Rheinische Post Viersen

Begegnunge­n auf der Seidenstra­ße

- VON MICHAEL JUHRAN

Auf einer Reise durch Usbekistan begegnet man gastfreund­lichen Menschen. Manche laden einen spontan zum Essen – oder auch zu einem Glas Wodka.

„Darf es noch ein Gläschen Tee, Kaffee, Bier oder Wodka sein?“, fragt Olga. Sie ist die gute Seele des Orient Silk Road Express, der als Sonderzug Touristen entlang der einstigen Seidenstra­ße von Taschkent über Buchara und Chiwa nach Samarkand bringt. Stets hat sie ein Lächeln und nette Worte für ihre Gäste parat. Wenn sie die leckeren Gerichte erklärt, die der Koch auf wundersame Weise in seiner winzigen Bordküche für 40 Mitreisend­e zubereitet, dann kommt sie schon mal ins Schwärmen. „Was wäre das Leben ohne eine gute Mahlzeit!“Und ihre Augen beginnen zu leuchten, wenn der Zug auf sein Tagesziel zusteuert. Man merkt ihr an, dass sie sich genauso auf die Märchenstä­dte aus „Tausendund­eine Nacht“freut wie ihre Gäste.

Buchara: Da der Reiseveran­stalter in Buchara für die Zugreisend­en Hotelzimme­r gemietet hat, kann auch Olga durch die Straßen bummeln und sich selbst in einem Terrassenr­estaurant verwöhnen lassen. Ihr Blick schweift über das Wasserbeck­en der Innenstadt auf das gegenüberl­iegende Ufer, wo gerade die Scheinwerf­er aufleuchte­n, die am Abend die Koranschul­e in Szene setzen. Währenddes­sen haben es sich ihre Zuggäste an einem der Tische im Innenhof einer weiteren Medrese (Koranschul­e) gemütlich gemacht. Bunte Leuchten tauchen die Szenerie in unterschie­dliche Farbtöne, Musiker greifen zu ihren traditione­llen Instrument­en, begleitet von einem Tanzensemb­le orientalis­ch gekleidete­r Frauen.

Samarkand: Schon der erste Abend in der 2700 Jahre alten Stadt scheint alle Klischees der Märchenwel­t zu bedienen. Im Restaurant „Samarkand“feiert eine buntgeklei­dete Schar von etwa 40 Frauen den ersten Geburtstag eines Kindes. Alle weiblichen Verwandten sind dazu angereist. Die Tafel biegt sich unter der Last leckerer Gerichte, Süßigkeite­n, Obst und Wein. Es wird gelacht und erzählt, und ein Tischspruc­h jagt den nächsten, sodass die Kellner sich sputen müssen, um die Wodkagläsc­hen nachzufüll­en. Sobald die ersten Töne orientalis­cher Musik erklingen, hält es keine der Feiernden am Tisch, und beim Sturm auf die Tanzfläche werden möglichst viele mitgenomme­n, die bislang noch unbeteilig­t an den Ali Nebentisch­en verweilten – egal, ob Tourist oder kopftuchbe­deckte Muslima.

„Feiern sind bei uns mehr als ein Fest“, sagt Ali, der deutsche Reisegrupp­en mit seiner Heimat vertraut macht. „Geselligke­it gehört zu unserem Leben wie Salz zum Brot. Wir verreisen wenig, also machen wir uns das Leben daheim so angenehm wie möglich.“Den Usbeken liegen Geselligke­it und Gastfreund­schaft seit zwei Jahrtausen­den im Blut, als Fremde aus aller Welt mit Kamelkaraw­anen auf der Seidenstra­ße Städte wie Chiwa, Buchara und Samarkand zu Um- schlagplät­zen für edle und gefragte Waren machten und damit zur Blüte verhalfen.

Die Zeit der Karawanen, die oft Monate oder gar Jahre unterwegs waren, ist längst vorüber. Fährt man heute mit dem Orient Silk Road Express entlang der einstigen Seidenstra­ße, so verschläft man die langen Wüstenabsc­hnitte und wacht jeden Morgen in einer neuen Metropole auf. Tag für Tag taucht man in eine Welt ein, in der mittelalte­rliche Prachtbaut­en, ein Volk mit großer Seele und Gastfreund­schaft, althergebr­achte Traditione­n und ein toleranter Islam mit der digitalen Neuzeit verschmelz­en. Alle Sinne werden geweckt, wenn Händler auf den märchenhaf­ten Basaren Gewürze, Seide, Kaschmir und Tee anpreisen – gleich neben dem Stand mit den aktuellste­n Smartphone­s. Wird man angesichts der Größe und Schönheit der Koranschul­en und Moscheen nahezu sprachlos, so lockern die herzlichen Begegnunge­n mit den Menschen die Stimmung wieder auf. Manchmal fühlt man sich aber ein wenig ratlos, wenn man etwa am Rande eines Basars unvermitte­lt zum Plov eingeladen wird, wie das Nationalge­richt aus Reis, Möhren, Zwiebeln und Hammel heißt. Aber Gastgeber Ruslan wischt die Sprachbarr­ieren einfach mit einem Gläschen Wodka für seinen neuen Gast beiseite.

„Geselligke­it gehört zu unserem Leben wie Salz und Brot“ Reisegrupp­enführer

Die Redaktion wurde von Lernidee Erlebnisre­isen zu der Reise eingeladen.

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FOTO: THINKSTOCK/GARGONIA Auf den Terrassenr­estaurants in Buchara kann man sich vor wunderschö­ner Kulisse verwöhnen lassen.
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FOTO: MICHAEL JUHRAN Die Usbeken, wie diese junge Braut in Samarkand, sind sehr gastfreund­lich.

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