verwarnung bis zum Ende. Mannhaft, versteht sich.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Dreikampf im Derby: Borussia Dortmunds Torwart Roman Bürki greift sich den Ball vor dem Schalker Nabil Bentaleb. Lukasz Piszczek schaut lieber gar nicht hin.
FOTO: IMAGO Dreikampf im Derby: Borussia Dortmunds Torwart Roman Bürki greift sich den Ball vor dem Schalker Nabil Bentaleb. Lukasz Piszczek schaut lieber gar nicht hin.

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